DGUV Information 207-206 - Tätigkeiten mit Desinfektionsmitteln im Gesundheitsdienst

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Abschnitt 2.3 - 2.3 Reinigungs- und Desinfektionsplan

Der Reinigungs- und Desinfektionsplan beinhaltet neben den Vorgaben für die Reinigung bzw. Desinfektion einer Oberfläche, eines Medizinprodukts und der Wäsche auch die Angabe des zu verwendenden Reinigungs- bzw. Desinfektionsmittels, des Verfahrens, die anzuwendende Konzentration, die eventuell einzuhaltende Einwirkzeit und gegebenenfalls zu beachtende Materialverträglichkeit. Dieser Plan stellt ebenfalls eine Grundlage für die Inhalte einer Betriebsanweisung dar (siehe Kapitel 3.5.5).

Für die Erstellung einrichtungsspezifischer Reinigungs- und Desinfektionspläne stehen bei verschiedenen Fachgesellschaften (z. B. Medizin, Pflege) abgestimmte Vorlagen oder bei den Aufsichtsbehörden landesspezifische Vorlagen zur Verfügung. Diese bieten einen vollständigen Überblick der wichtigen Grundsätze der Reinigung und Desinfektion und sollten noch an die hygienischen Anforderungen der Einrichtung angepasst werden. Exemplarisch kann hier der Rahmenhygieneplan der Bundeszahnärztekammer genannt werden, der einen Rahmenreinigungs- und Desinfektionsplan inklusive Unterweisungsformular für eine Zahnarztpraxis enthält (siehe Musterhygieneplan der Bundeszahnärztekammer).

Desinfektionsmittel

Die Auswahl der Desinfektionsmittel richtet sich zuerst nach dem erforderlichen Wirkspektrum, z. B. bakterizid, viruzid oder sporozid (siehe Anhang 12.1 und Norm DIN EN 14885). In den Desinfektionsmittellisten des Verbunds für angewandte Hygiene e. V. (VAH), des Industrieverbands Hygiene und Oberflächenschutz (IHO) und des Robert Koch-Instituts (RKI) sind die Desinfektionsmittel nach Wirkspektren beschrieben. Neben der Wirksamkeit ist die Materialverträglichkeit zu beachten. Zudem unterliegt ein Desinfektionsmittel als Gefahrstoff der Substitutionsprüfung (Tabelle 2). Zunehmend kommen auch Umweltaspekte wie Abbaubarkeit und Umweltbeständigkeit bei der Auswahl zum Tragen. Die optimale Auswahl eines wirksamen und sicheren Desinfektionsmittels erfolgt durch die gemeinsame Abstimmung zwischen den Experten und Expertinnen der Hygiene und des Arbeitsschutzes (Tabelle 2).

Tabelle 2
Das "ideale" Desinfektionsmittel.

Anforderungen an das "ideale" Desinfektionsmittel
A
  • Breites Wirkspektrum gegen grampositive/gramnegative Bakterien und gegen Mykobakterien sowie gleichzeitig gegen Viren und Pilze → bakterizide, viruzide und fungizide (inkl. levurozide und sporozide) Eigenschaften

  • Keine giftigen Eigenschaften, insbesondere keine krebserzeugenden/keimzellmutagenen/reproduktionstoxischen Eigenschaften; keine sensibilisierende Wirkung für Mensch und Tier

B
  • Schnelle und remanente bzw. bei mehreren Anwendungen hintereinander kumulative Wirkung

  • Geringe lokale Wirkung (ohne systemische Wirkung)

C
  • Gute Umweltverträglichkeit

  • Wasserlöslichkeit und Löslichkeit in organischen Lösungsmitteln

  • Kein Eiweißfehler (d. h. kein Aktivitätsverlust durch Proteine)

  • Kein Seifenfehler (d. h. kein Aktivitätsverlust durch Seife)

  • Unempfindlichkeit gegenüber Verunreinigungen

D
  • Gute Stabilität (d. h. Haltbarkeit und Beständigkeit gegenüber Umwelteinflüssen (Luft, Strahlung, Temperatur))

  • Materialverträglichkeit

  • Wirtschaftlichkeit

  • Geruchsneutralität

Wirkungsspektren der Desinfektionsverfahren

Händedesinfektion

Die Händedesinfektion erfüllt im Gesundheitsdienst zwei wichtige Aufgaben. Zunächst ist sie das wichtigste Werkzeug bei der Verhinderung nosokomialer Infektionen, da die Händedesinfektion die Übertragung von Erregern über die Hände des Personals unterbindet. Zum anderen ist die Händedesinfektion für das Personal die effizienteste Schutzmaßnahme vor Erregern.

