DGUV Information 209-054 - Tätigkeiten mit Kontakt zu Biostoffen in der Holz- und Metallindustrie

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Abschnitt 1.6 - A6 Wie erfolgt die Gefährdungsbeurteilung nach Biostoffverordnung?

Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach Arbeitsschutzgesetz müssen die Ergebnisse der Beurteilungen der einzelnen Gefährdungen zusammengefasst und die zu treffenden Schutzmaßnahmen aufeinander abgestimmt werden (siehe Abbildung 1).

Die Biostoffverordnung beinhaltet in den §§ 4 bis 7 als zentrale Forderung an Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, dass sie die Gefährdungen bei Tätigkeiten mit Biostoffen umfassend beurteilen und dokumentieren.

Bei der Gefährdungsbeurteilung und Festlegung von Schutzmaßnahmen werden zwei unterschiedliche Wege beschrieben:

Die Unterscheidung rührt daher, dass die der Biostoffverordnung zu Grunde liegende europäische Richtlinie (Richtlinie 2000/54/EG) ursprünglich für die speziellen Bereiche Forschung, Entwicklung, Biotechnologie, Labortätigkeiten konzipiert worden war, in denen gezielt Mikroorganismen eingesetzt werden (gezielte Tätigkeiten).

Nachgehend wurden aber auch alle anderen Tätigkeiten, bei denen Beschäftigte am Arbeitsplatz mit Biostoffen in Kontakt kommen können, berücksichtigt (nicht gezielte Tätigkeiten).

Während bei gezielten Tätigkeiten die Biostoffe nach Art, Menge, Aufnahmewege und möglicher Exposition im Betrieb bekannt sind, ist dies bei nicht gezielten Tätigkeiten meist nicht der Fall und eine abschließende Beurteilung somit oftmals erschwert.

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In der Regel wird man bei nicht gezielten Tätigkeiten Biostoffe finden, die unterschiedlichen Risikogruppen zuzuordnen sind. Wichtig sind hier für die Beurteilung, neben der Risikogruppe, zum Beispiel die Wahrscheinlichkeit und Häufigkeit des Auftretens, die Konzentration und die Übertragungswege des jeweiligen Biostoffs (siehe auch Abschnitt A5). Auch das Auftreten von möglichen Erkrankungen spielt bei der Beurteilung eine Rolle.

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Alle Tätigkeiten in der Holz- und Metallindustrie gehören zu den nicht gezielten Tätigkeiten und müssen keiner Schutzstufe zugeordnet werden!

Besonders für nicht gezielte Tätigkeiten wurde in der Technischen Regel für Biologische Arbeitsstoffe "Handlungsanleitung zur Gefährdungsbeurteilung und für die Unterrichtung der Beschäftigten bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen" (TRBA 400) ein Vorgehen zur Gefährdungsbeurteilung, basierend auf Konventionen (Vereinbarungen) beschrieben.

Dabei handelt es sich um Festlegungen und Bewertungen zum Vorkommen von Biostoffen aufgrund von umfangreichen Daten und Erfahrungswerten aus der Umwelt und der betrieblichen Praxis. Es handelt sich dabei nicht um Grenzwerte!

Im Abschnitt B - Spezieller Teil werden typische Tätigkeiten und Arbeitsbereiche in der Holz- und Metallindustrie mit Kontakt zu Biostoffen beschrieben.

A6.1
Konvention zur Beurteilung der Infektionsgefährdung

In der TRBA 400 sind zwei Gefährdungskategorien zur Beurteilung der Infektionsgefährdung als Konvention festgelegt:

Keine oder eine vernachlässigbare Infektionsgefährdung liegt vor, wenn:

  • nur Biostoffe der Risikogruppen 1 und 2 vorkommen und eine Exposition unwahrscheinlich oder geringfügig ist.

  • eine Exposition gegenüber Biostoffen der Risikogruppen 1 und 2 besteht, aber keine Erkenntnisse zum Auftreten berufsbedingter Infektionskrankheiten bei diesen oder vergleichbaren Tätigkeiten oder Arbeitsbedingungen bekannt sind.

Eine Infektionsgefährdung ist vorhanden, wenn:

  • eine Exposition gegenüber Biostoffen der Risikogruppen 1 und 2 besteht und Erkenntnisse zum Auftreten berufsbedingter Infektionskrankheiten bei diesen oder vergleichbaren Tätigkeiten oder Arbeitsbedingungen bekannt sind.

  • mit einer Exposition gegenüber Biostoffen der Risikogruppe 3 zu rechnen ist.

Die Anlage 3 der TRBA 400 enthält beispielhaft eine Auflistung von Tätigkeiten mit Infektionsgefährdung.

