DGUV Regel 109-603 - Branche Schiffbau

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Abschnitt 3.2 - 3.2 Befähigung, Qualifikation, Vorsorge, Eignung

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Abb. 5 Arbeitsmedizinische Vorsorge

Einführung

Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen müssen bei besonders gefährdenden Tätigkeiten - um die Gefährdung für Sicherheit und Gesundheit Beschäftigter bei der Arbeit zu vermeiden - spezifische Rechte und Pflichten beachten, die sich aus Gesetzen, Verordnungen, sonstigem Regelwerk sowie arbeitsvertraglichen, tarifvertraglichen Regelungen oder Betriebsvereinbarungen ergeben können.

Dabei sind unter anderem Regelungen und/oder Vereinbarungen zur Befähigung, Qualifikation, Vorsorge und Eignung zu beachten, die auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruhen können und deren Beachtung oder Nichtbeachtung verschiedene Rechtsfolgen haben können. Außerdem haben Verantwortlichkeiten aufgrund von Führungsaufgaben, zum Beispiel im Rahmen der Pflichtenübertragung, Delegation oder Führungspraxis vor Ort, in diesem Zusammenhang einen hohen Stellenwert. Auch die Beschäftigten haben hier die Pflicht mitzuwirken.

Betriebliche Akteurinnen und Akteure nehmen in den vier Bereichen der Befähigung, Qualifikation, Vorsorge und Eignung hinsichtlich Sicherheit und Gesundheit Beschäftigter bei der Arbeit ihre jeweiligen Verantwortlichkeiten wahr.

Eine Ärztin oder ein Arzt mit der Qualifikation als Fachärztin oder Facharzt für Arbeitsmedizin oder mit der Zusatzbezeichnung "Betriebsmedizin" nimmt eine besondere Rolle ein, da sie oder er je nach betrieblichen Randbedingungen in den vier Handlungsfeldern in direktem Kontakt mit den einzelnen Beschäftigten steht. Um diese Aufgaben wahrnehmen zu können, muss die Betriebsärztin oder der Betriebsarzt die Arbeitsplatzverhältnisse persönlich kennen.

§ 6 ArbMedVV (1) "... Vor Durchführung der arbeitsmedizinischen Vorsorge muss er oder sie sich die notwendigen Kenntnisse über die Arbeitsplatzverhältnisse verschaffen."

ccc_3649_02.jpgRechtliche Grundlagen
  • Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV)

  • DGUV Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention"

3.2.1 Befähigung, Qualifikation

Die Vorgesetzten müssen die Befähigung eines oder einer Beschäftigten für eine bestimmte Tätigkeit prüfen. Neben der formalen Qualifikation (Ausbildung, Führerschein, Unterweisung) müssen Vorgesetzte sich auch von der körperlichen Verfassung der Beschäftigten ein Bild machen. In der Regel geschieht dies zu Arbeits-/Schichtbeginn.

§ 7 (1) DGUV Vorschrift 1: "Bei der Übertragung von Aufgaben auf Versicherte hat der Unternehmer je nach Art der Tätigkeiten zu berücksichtigen, ob die Versicherten befähigt sind, die für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Aufgabenerfüllung zu beachtenden Bestimmungen und Maßnahmen einzuhalten. Der Unternehmer hat die für bestimmte Tätigkeiten festgelegten Qualifizierungsanforderungen zu berücksichtigen."

§ 7 (2) DGUV Vorschrift 1: "Der Unternehmer darf Versicherte, die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, mit dieser Arbeit nicht beschäftigen."

Konkretisierungen hinsichtlich der Definition, der Ermittlung, des Zeitpunkts der Ermittlung und der besonderen Anforderungen an Befähigung sowie hinsichtlich der Qualifikation sind in der DGUV Regel 100-001 "Grundsätze der Prävention" erfolgt.

Auch im Rahmen der regelmäßigen Arbeitsschutz-Unterweisung können Vorgesetzte die Befähigung der Beschäftigten überprüfen. Gegebenenfalls können dabei praktische Übungen den Qualifikationsstand oder vorhandene technische oder körperliche Defizite erkennbar machen.

Zum Beispiel können bei Übungen zum Einsatz von persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz Defizite wie mentale Eignung (Höhenangst) und körperliche Fitness erkannt werden.

3.2.2 Arbeitsmedizinische Vorsorge

Arbeitsmedizinische Vorsorge ist ein Teil betrieblicher Arbeitsschutzmaßnahmen und ist in der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) abschließend geregelt. Im Folgenden werden ihre wesentlichen Inhalte zusammengefasst. Sie darf technische und organisatorische Arbeitsschutzmaßnahmen nicht ersetzen, kann diese aber durch individuelle arbeitsmedizinische Beratung über arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren sinnvoll ergänzen.

