DGUV Information 213-728 - Empfehlungen Gefährdungsermittlung der Unfallversicherungsträger (EGU) nach der Gefahrstoffverordnung Verarbeitung thermoplastischer Kunststoffe in Spritzgießmaschinen

Online-Shop für Schriften

Jetzt bei uns im Shop bestellen

Jetzt bestellen

Abschnitt 5.2 - 5.2 Bewertung der Gefahrstoffexposition

Grundlage der statistischen Auswertungen sind Messwerte von möglichen flüchtigen Zersetzungsprodukten der beim Spritzgießen verwendeten Kunststoffe (berücksichtigte Kunststoffe siehe Tabelle 1). Die untersuchten Anlagen wurden überwiegend ohne Absaugung betrieben. Die Arbeitsräume waren in der Regel nicht mit einer raumlufttechnischen Anlage (RLT-Anlage) ausgestattet. Es wurden Messungen berücksichtigt, die direkt stationär über eine Dauer von mindestens zwei Stunden an der jeweiligen Plastifiziereinheit (Abbildung 1) erfolgten. Dadurch stellen die berücksichtigten Messwerte ungünstige Fälle dar, da sich die Beschäftigten in der Regel nur kurzzeitig, z. B. zur Sichtkontrolle, zum Materialwechsel oder bei Reinigungsarbeiten (Freispritzvorgängen) an der Anlage aufhalten. Einbezogen wurden Messdaten aus dem Zeitraum von 2005 bis 2021. Die Messungen erfolgten in Anlehnung an die TRGS 402 nach den in der IFA-Arbeitsmappe aufgeführten Methoden [15] und beziehen sich auf eine Arbeitsschicht.

In Tabelle 3 sind Messergebnisse für die Zersetzungsprodukte beim Kunststoffspritzgießen aller berücksichtigten Kunststoffe dargestellt. Für Formaldehyd wurden in dieser Tabelle nur Messungen einbezogen, bei denen kein POM verarbeitet wurde, da die Formaldehyd-Exposition bei der Verarbeitung von POM in Tabelle 4 beschrieben wird. Ausgewiesen werden neben den berücksichtigten Gefahrstoffen, die Anzahl der Messwerte und der Betriebe, die Anzahl der Messwerte kleiner Bestimmungsgrenze, die höchste Bestimmungsgrenze sowie der Beurteilungsmaßstab und der maximale Messwert.

ccc_3452_as_17.jpg

Abb. 1 Ansicht einer Kunststoffspritzanlage mit Plastifiziereinheit.

Tabelle 3 Ergebnisse für die Zersetzungsprodukte beim Kunststoffspritzgießen aller Kunststoffe für den Zeitraum 2005 bis 2021

GefahrstoffAnzahl MesswerteAnzahl BetriebeAnzahl Messwerte < BGHöchste BG (mg/m3)Beurteilungsmaßstab (mg/m3)Maximaler Messwert (mg/m3)
Acetaldehyd7736670,02910,09
Acrylaldehyd7332730,010,2< 0,01
Acrylnitril2414240,10,26< 0,10
Aliphatische Kohlenwasser-59345514300128
stoffe C9-15
Benzol5615460,10,20,015
1,3-Butadien39263910,5< 1,00
Butyraldehyd7332730,0264< 0,02
Cyanwasserstoff1913190,32,1< 0,30
Cyclopentanon6239622,290< 2,20
Fluorwasserstoff106100,170,83< 0,17
Formaldehyd ohne POM7935360,030,370,21
Glutaral7332730,020,20< 0,02
Hexanal138130,0440< 0,04
Phenol3624360,508< 0,5
Propionaldehyd7433730,02480,14
Styrol52324238634
Valeraldehyd7031700,0290< 0,02

BG: Bestimmungsgrenze

Bei der Verarbeitung (Spritzgießen) thermoplastischer Kunststoffe, lagen die Gefahrstoffkonzentrationen in der Luft am Arbeitsplatz überwiegend unterhalb der Bestimmungsgrenze der angewandten Probenahme- und Analyseverfahren. Die Messwerte zeigen, dass die Beurteilungsmaßstäbe nach TRGS 900 und TRGS 910 für die berücksichtigten Gefahrstoffe eingehalten werden (siehe Tabelle 3).

Die Bestimmungsgrenze für das krebserzeugende 1,3-Butadien liegt mit 1 mg/m3 über der Akzeptanzkonzentration von 0,5 mg/m3 Aus diesem Grund kann eine Einhaltung der Akzeptanzkonzentration bei der Verarbeitung von Polybutylenterephthalat (PBT) und von ABS-Kunststoffen mit den Untersuchungsergebnissen nicht sichergestellt werden. Alle ermittelten Messwerte lagen jedoch unterhalb der Bestimmungsgrenze und damit unterhalb der für 1,3-Butadien festgelegten Toleranzkonzentration von 5 mg/m3 (siehe Tabelle 3).

In Tabelle 4 sind die Messergebnisse für Formaldehyd beim Kunststoffspritzgießen von POM dargestellt. Ein Großteil der Messwerte lag oberhalb der Bestimmungsgrenze und vereinzelt auch oberhalb des Beurteilungsmaßstabes. Aufgrund dessen werden in Tabelle 4 statt des maximalen Messwertes die 50 %- und 95 %-Werte des statistischen Kollektivs ausgewiesen.

Tabelle 4 Ergebnisse für Formaldehyd beim Kunststoffspritzgießen von POM für den Zeitraum 2005 bis 2021

GefahrstoffAnzahl:
Betriebe/Messwerte
Anzahl Messwerte < BGHöchste BG (mg/m3)Beurteilungsmaßstab (mg/m3)50 % Wert (mg/m3)95 % Wert (mg/m3)
Formaldehyd41 / 7070,010,370,050,235

BG: Bestimmungsgrenze

Bei der Verarbeitung von Polyoxymethylen (POM) wurde in zwei Fällen der Beurteilungsmaßstab für Formaldehyd von 0,37 mg/m3 überschritten. Der 95 %-Wert beträgt 0,235 mg/m3 (siehe Tabelle 4).

Erhöhte Formaldehydkonzentrationen können insbesondere dann auftreten, wenn die Verarbeitungstemperatur im Bereich der Zersetzungstemperatur liegt. Beim Wechsel des Materials oder bei der Beseitigung von Störungen ist ein Freispritzen der Düse erforderlich. Beim Freispritzen wird die Plastifiziereinheit durch das Zurückfahren von dem Werkzeug getrennt und der flüssige Kunststoff ausgespritzt. Dabei bildet sich ein sogenannter "Kuchen", der in der Regel mit einem Haken entfernt wird. Da der Kunststoff teilweise längere Zeit in der Heizeinheit verbleibt, kommt es hier häufig zu einer thermischen Zersetzung des Materials. Aus dem anschließend freigespritzten Kunststoff, kann Formaldehyd als Zersetzungsprodukt freigesetzt werden.

Werden die im Abschnitt 6 aufgeführten Schutzmaßnahmen umgesetzt, so sind aufgrund der dargestellten Ergebnisse keine weiteren Expositionsmessungen bei der Verarbeitung thermoplastischer Kunststoffe in Spritzgießmaschinen notwendig.