DGUV Information 207-206 - Tätigkeiten mit Desinfektionsmitteln im Gesundheitsdienst

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Abschnitt 6.2 - 6.2 Desinfektion kleiner Flächen bis zwei Quadratmeter

Bei der Schnelldesinfektion kleiner Flächen werden z. B. Inventar, Liegen, Teile von Arbeitsflächen, Tablets, Geräte und Medizinprodukte wie Gurte und Blutdruckmanschetten desinfiziert. Dazu werden entweder gebrauchsfertige feuchte Desinfektionswischtücher (Wipes) oder Tuchspendersysteme verwendet. Zum Einsatz kommen aber auch gebrauchsfertige Desinfektionsmittellösungen und eigens hergestellte Anwendungslösungen, die mit einem Feuchtwischtuch auf die Fläche aufgetragen werden. Bei der Anwendung sind die unterschiedlichen Standzeiten der Produkte zu beachten. Das Ausbringen geringer Mengen flüssiger Desinfektionsmittelkonzentrate mit einem Feuchtwischtuch zur schnellen Desinfektion entspricht nicht den Herstellerangaben und ist zu unterlassen.

Bei der Desinfektion kleiner Flächen beträgt der Verbrauch an Desinfektionsmitteln wenige Milliliter (ca. 5 ml pro Quadratmeter), dabei wird das Desinfektionsmittel in wenigen Sekunden auf die zu desinfizierende Oberfläche aufgetragen und eine Einwirkzeit gewährt. Pro Schicht sind etwa 20 Vorgänge üblich. In einigen Einrichtungen des Gesundheitsdienstes werden für die Desinfektion kleiner Flächen vereinzelt noch Desinfektionsmittel frei auf die Oberfläche versprüht, dies wird aus Sicht der Hygiene und des Arbeitsschutzes nicht empfohlen und Ausnahmen sind zu begründen.

Die Desinfektion von gezielten Flächen im Rettungswagen, Krankentransportwagen oder Rettungshubschrauber, z. B. während der Patientenversorgung oder nach Transportabschluss, erfolgt mit gleichen Produkten und Verfahren wie bei der Desinfektion kleiner Flächen. Neben Tüchern oder flüssigen Produkten werden auch Desinfektionsschäume für empfindliche oder strukturierte Oberflächen wie technische Bedienfelder (Armaturen, Knöpfe, Regler) oder Touchscreens eingesetzt. Die tägliche Desinfektion des Fahrzeugs oder des Hubschraubers wird in Kapitel 6.3 beschrieben.

Die möglichen Gefährdungen und erforderlichen Schutzmaßnahmen, die bei Verdünnung (manuell oder maschinell) des Desinfektionsmittelkonzentrats zur Anwendungslösung beachtet werden sollten, sind in Kapitel 5 beschrieben.

6.2.1 Gefährdungen

Die überwiegend verwendeten Wirkstoffe der Desinfektionsmittel für kleine Flächen sind Alkohole wie 1-Propanol, 2-Propanol und Ethanol in Konzentrationen von überwiegend 70-90 g pro 100 g Anwendungslösung.

Auch werden Desinfektionsmittel mit quartären Ammoniumverbindungen wie Didecyldimethylammoniumchlorid und Benzyl-C12-C16-alkyldimethylchlorid in Konzentrationen von ca. < 1 g pro 100 g oder Peroxide wie Wasserstoffperoxid in Konzentrationen von ca. <1,5 g pro 100 g zur Desinfektion für kleine Flächen eingesetzt.

Inhalative Gefährdung

Bei der üblichen Schnelldesinfektion von einer maximal 2 m2 großen Fläche in einem Arbeitsraum ist davon auszugehen, dass die schichtbezogenen Konzentrationen der Inhaltsstoffe in der Luft - in der Regel Alkohole, und/oder Peroxide - unter den Arbeitsplatzgrenzwerten liegen (siehe Tabelle 8 im Kapitel 6.1). Bei Ausbruchsgeschehen können unter Umständen höher konzentrierte Anwendungslösungen von peroxidhaltigen Desinfektionsmitteln auch für kleine Flächen zum Einsatz kommen, dabei sind Überschreitungen des Arbeitsplatzgrenzwertes von Wasserstoffperoxid (in Kombinationsprodukten mit Peroxyessigsäure) in unzureichend belüfteten Räumen möglich (siehe Wegscheider et al. 2023).

