DGUV Information 206-007 - So geht's mit Ideen-Treffen für Wirtschaft, Verwaltung und Handwerk Ihr Instrument für die Gefährdungsbeurteilung und vieles mehr

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Abschnitt 6.2 - 6.2 Mitarbeiterorientierte Ergänzung der Gefährdungsbeurteilung mit Hilfe der Ideen-Treffen

Nutzen Sie die Erfahrungen der Beschäftigten, um Gefährdungen und Probleme frühzeitig zu erkennen!

Anlass

Jeder Betrieb ist verpflichtet, eine Beurteilung der Arbeitsbedingungen (Gefährdungsbeurteilung) durchzuführen. Dabei müssen alle Gefährdungen herausgearbeitet werden, welche die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten beeinträchtigen oder gefährden. Die Beschäftigten und ihre Erfahrungen sind eine wichtige Quelle, um mögliche Gefährdungen zu erkennen. Ihr Wissen um die konkreten Arbeitsbedingungen vor Ort ergänzt den Blick der Führungskräfte. Vertiefende Hinweise finden sich in den DGUV-Branchenregeln.

Ziel

  • Einbeziehung der Beschäftigten bei der Analyse möglicher Belastungen und Gefährdungen 4.

  • Sammlung von Gestaltungsmaßnahmen, um die Belastungen zu optimieren und Gefährdung zu reduzieren bzw. zu beseitigen.

  • Die Verantwortung der Beschäftigten für Sicherheits- und Gesundheitsaspekte stärken.

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Abb. 1 Übersicht Gefährdungsfaktoren

Bausteine der Treffen zur Gefährdungsbeurteilung

Nutzen Sie die Ideen-Treffen, um die Beschäftigten zielgerichtet und systematisch bei der Gefährdungsbeurteilung mit einzubeziehen. Dafür ist es sinnvoll, mehrere Ideen-Treffen einzuplanen. Im Folgenden ist ein Vorschlag für einen Ablauf dargestellt.

Erstes Treffen

Stellen Sie die Ziele und das Vorgehen der mitarbeiterorientierten Gefährdungsbeurteilung vor. Die Teilnehmenden werden in zwei Runden gefragt, "Was läuft - Was läuft nicht?" Alle genannten Aspekte werden detailliert vorgestellt und dokumentiert. Die genannten Belastungen und Gefährdungen werden nach Dringlichkeit eingestuft und einzeln nach und nach in den folgenden Treffen mit Hilfe der Methode der Ideen-Treffen bearbeitet ( jeweils ein Thema pro Treffen).

Ablauf der Folgetreffen

  1. 1.

    Stellen Sie das Thema nochmals vor, das bei diesem Treffen besprochen werden soll.

  2. 2.

    Sammeln Sie die unterschiedlichen Ursachen für das Entstehen der Gefährdung und Belastung.

  3. 3.

    Suchen Sie für die festgestellten Ursachen Lösungen und Ideen, um die Gefährdung zu reduzieren oder Belastung zu optimieren (siehe Kapitel 3 Schritt 3).

  4. 4.

    Formulieren Sie im Anschluss konkrete Maßnahmen und legen Sie Verantwortliche dafür fest.

Welche Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden, entscheidet die Unternehmensleitung bzw. die zuständige Führungskraft. Bei einzelnen Maßnahmen ist es hilfreich, Arbeitsschutzexpertinnen und -experten, wie sicherheitstechnische oder arbeitsmedizinische Fachleute, mit hinzuzuziehen. Die endgültig verabschiedeten Maßnahmen werden in der nächsten Besprechung vorgestellt.

Integration in die Gefährdungsbeurteilung

Nehmen Sie die besprochenen Gefährdungen sowie die dazu abgeleiteten Maßnahmen in die bestehende Gesamtdokumentation der Gefährdungsbeurteilung auf. Gleichen Sie die besprochenen Gefährdungen und Belastungen mit der Liste der Gefährdungsfaktoren ( 28) und der GDA-Checkliste zu psychischer Belastung auf Seite 25 ab. Dabei sehen Sie, welche Gefährdungen bzw. Merkmalsbereiche (Arbeitsinhalt/Arbeitsaufgabe, Arbeitsorganisation, soziale Beziehungen, Arbeitsumgebung, neue Formen der Arbeit) noch nicht berücksichtigt wurden. Diese können in einem weiteren Treffen besprochen werden. Auch diese Ergebnisse werden in die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung aufgenommen.

Wie gehen Sie in der Praxis vor?