Arbeitsmedizinische Vorsorge dient zur Beurteilung der individuellen Wechselwirkung von Arbeit und physischer sowie psychischer Gesundheit. Sie beinhaltet ein ärztliches Beratungsgespräch mit Anamnese einschließlich Arbeitsanamnese. Die Vorsorge soll helfen, arbeitsbedingte Gesundheitsstörungen frühzeitig zu erkennen und dient zur Feststellung, ob bei Ausübung einer bestimmten Tätigkeit eine erhöhte gesundheitliche Gefährdung besteht. Vor Durchführung der arbeitsmedizinischen Vorsorge muss sich der Facharzt oder die Fachärztin für Arbeitsmedizin oder der Arzt oder die Ärztin mit der Zusatzbezeichnung "Betriebsmedizin" Kenntnisse über die Arbeitsplatzverhältnisse verschaffen.

Arbeitsmedizinische Pflicht- und Angebotsvorsorge sind von Unternehmerinnen und Unternehmern zu veranlassen oder anzubieten, gemäß den im Anhang zur ArbMedVV angegebenen Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, biologischen Arbeitsstoffen, physikalischen Einwirkungen und sonstigen Tätigkeiten. Eine Wunschvorsorge muss bei Tätigkeiten, bei denen ein Gesundheitsschaden nicht ausgeschlossen werden kann, auf Wunsch des oder der Beschäftigten ermöglicht werden.

Im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge werden körperliche und/oder klinische Untersuchungen gegebenenfalls durchgeführt,

  • wenn diese für die individuelle Aufklärung und Beratung erforderlich sind,

  • wenn der Arzt oder die Ärztin die an der Vorsorge teilnehmende Person über die Inhalte, den Zweck sowie die Risiken aufgeklärt hat,

  • wenn die an der Vorsorge teilnehmende Person die Untersuchung nicht ablehnt.

Die Vorsorgebescheinigung enthält die Angaben, dass, wann und aus welchem Anlass ein Vorsorgetermin stattgefunden hat und wann aus ärztlicher Sicht eine weitere Vorsorge angezeigt ist. Eine inhaltlich identische Vorsorgebescheinigung geht an den Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin und an die Person, die an der Vorsorge teilgenommen hat.

Ergebnis und Befunde der Vorsorge muss der Arzt oder die Ärztin schriftlich festhalten, er oder sie muss die jeweilige Person darüber beraten und ihr auf Wunsch das Ergebnis gegebenenfalls auch in schriftlicher Form zur Verfügung stellen. Gegenüber Dritten, das heißt auch gegenüber dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin, gilt die ärztliche Schweigepflicht.

Sofern sich allerdings aus der arbeitsmedizinischen Vorsorge Erkenntnisse dazu ergeben, dass die Maßnahmen des Arbeitsschutzes für die Beschäftigten nicht ausreichen, müssen Ärztinnen und Ärzte Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber informieren und Arbeitsschutzmaßnahmen vorschlagen. Das hat dann zur Folge, dass der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin die Gefährdungsbeurteilung überprüfen und die erforderlichen Arbeitsschutzmaßnahmen treffen muss.

Der Anhang zur ArbMedVV enthält eine abschließende Aufzählung der Tätigkeiten, bei denen eine Pflicht- oder Angebotsvorsorge vorgeschrieben ist.

3.2.3 Eignungsuntersuchungen

Eignungsuntersuchungen (Tauglichkeitsuntersuchungen) dienen der Beantwortung der Frage, ob die vorhandenen physischen und psychischen Fähigkeiten und Potenziale der Beschäftigten erwarten lassen, dass die während der Beschäftigung zu erledigenden Tätigkeiten von ihnen ausgeübt werden können.

Zentrales Instrument der Vermeidung von Gefährdungen für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit ist stets die Gefährdungsbeurteilung im jeweiligen Betrieb.

Routinemäßige Eignungsuntersuchungen

Die konkrete Gefährdungsbeurteilung kann bei besonders gefährlichen Tätigkeiten im Schiffbau ergeben, dass zusätzlich routinemäßige Eignungsuntersuchungen erforderlich sein können, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • Durch die Ausführung der Tätigkeit ist eine Gefährdung Dritter nicht auszuschließen und

  • die Pflicht zur Untersuchung beruht auf einer spezifischen Rechtsgrundlage oder auf einer arbeitsrechtlichen Grundlage (Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag) und

  • die Einwilligung des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin in die konkrete Untersuchung liegt vor.