Die Maßnahmen, mit denen man einer - auch niedrigen - Infektionsgefährdung begegnen kann, sind in § 9 Abs. 1 der BioStoffV und in der TRBA 500 "Grundlegende Maßnahmen bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen" festgelegt; dabei handelt es sich vorrangig um allgemeine Hygienemaßnahmen.

A6.2
Konvention zur Beurteilung der Gefährdung durch sensibilisierend und toxisch wirkende Biostoffe.

Für die Beurteilung der Gefährdung durch sensibilisierende und toxische Wirkung von Biostoffen sind besonders Expositionshöhe, -dauer und -häufigkeit von Bedeutung (TRBA 400, Kap. 5.4). Daraus abgeleitet ergibt sich zur Ermittlung einer Gefährdungsstufe folgendes Ablaufschema:

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Expositionsstufen + Expositionszeit = Gefährdungsstufe

Expositionsstufen

In der TRBA 400 werden drei Expositionsstufen "erhöht", "hoch" und "sehr hoch" definiert, die entweder anhand von Messwerten (z. B. auch von vergleichbaren Arbeitsbereichen in der Literatur) oder von Materialeigenschaften oder Tätigkeits- und Arbeitsplatzmerkmalen abgeleitet werden können. Dem Konzept der Expositionsstufen liegt die Annahme zugrunde, dass die Gefährdung mit der Höhe der Exposition steigt.

Tabelle 2 Expositionsstufen für luftgetragene Schimmelpilze und Endotoxine

ExpositionsstufeSchimmelpilzeEndotoxine
"Erhöht"10.000 - 100.000 KBE 1/m3100 - 1.000 EU 2/m3
"Hoch"100.000 - 1.000.000 KBE/m31.000 - 10.000 EU/m3
"Sehr hoch"größer 1.000.000 KBE/m3größer 10.000 EU/m3

Expositionszeit

Weiterhin kann die Expositionszeit über Dauer und Häufigkeit mithilfe der in TRBA 400 vereinbarten Konventionen abgeschätzt werden. Auch dabei wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass bei sensibilisierend und toxisch wirkenden Biostoffen die Gefährdung mit der Dauer und der Häufigkeit der Exposition steigt, oder bei kurzzeitigen und seltenen ausgeführten Tätigkeiten geringer ist als bei regelmäßigen und dauerhaften Tätigkeiten.

Tabelle 3 Konvention zur Beurteilung der Expositionszeit

Expositionsstufeerhöhthoch
Expositionszeit
Weniger als 30 Arbeitstage im Jahrkurzmittel
30 und mehr Arbeitstage im Jahrmittellang

Gefährdungsstufen

Aus der Zusammenführung der ermittelten Expositionsstufe und der Expositionszeit kann anhand einer weiteren Matrix die jeweilige Gefährdungsstufe abgeleitet werden, aus der sich die erforderlichen Maßnahmen ergeben.

Tabelle 4 Ableitung von Gefährdungsstufen für Tätigkeiten mit sensibilisierend und toxisch wirkenden Biostoffen

Expositionsstufeerhöhthochsehr hoch
Expositionszeit
KurzErhöhte GefährdungErhöhte GefährdungHohe Gefährdung
MittelErhöhte GefährdungHohe GefährdungHohe Gefährdung
LangErhöhte GefährdungHohe GefährdungSehr hohe Gefährdung

Die Anlage 4 der TRBA 400 enthält beispielhaft eine Auflistung von Expositionsstufen für Schimmelpilze und Endotoxine in verschiedenen Arbeitsbereichen.

Im Hinblick auf die Anforderungen an Maßnahmen zum Schutz vor Gefährdungen durch sensibilisierende und toxische Biostoffe sind zum Beispiel bei einer "erhöhten" Gefährdung neben den Hygienemaßnahmen auch technische und bauliche Maßnahmen zu prüfen.

Bei "hohen" und "sehr hohen" Gefährdungen muss durch die Maßnahmen die Reduzierung um mindestens eine oder zwei Gefährdungsstufen erfolgen.

A6.3
Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung

Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen müssen die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung und die festgelegten Schutzmaßnahmen entsprechend § 7 der Biostoffverordnung schriftlich dokumentieren. Diese Dokumentation kann dann auch bei der Erstellung von Betriebsanweisungen und der Durchführung der Unterweisung genutzt werden.

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Wissenswertes zu Betriebsanweisungen
Betriebsanweisungen nach Gefahrstoffverordnung und Biostoffverordnung können oftmals in einer Betriebsanweisung zusammengefasst werden. Das ist besonders dann sinnvoll, wenn Maßnahmen zum Schutz vor Gefahrstoffen auch gegenüber Biostoffen wirksam sind (z. B. beim Biozideinsatz). In der DGUV Information 213-016 "Betriebsanweisungen nach der Biostoffverordnung" finden Sie Beispiele aus der Praxis.
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KBE = Koloniebildende Einheit

EU = Endotoxineinheiten (englisch: Endotoxin Units)