In der Händehygiene werden zwei Anwendungsfälle unterschieden: die hygienische Händedesinfektion und die chirurgische Händedesinfektion.

  • Die hygienische Händedesinfektion sollte dem Abtöten der transienten Flora und der vorübergehenden Verringerung der vorhandenen Keimbesiedelung (der residenten Flora) auf Händen, die keine sichtbaren Verunreinigungen aufweisen, dienen. Die hygienische Händedesinfektion sollte in jedem Fall vegetative Bakterien und Candida albicans umfassen. Wirksamkeit gegen behüllte Viren wird ebenfalls empfohlen.

  • Die chirurgische Händedesinfektion sollte zudem die residente Flora für längere Zeit reduzieren.

Abgrenzend zur Händedesinfektion ist die Händewaschung zu betrachten. Das Händewaschen dient der Reinigung der Hände mit der Entfernung von Schmutz und losen adhärierten Krankheitserregern, die hauptsächlich der transienten und zu einem kleinen Teil der residenten Flora angehören. Dazu werden übliche Handwaschpräparate verwendet. Der Einsatz von Präparaten mit antimikrobiellen Zusätzen (antimikrobielle Waschlotion) ist nicht zu empfehlen. Die Hände sind vor Dienstantritt, bei sichtbaren Verschmutzungen, nach dem Toilettenbesuch oder zur Entfernung von alkoholunempfindlichen Krankheitserregern zu waschen (siehe KRINKO-Empfehlung "Händehygiene in Einrichtungen des Gesundheitswesens").

Desinfektion der Patientenhaut

Neben der Reinigung der Patientenhaut durch Seife oder gegebenenfalls Shampoo wird auch die Desinfektion der intakten Patientenhaut, z. B. vor einer Behandlung oder einem chirurgischen Eingriff, durchgeführt. Daneben kann auch Desinfektion beschädigter Patientenhaut (antiseptische Behandlung), z. B. bei Wunden, erfolgen. Bei der Anwendung eines Hautdesinfektionsmittels spielt die Einwirkzeit eine entscheidende Rolle. Diese kann in Bereichen mit talgdrüsenreicher Haut deutlich länger ausfallen. Die Einwirkzeit spielt auch im Vorgriff auf eine invasive Tätigkeit eine entscheidende Rolle. Hier trägt die korrekte Anwendung den entscheidenden infektionspräventiven Aspekt bei. Herstellerangaben sind dabei umzusetzen. Bei speziellen Anwendungen, wie z. B. beim Legen eines Katheters wird vor dem Hintergrund der Infektionsprävention daher ein Hautdesinfektionsmittel mit Remanenzwirkung gefordert.

Flächendesinfektion

Das Wirkungsspektrum zur Flächendesinfektion sollte als Basisanforderung vegetative Bakterien (bakterizid) und Hefen (levurozid) umfassen. Erregerabhängig sind weitere Krankheitserreger z. B. Viren (begrenzt viruzid oder viruzid) zu inaktivieren (siehe KRINKO-Empfehlung "Anforderungen an die Hygiene bei der Reinigung und Desinfektion von Flächen").

Bei der Anwendung von vorgetränkten Tüchern sollte auf die Kompatibilität von Tuchspendersystem und Desinfektionsmittel geachtet werden. Ferner sollte auch die vom Hersteller vorgegebene Standzeit eingehalten werden.

