DGUV Information 207-026 - Zu Hause pflegen - so kann es gelingen! Ein Wegweiser für pflegende Angehörige

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Abschnitt 1 - 1 Was Pflege zu Hause bedeuten kann - positive Erfahrungen, Herausforderungen und Belastungen

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Abb. 1 Pflege kann Erfüllung und Belastung sein

Die Pflegebedürftigkeit nimmt zu, weil die Menschen immer älter werden. Manchmal passiert es schneller, als man denkt: Ein Mensch, der uns nahesteht, wird durch einen Unfall oder eine Krankheit pflegebedürftig. Aus Liebe, Zuneigung und Verantwortungsgefühl ist es für viele Angehörige selbstverständlich, sich zu kümmern und vielleicht auch die Pflege zu übernehmen.

Besonders der Beginn einer Pflege ist geprägt durch Unsicherheit, offene Fragen und Entscheidungen. Das ganze Leben ändert sich. Zu diesen Veränderungen gehören auch positive Erfahrungen. Pflegende Angehörige berichten, dass die Familie wieder näher zusammenrückt und sie viele neue und bereichernde Erfahrungen machen und ihre Fähigkeiten erweitern. Es entsteht eine andere, häufig engere emotionale Bindung: Geschichten von früher werden erzählt und es wird gemeinsam gelacht.

Viele Pflegebedürftige sind dankbar für die Unterstützung und zeigen dies auch. Die Pflegesituation bewirkt manchmal, dass man einen neuen oder anderen Sinn im Leben findet und sich die Weltsicht verändert. Mit dem Bewusstsein darüber, wie schnell gesundheitliche Einschränkungen und Pflege das Leben verändern können, schärft sich der Blick für das Wesentliche im Leben. Im Hier und Jetzt zu leben und die guten Tage und Momente miteinander zu genießen, das ist das, was zählt.

Wir haben Interviews mit pflegenden Angehörigen geführt. Hier sind einige Aussagen zu positiven Erfahrungen durch die neue Aufgabe.

ccc_3653_02.jpg"Früher war meine Mutter kühl und wenig gefühlvoll mit uns Kindern. Mit fortschreitender Pflegebedürftigkeit wird sie weicher, liebevoller und sucht Körperkontakt. Das ist bei allem Schweren sehr schön."
Sabine R. (45)
ccc_3653_02.jpg"Jetzt, da mein Vater nicht mehr alleine spazieren gehen kann, gehe ich mit ihm. Es verbindet uns neu und dabei kann auch ich dem täglichen Stress für eine Zeit entfliehen!"
Gaby S. (55)
ccc_3653_02.jpg"Ich habe bewusst entschieden, wieder zu meiner Mutter ins Haus zu ziehen und sie zu pflegen. Ich mache das aus Liebe zu ihr. Es hilft mir, mich daran zu erinnern, wenn ich mal nicht mehr kann."
Manuela B. (53)
ccc_3653_02.jpg"Seit ich meinen Vater in seiner Pflegebedürftigkeit unterstütze, bin ich ihm wieder viel nähergekommen."
Josef F. (60)
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Nur wenn es Ihnen gut geht, können Sie auch gut pflegen!

Die Pflege eines oder einer Angehörigen zu übernehmen, ist eine Herausforderung, zu der auch Belastungen gehören. Sie können körperlicher oder psychischer Natur sein, können soziale, finanzielle oder zeitliche Ursachen haben. Manche bedingen und beeinflussen sich gegenseitig. Jeder Mensch ist anders und daher treffen nicht alle Belastungen auf jeden zu.

Durch die Pflege eines Ihnen nahestehenden Menschen haben Sie eine wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe übernommen. Diese können Sie jedoch nur zufriedenstellend wahrnehmen, wenn Sie sich selbst darüber nicht vergessen.

Pflege kann zu Überforderungen und Frustrationen führen. Das bedeutet jedoch keinesfalls, dass Sie versagt haben. Es zeigt vielmehr, dass Sie auch als Pflegeperson Bedürfnisse haben, die erfüllt werden müssen. Nur dann kann die Pflege sowohl für den pflegebedürftigen Menschen als auch für Sie befriedigend gestaltet werden.

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Abb. 2 Belastungen erkennen

Mögliche soziale und psychische Belastungen:

  • Veränderung der eigenen Lebensplanung

  • Anpassung an die neue Situation (z. B. nicht vorhandenes Wissen über die Erkrankung und die Pflege)

  • ungewisse Dauer der Pflege (wie viele Monate oder Jahre kommen auf mich zu?)

  • bürokratische Hürden

  • familiäre Konflikte/Beziehungsprobleme

  • fehlende Anerkennung

  • mangelndes Verständnis und fehlende Unterstützung des sozialen Umfelds

  • Unsicherheiten

  • Schuldgefühle, schlechtes Gewissen

  • Sorgen und (Zukunfts-)Ängste

  • Veränderung der vertrauten, pflegebedürftigen Person

  • Auseinandersetzung mit Tod und Krankheit

  • Isolation

  • "Nicht-Abschalten-Können"

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Abb. 3 Manchmal wächst einem alles über den Kopf

Mögliche finanzielle/materielle Belastungen:

  • Einschnitte im Privatleben/Veränderungen im Wohnumfeld

  • Einbindung von entlastenden Dienstleistern (z. B. Pflegedienst, Tagespflege, Kurzzeitpflege)

  • Kosten für Zuzahlungen, z. B. für Hilfsmittel oder Umbaumaßnahmen

  • Vereinbarkeit der Pflege mit dem Beruf (z. B. Reduzierung der Arbeitszeit und damit verbundene Einkommenseinbußen)

Mögliche zeitliche Belastungen:

  • zunehmende Anwesenheit wird notwendig

  • Verfügbarkeit rund um die Uhr (zu wenig Zeit für sich selbst)

Mögliche körperliche Belastungen:

  • Mangel an Wissen über Pflegetechniken (Lernen durch Probieren)

  • fehlende Arbeitsorganisation (dadurch können unnötige Arbeitsvorgänge und Wege entstehen)

  • Schlafmangel