Dermale Gefährdung und Augengefährdung

Die Augen müssen gemäß § 9 GefStoffV geschützt werden, wenn es zum Verspritzen von gefährdenden Desinfektionsmitteln kommen kann. Die Hände sind in der Regel durch geeignete Schutzhandschuhe ausreichend geschützt. Wenn zum Schutz feuchtigkeitsdichte Handschuhe getragen werden, kann im häufigen Wechsel mit Hände waschen und Kontakt zu wässrigen Desinfektionsmitteln eine Belastung durch Feuchtarbeit resultieren.

Brand- und Explosionsgefahr

Aufgrund des hohen Alkoholgehalts und der entzündbaren Eigenschaften der Alkohole besteht bei deren Verwendung eine erhöhte Brand- und Explosionsgefahr (Verpuffung). Werden in Arbeitsräumen nur maximal 2 m2 große Flächen alkoholisch desinfiziert, wird gleichzeitig die Bildung einer gefährlichen explosionsfähigen Atmosphäre vermieden (siehe Punkt 4.6.1 "Brennbare Desinfektionsmittel" der Anlage 4 (Beispielsammlung) zur DGUV Regel 113-001 "Explosionsschutz-Regeln (EX-RL)"). Die unteren Explosionsgrenzen sind um Größenordnungen höher als die zulässigen AGW:

  • Ethanol: AGW 380 mg/m3, untere Explosionsgrenze 59 g/m3 bzw. 3,1 Vol-%

  • 2-Propanol: AGW 500 mg/m3, untere Explosionsgrenze 50 g/m3 bzw. 2 Vol-%

Weitere Gefährdungen

Werden gebrauchsfertige Desinfektionsmittellösungen oder Tücher oder selbst hergestellte wässrige Anwendungslösungen verwendet, die Inhaltsstoffe mit CMR- oder sensibilisierenden Eigenschaften haben, bestehen weitere relevante Gefährdungen.

Kennzeichnung der gebrauchsfertigen Desinfektionsmittel

Desinfektionsmittel ohne CMR- oder sensibilisierende Inhaltsstoffe

Produkte wie gebrauchsfertige Desinfektionsmittellösungen und gebrauchsfertige Tücher sind üblicherweise mit folgenden Gefahrenpiktogrammen und Gefahrenhinweisen versehen:

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GHS02

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GHS05

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GHS07

  • H225 Flüssigkeit und Dampf leicht entzündbar

  • H226 Flüssigkeit und Dampf entzündbar

  • H318 Verursacht schwere Augenschäden

  • H319 Verursacht schwere Augenreizung

  • H336 Kann Schläfrigkeit und Benommenheit verursachen

  • H412 Schädlich für Wasserorganismen, mit langfristiger Wirkung

Bei alkoholfreien Desinfektionsmitteln entfallen in der Regel die Kennzeichnung GHS02 und die auf entzündbare Stoffe bezogenen H-Sätze H225 und H226. Es gibt auch nicht kennzeichnungspflichtige Produkte.

Desinfektionsmittel mit CMR- oder sensibilisierenden Inhaltsstoffen

Stoffe mit CMR- oder sensibilisierenden Eigenschaften sind zudem mit folgenden Piktogrammen und Gefahrenhinweisen gekennzeichnet:

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GHS07

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GHS08

  • H317 Kann allergische Hautreaktionen verursachen

  • H334 Kann bei Einatmen Allergie, asthmaartige Symptome oder Atembeschwerden verursachen

  • H341 Kann vermutlich genetische Defekte verursachen

  • H350 Kann Krebs erzeugen

6.2.2 Schutzmaßnahmen

Die Schutzmaßnahmen in Kapitel 3.5 gelten grundsätzlich. Nachfolgend sind weitere Schutzmaßnahmen für die Desinfektion kleiner Flächen genannt.

Substitution

  • Wischdesinfektion anstelle von Sprühverfahren anwenden (Sprühverfahren sind nur in begründeten Ausnahmefällen, z. B. beim Ausbringen von Schäumen oder beim Desinfizieren von offenporigen oder stark strukturierten Oberflächen, zulässig - Begründung dokumentieren, siehe TRGS 525).