Bei der Herstellung verdünnter Anwendungslösungen sollten Dosierautomaten zur Anwendung kommen. Bei hergestellten verdünnten Anwendungslösungen ist ebenfalls die Standzeit zu beachten. Das Versprühen von Desinfektionsmittellösungen mittels Handsprüher soll aufgrund der Ausbildung von desinfektionsmittelhaltigen Aerosolen mit der Gefahr des Einatmens toxischer Substanzen unterbleiben. Darüber hinaus erreicht die Sprühdesinfektion kein ausreichendes Desinfektionsergebnis, da es beim reinen Versprühen nur zu einer unzureichenden Benetzung der Oberfläche mit Desinfektionsmittel kommt. Eine Sprühdesinfektion ist nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig, etwa beim Ausbringen von Schäumen oder wenn die zu desinfizierende Oberfläche mit einer Wischdesinfektion nicht erreicht werden kann wie bei offenporigen oder stark strukturierten Oberflächen (siehe TRGS 525). Zudem sind die Verwendungsbedingungen der Hersteller zu beachten.

Desinfektion der Medizinprodukte

Medizinprodukte sind aufgrund der medizinischen Zweckbestimmung vom Hersteller zur Anwendung beim Menschen bestimmt. Daher ergeben sich für die Aufbereitung von Medizinprodukten Herstellervorgaben, die je nach Einsatz eine Desinfektion mit anschließender Sterilisation vorsehen. Während die Sterilisation physikalisch/thermisch erfolgt, kommen bei der chemischen Desinfektion Desinfektionsmittel zum Einsatz. Um die Kompatibilität der Desinfektionsmittel mit den Medizinprodukten zu gewährleisten, dürfen bei der Desinfektion nur die vom Hersteller der Medizinprodukte freigegebenen Substanzen verwendet werden.

Dabei gilt es dann, die vorgegebenen Anforderungen im Sinne der Herstellerangaben genau umzusetzen, um den gewünschten Desinfektionserfolg zu erzielen. Neben der Desinfektionsleistung und dem Mitarbeiterschutz sind der Schutz und der Erhalt der aufzubereitenden Medizinprodukte ein wichtiges Thema. Eine standardisierte und gegebenenfalls auch validierte maschinelle Aufbereitung reduziert die Verfahrensfehler und sichert die Desinfektionsleistung.

Der Desinfektionsgrad der Medizinprodukte richtet sich nach ihrem Bestimmungszweck (kritisch, semikritisch, unkritisch). Das Infektionsrisiko (hoch, mittel, gering) wird je nach Anwendung des Medizinprodukts bestimmt. Der erforderliche Desinfektionsgrad und die Einstufung des Geräts im Hinblick auf das vermutete Infektionsrisiko haben unmittelbaren Einfluss auf das Desinfektionsverfahren (siehe KRINKO-Empfehlung "Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten"). Somit nimmt die Anforderung an die Desinfektion in Abhängigkeit von dem angestrebten Ziel zu. Beispiele in Anlehnung an die KRINKO-Empfehlung "Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten" sind in Tabelle 3 aufgeführt.

Tabelle 3
Bewertung und Einstufung von gebrauchten/kontaminierten Medizinprodukten (in Anlehnung an die KRINKO-Empfehlung "Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten").

Bestimmungszweck der GeräteBeispieleEinstufung der GeräteInfektionsrisikoDesinfektionsgrad
Kontakt mit der gesunden Haut des Patienten oder der Patientin bzw. kein Kontakt mit dem Patienten oder der Patientin Thermometer, Blutdruckmanschette, Stethoskop, EKG-Elektrode, Patientenbett (elektrisch, mechanisch) unkritischgeringes InfektionsrisikoDesinfektion geringeren Grades (angemessene Reinigung gefolgt von einer Desinfektion)
Kontakt mit einer Schleimhaut, mit krankhaft veränderter oder oberflächlich beschädigter HautMundstück des Spirometers, Vaginalspekulum, Dentalinstrumente (nicht invasive Maßnahmen), getragener Zahnersatz, Abformungen, zahntechnische Werkstückesemikritisch (A)Mittleres InfektionsrisikoDesinfektion mittleren Grades (Wirkungsbereich bakterizid (einschließlich Mykobakterien), fungizid und viruzid)
Endoskope für Bronchien und den Verdauungstrakt, Anästhesiematerial, rotierende/oszillierende Dentalinstrumente (nicht invasive Maßnahmen)semikritisch (B)Bevorzugt maschinelle Reinigung und Desinfektion
Einführen in das Gefäßsystem oder in eine Körperhöhle bzw. steriles Gewebe, und zwar unabhängig von dem gewählten operativen ZugangChirurgische Instrumente, Dentalinstrumente (invasive Maßnahmen), Arthoroskope, Intravaskuläre Katheter, Akupunkturnadeln, Biopsiezangen für Endoskope, Urinkatheter, inneres Flüssigkeitssystem von Dialysegerätenkritisch (A, B, C)hohes InfektionsrisikoSterilisation mit feuchter Hitze oder Einmalgebrauch. Falls Sterilisation unmöglich oder Einwegartikel nicht existieren: Desinfektion hohen Grades (maschinelle Reinigung und Desinfektion)