Beispiel

Eine Mitarbeiterin berichtet von Problemen bei Reinigungsarbeiten. Sie erklärt, dass ihre Reinigungshandschuhe zu kurz seien. Dadurch komme sie häufig in Berührung mit dem Reinigungsmittel. Das Mittel sei sehr aggressiv. Ihre Hände seien davon bereits beansprucht. Es gebe auch andere Mittel. Sie habe gehört, dass diese nicht geeignet seien. Das Problem mit den Handschuhen bestehe schon längere Zeit. Bisher habe sie sich nicht getraut, das Thema anzusprechen. Sie wisse auch nicht, wen sie fragen könne. Außerdem seien alle so beschäftigt, dass keiner sich die Zeit nehme, die Probleme zu lösen.

Im Ideen-Treffen werden die Ursachen für die Gefahrensituation besprochen. Es wird überlegt, welche Lösungen es für die verschiedenen Ursachen geben könnte.

Beispiel für Lösungswege

zum Gefährdungsfaktor Gefahrstoffe

Es werden Maßnahmen zur Reduzierung der Gefährdungen durch Reinigungsmittel formuliert und Verantwortliche festgelegt:

  • Suche nach weniger aggressiven Reinigungsmitteln

  • Dosierung der Reinigungsmittel überprüfen und festlegen

  • Suche nach geeigneten Handschuhen für die eingesetzten Reinigungsmittel

  • max. Nutzungsdauer der Handschuhe festlegen

  • Hautschutzplan überprüfen und Beschäftigte informieren

Es wird diskutiert, wie der Kontakt mit Reinigungsmitteln verringert werden kann und was jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter tun kann, um sich selbst zu schützen. Dabei wird deutlich, dass neben dem Thema Gefahrstoffe auch die psychische Belastung bei der Entstehung der Gefährdungen eine Rolle spielt.

Beispiel für Lösungswege

zum Gefährdungsfaktor Psychische Belastung

Neben den Handschuhen und Reinigungsmitteln werden fehlende Absprachen, unklare Zuständigkeiten und Zeitdruck als Ursache für die entstandene Gefährdung genannt.

Es werden Maßnahmen zur Verbesserung der Situation und Reduzierung der Belastung festgelegt:

  • regelmäßige Unterweisungen für die Beschäftigten

  • regelmäßige Besprechungen, um Abläufe und Zuständigkeiten festzulegen

  • Besprechungen zeitlich begrenzen und Termine frühzeitig festlegen

  • Ansprechperson für Probleme/Arbeitsschutzthemen festlegen

  • Arbeitsumfang bzw. "Zeitfresser" bei der Tätigkeit ermitteln

  • zusätzliche Unterstützungsmöglichkeiten überprüfen

Die Gefährdungen und Maßnahmen werden mit der Führungskraft besprochen. Im folgenden Ideen-Treffen werden die endgültigen Festlegungen vorgestellt bzw. weitere Konkretisierungen der Maßnahmen überlegt. Anschließend werden alle Gefährdungen und Maßnahmen in die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung aufgenommen.

Mögliche Fallstricke

ccc_1949_as_13.jpgEs werden keine psychischen Belastungsfaktoren seitens der Beschäftigten angesprochen
ccc_1949_as_14.jpgAuch wenn die psychische Belastung nicht explizit angesprochen wird, ist diese häufig Teil bzw. Ursache von Gefährdungen und der Belastung. Die Moderierenden können durch gezieltes Nachfragen diese erkennbar machen. Zum Beispiel können grundlegende Probleme in der Organisation oder Kommunikation eine Ursache sein.
ccc_1949_as_13.jpgDie Beschäftigten bewerten offensichtliche Gefährdungen und Belastungen als wenig belastend.
ccc_1949_as_14.jpgEs kommt vor, dass Beschäftigte Arbeitsbedingungen, die nach objektiven Kriterien auf Dauer gesundheitsschädigend sind, als nicht gravierend bewerten. In solchen Fällen muss das Expertenwissen Vorrang haben und die Risikobeurteilung nach arbeitswissenschaftlichen Standards erfolgen 5. Zum Beispiel bleibt eine als zu hoch ermittelte Lärmbelastung eine Gefährdung, auch wenn die Beschäftigten dies nicht so empfinden. In solchen Fällen kann der Fokus bei den Ideen-Treffen darauf gelegt werden, mögliche Lösungen für bestehende Probleme zu finden. Die in der Risikobewertung ermittelten Belastungen können dann mit der jeweiligen Führungskraft oder z. B. mit sicherheitstechnischen oder arbeitsmedizinischen Fachleuten besprochen werden.

Siehe auch Anhang 3 der GDA-Broschüre "Empfehlungen zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen" unter www.gda-psyche.de.

zum Vorgehen in der Risikobeurteilung zur psychischen Belastung siehe DGUV Information 206-026 "Psychische Belastung - der Schritt der Risikobeurteilung".