Technische Schutzmaßnahmen

  • Gebrauchsfertige feuchte Desinfektionswischtücher (Wipes) oder Tuchspendersysteme verwenden. Die Hände werden somit nicht in die gebrauchsfertige Desinfektionsmittellösung oder verdünnte Anwendungslösung getaucht und es lassen sich kurzstulpige Handschuhe tragen. Zudem wird eine Kontamination der Lösung vermieden und es werden nur minimierte, definierte Desinfektionsmittelmengen ausgebracht.

  • Bei der Desinfektion nach Abschluss eines Patiententransports sind die Türen des Fahrzeugs oder des Hubschraubers für eine ausreichende Lüftung offen zu halten.

Organisatorische Schutzmaßnahmen

  • Tätigkeiten mit Stoffen und Gemischen mit bestimmten Eigenschaften wie akut toxisch Kategorie 3 oder atemwegssensibilisierend (z. B. Glutaraldehyd) dürfen gemäß GefStoffV nur von sachkundigem oder besonders unterwiesenem Personal ausgeführt werden. Zudem gelten besondere Anforderungen an die Qualifikation der Verwender und Verwenderinnen dieser Biozidprodukte (siehe Kapitel 3.1 und 3.3.2).

  • Spritzer vermeiden, besonders bei Desinfektionsmitteln, die schwere Augenschäden (H318) und Augenreizungen (H319) verursachen.

  • In Arbeitsräumen sind nur Flächen bis 2 m2 alkoholisch zu desinfizieren, da sonst die gesundheitsbasierten AGW überschritten werden können.

  • Desinfektionsmittel, deren primär wirksame Bestandteile Alkohole sind, unterliegen nach TRGS 525 weiteren Schutzmaßnahmen:

    • Entstehung von gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre vermeiden

    • Zündquellen vermeiden

    • Aerosolbildung vermeiden

    • Heiße Flächen vor der Desinfektion abkühlen lassen

    • Mit der Desinfektion erst beginnen, wenn keine anderen brennbaren Gase oder Dämpfe in der Raumluft vorhanden sind

    • Nicht explosionsgeschützte elektrische Geräte erst nach Abtrocknen des alkoholischen Desinfektionsmittels benutzen

  • Für den sicheren Transport im Rettungsdienst kleine Gebinde aufgrund von Platzmangel verwenden.

  • Desinfektionswischtücher in geschlossenen Behältnissen (Abfalleimer mit Deckel oder Müllbeutel mit Deckel am Reinigungswagen) entsorgen.

Persönliche Schutzausrüstungen

Geeignete Chemikalienschutzhandschuhe der Kategorie III verwenden, die den Anforderungen der Norm DIN EN ISO 374 (Schutzhandschuhe gegen gefährliche Chemikalien und Mikroorganismen) entsprechen. Bei Einsatz gebrauchsfertiger Desinfektionsmitteltücher oder Tuchspendersysteme können diese Handschuhe kurzstulpig sein (siehe Kapitel 3.5.4 für weitere Informationen).

Besteht die Gefahr, dass Spritzer beim Auftragen eines Desinfektionsmittels in die Augen gelangen können (z. B. bei Arbeiten über Kopf ), ist eine geeignete Schutzbrille (eine dicht schließende Korbbrille) zu verwenden.

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Abb. 7
Reinigungswagen, dessen Eimer nach dem Vier-Farben-System (Color-Code-System) gestaltet ist

ccc_3519_as_2.jpgHandschuhe: Ausnahme bei sehr kurzer Expositionszeit
Bei einzelnen Desinfektionen von Flächen < 0,5 m2 handelt es sich um Arbeiten, die innerhalb von 1 min erledigt sind. Aufgrund dieser sehr kurzen Expositionszeit ist in den allermeisten Fällen die Permeation durch die Handschuhe vernachlässigbar, es gilt folgende Empfehlung: Werden diese Tätigkeiten mit chemischen Produkten durchgeführt, bei denen es sich nicht um krebserzeugende, keimzellmutagene, reproduktionstoxische (CMR-)Substanzen (z. B. kein Formaldehyd) handelt und die die Handschuhe nachweislich nicht auflösen oder erkennbar aufquellen lassen, können dafür auch medizinische Einmalhandschuhe eingesetzt werden. Durch das Tragen dieser im Gesundheitsdienst immer verfügbaren Handschuhe kann ein vollkommen ungeschützter Hautkontakt vermieden werden. Anschließend sind die Handschuhe zu entsorgen.