Untersuchungen ohne berechtigtes Interesse des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin an der Eignungsfeststellung sind unzulässig. Dies gilt insbesondere für eine Untersuchung ohne konkrete Gefährdungslage. Bei jeder Untersuchung muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (geeignet, erforderlich, angemessen) gewahrt bleiben.

Die Untersuchung muss zunächst zur Feststellung der Eignung für die konkrete Tätigkeit überhaupt geeignet sein. Kann eine Untersuchung oder eine Untersuchungsmethode das Ziel der Eignungsfeststellung nicht erreichen, so ist sie unverhältnismäßig.

Die Untersuchung ist erforderlich, wenn sie unter mehreren denkbaren Alternativen das mildeste Mittel zur Eignungsfeststellung darstellt. Ist die Eignung durch eine andere, gleichermaßen wirksame Maßnahme feststellbar, ist die Untersuchung unverhältnismäßig und damit unzulässig.

Die Untersuchung ist angemessen, wenn die Ausführung der Tätigkeit im Falle nicht (mehr) vorliegender Eignung des oder der Beschäftigten Leib und Leben anderer Personen gefährden würde und die Eignungsuntersuchung demgegenüber nur eine geringe Belastung für den Beschäftigten oder die Beschäftigte mit sich bringt.

Eignungsuntersuchungen aufgrund konkreter Anhaltspunkte für Eignungsmängel

Auch außerhalb routinemäßiger Eignungsuntersuchungen kann der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin bei Vorliegen konkreter, begründeter Zweifel, die gegen die Eignung von Beschäftigten für die weitere Ausübung der infrage stehenden Tätigkeit sprechen, die Fortsetzung der Tätigkeit von einem ärztlichen Eignungsnachweis abhängig machen (Fürsorgepflicht des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin).

Ein begründeter Zweifel kann durch tatsächliche Anhaltspunkte entstehen, die hinreichend sicher auf einen Eignungsmangel hinweisen. In derartigen Fallkonstellationen kann sich die Mitwirkungspflicht des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin ausnahmsweise auch aus der Nebenpflicht auf Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB, die aus dem Arbeitsvertrag folgt, ergeben (arbeitsvertragliche Treuepflicht).

Auch diese Eignungsuntersuchungen müssen sich an den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit messen lassen.

Anforderungen an Ärzte und Ärztinnen bei Eignungsuntersuchungen

Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber können für die Durchführung von Eignungsuntersuchungen grundsätzlich einen Arzt oder eine Ärztin ihres Vertrauens bestimmen. Macht die beschäftigte Person begründete Bedenken etwa gegen die Fachkunde oder Unvoreingenommenheit des Arztes oder der Ärztin geltend, können Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen nach billigem Ermessen (§ 315 Abs. 1 BGB) verpflichtet sein, eine andere Ärztin oder einen anderen Arzt mit der Begutachtung zu beauftragen. Bei der Ausübung billigen Ermessens sind die beiderseitigen Interessen objektiv gegeneinander abzuwägen.

Da für die Beurteilung der Eignung Arbeitsplatzkenntnisse unbedingt erforderlich sind, ist dies in der Regel eine Ärztin oder ein Arzt mit der Qualifikation als Fachärztin oder als Facharzt für Arbeitsmedizin oder mit der Zusatzbezeichnung "Betriebsmedizin".

Der Arzt oder Ärztin muss persönlich mit den Anforderungen des jeweiligen Arbeitsplatzes vertraut sein. Eine wichtige Grundlage ist dabei die Gefährdungsbeurteilung der betreffenden Arbeitsbereiche, die Unternehmerinnen und Unternehmer nach fachkundiger Beratung durch den Betriebsarzt oder die Betriebsärztin und die Sicherheitsfachkraft erstellen.

Ergebnis der Eignungsuntersuchung

Die Eignungsuntersuchung kann ergeben, dass der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin für einzelne Tätigkeiten in seinem oder ihrem Arbeitsbereich vorübergehend, nur mit bestimmten Maßnahmen der Arbeitsgestaltung oder dauernd nicht mehr geeignet ist. Vorrang hat der weitere betriebliche Einsatz unter Berücksichtigung der individuellen Einschränkungen. Ergeben sich aus der Eignungsuntersuchung Anhaltspunkte dafür, dass die vorhandenen Maßnahmen des Arbeitsschutzes nicht ausreichen, hat der Arzt oder die Ärztin dies dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin mitzuteilen und Maßnahmen des Arbeitsschutzes vorzuschlagen.

ccc_3649_03.jpgAllgemeine Informationen
  • Arbeitsvertragliche, tarifvertragliche Regelungen oder Betriebsanweisungen