(A) Ohne besondere Anforderungen an die Aufbereitung.

(B) Mit erhöhten Anforderungen an die Aufbereitung.

(C) Mit besonders hohen Anforderungen an die Aufbereitung.

Wäschedesinfektion

In Einrichtungen des Gesundheitsdienstes bestehen unterschiedliche Arten von Wäsche, die im sauberen Zustand frei von Krankheitserregern bzw. keimarm sind. Dies gilt einmal für die sogenannte Krankenhauswäsche, zu der die gesamte Wäsche beim Untersuchen, Behandeln, Pflegen und Versorgen von Kranken in Krankenhäusern, Pflege- und Rehabilitationseinrichtungen mit klinischem Charakter und ambulant operierenden Praxen zählt (siehe DGUV Regel 100-500 "Betreiben von Arbeitsmitteln"). Diese gebrauchte und kontaminierte Wäsche ist infektionsverdächtig und die Aufbereitung erfolgt in einem geeigneten desinfizierenden Waschverfahren mit nachgewiesener Wirksamkeit innerhalb oder außerhalb der medizinischen Einrichtungen. Daneben gibt es die Schutzkleidung und Arbeitskleidung des Personals, Reinigungstextilien oder Flachwäsche (Handtücher, Tischdecken, Bewohnerbettwäsche), die als weitere unterschiedliche Arten von Wäsche in oben genannten Einrichtungen wie auch in nicht operierenden Arztpraxen, therapeutischen Praxen, in der ambulanten (Intensiv-)Pflege und im Rettungsdienst anfallen können. Bei diesen Arten von Wäsche gewährleistet ebenfalls die individuelle Aufbereitung in geeigneten Waschverfahren (normale Wäschereinigung oder im Kontaminationsfall mit erforderlicher Wäschedesinfektion), dass von ihr keine Kontamination- und Infektionsgefahr ausgeht. Eine Kontamination der Wäsche, die nicht immer mit bloßem Auge erkennbar ist, liegt bei Kontakt mit potenziell infektiösem Material wie Körperflüssigkeiten, Körperausscheidungen oder Körpergewebe vor. Weiterhin gibt es neben der "nicht infektiösen" und "infektionsverdächtigen" Wäsche noch die "infektiöse Wäsche" und die "hochinfektiöse" Wäsche, für die gesonderte Vorgaben der Wäschedesinfektion gelten (siehe DGUV Information 203-084 "Umgang mit Wäsche aus Bereichen mit erhöhter Infektionsgefährdung").

Die Wäschedesinfektion wird üblicherweise chemothermisch, d. h. im validierten Waschverfahren mit Zusatz von desinfizierenden Waschmitteln (Desinfektionswaschmittel/Waschmittel mit Desinfektionswirkstoff ) durchgeführt. Der Vorgang des desinfizierenden Waschverfahrens erfolgt in Waschmaschinen, die die hygienischen Vorgaben (z. B. Einwirkzeit bei erforderlicher Desinfektionstemperatur und erforderliche Wassermenge) für ein desinfizierendes Waschen einhalten können. Daneben kann die Keimlast in der Wäsche auch thermisch (Kochwäsche, > 85 °C) durch das Zusammenwirken von hoher Temperatur und haushaltsüblichem Waschmittel reduziert werden. Das erforderliche Wirkungsspektrum zur Wäschedesinfektion sollte Bakterien, gegebenenfalls einschließlich Mykobakterien, Hefen und Viren (begrenzt viruzid), umfassen. Bei wahrscheinlicher oder bekannter Kontamination durch bestimmte Krankheitserreger ist eine erregergezielte Auswahl zu beachten.