TRGS 529 - TR Gefahrstoffe 529

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Abschnitt 3 TRGS 529 - Gefährdungsbeurteilung

3.1 Allgemeine Hinweise

(1) Der Arbeitgeber hat im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung gemäß § 5 Arbeitsschutzgesetz und § 6 GefStoffV sowie § 3 BetrSichV zu ermitteln, ob Beschäftigte Tätigkeiten mit Gefahrstoffen durchführen oder ob Gefahrstoffe bei diesen Tätigkeiten entstehen oder freigesetzt werden. Eine beispielhafte Übersicht relevanter Gefahrstoffe enthält Anlage 1. Als wesentliche Informationsquelle sind bei gelieferten Gefahrstoffen die zugehörigen Sicherheitsdatenblätter heranzuziehen. Bei der Vorgehensweise zur Informationsermittlung und Gefährdungsbeurteilung nach § 6 GefStoffV in Biogasanlagen sind folgende TRGS zu berücksichtigen:

  1. 1.

    TRGS 400 "Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen",

  2. 2.

    TRGS 401 "Gefährdung durch Hautkontakt - Ermittlung, Beurteilung, Maßnahmen",

  3. 3.

    TRGS 402 "Ermitteln und Beurteilen der Gefährdungen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen: Inhalative Exposition",

  4. 4.

    TRBA/TRGS 406 "Sensibilisierende Stoffe für die Atemwege",

  5. 5.

    TRGS 407 "Tätigkeiten mit Gasen - Gefährdungsbeurteilung",

  6. 6.

    TRGS 500 "Schutzmaßnahmen",

  7. 7.

    TRGS 600 "Substitution",

  8. 8.

    TRBS 2152 Teil 1/TRGS 721 "Gefährliche explosionsfähige Atmosphäre - Beurteilung der Explosionsgefährdung",

  9. 9.

    TRGS 800 "Brandschutzmaßnahmen",

  10. 10.

    TRGS 900 "Arbeitsplatzgrenzwerte".

(2) Vor Aufnahme der Tätigkeiten zur Herstellung von Biogas hat der Arbeitgeber nach § 6 GefStoffV die mit den Tätigkeiten verbundenen Gefährdungen zu ermitteln (Art, Ausmaß, Dauer der Exposition) und zu beurteilen sowie die erforderlichen Schutzmaßnahmen festzulegen. Hierbei sind insbesondere auch die in der TRBS 2152 Teil 2/TRGS 722 sowie TRBS 2152 Teil 3 und 4 beschriebenen Schutzmaßnahmen zu berücksichtigen.

(3) Tätigkeiten zur Herstellung von Biogas sind alle Bedien- und Überwachungstätigkeiten sowie Reinigungs-, Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten mit einer möglichen Gefahrstoff- und Biostoffexposition oder einer möglichen Gefährdung durch Brände oder Explosionen. Die Anlage 2 gibt hierzu Beispiele. Tätigkeiten, die nicht regelmäßig durchgeführt werden, sowie Tätigkeiten bei denen die Gefährdung durch besonders gefährliche Eigenschaften oder eine hohe Exposition maßgeblich bestimmt wird, wie z. B. im Rahmen von Instandhaltungsarbeiten, An- und Abfahrvorgängen sowie bei der Beseitigung von Betriebsstörungen sollten nicht pauschal, sondern stets im Einzelfall beurteilt werden.

(4) Die Gefährdungsbeurteilung darf nur von fachkundigen Personen durchgeführt werden. Verfügt der Arbeitgeber nicht selbst über die entsprechenden Kenntnisse, so hat er sich fachkundig beraten zu lassen. Die Kenntnisse können auch durch mehrere Personen erbracht werden, z. B. bei Brand- oder Explosionsschutz. Fachkundig können insbesondere die Fachkraft für Arbeitssicherheit oder der Betriebsarzt sein. Die Gesamtverantwortung für die Gefährdungsbeurteilung liegt immer beim Arbeitgeber.

(5) Der Arbeitgeber hat die Gefährdungsbeurteilung nach § 6 GefStoffV und die festgelegten Schutzmaßnahmen unabhängig von der Anzahl der Beschäftigten zu dokumentieren. Als Teil der Gefährdungsbeurteilung ist ein Explosionsschutzdokument nach § 6 BetrSichV zu erstellen. Bei Tätigkeiten mit karzinogenen, keimzellmutagenen oder reproduktionstoxischen Gefahrstoffen der Kategorie 1A und 1B müssen Aufzeichnungen über Dauer und Höhe der Exposition, der die Beschäftigten bei Tätigkeiten mit diesen Stoffen ausgesetzt waren, 40 Jahre nach Ende der Exposition aufbewahrt werden (§ 14 Absatz 3 Nummer 4 GefStoffV).

(6) Die Gefährdungsbeurteilung ist regelmäßig zu überprüfen und bei Bedarf zu aktualisieren. Ergibt die Überprüfung, dass eine Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung nicht erforderlich ist, so hat der Arbeitgeber dies unter Angabe des Datums der Überprüfung in der Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung zu vermerken.

(7) Dem Arbeitgeber steht der Unternehmer ohne Beschäftigte gleich.

3.2 Zusätzliche Hinweise

3.2.1 Biogas

(1) Folgende Gefährdungen durch Biogas sind zu berücksichtigen:

  1. 1.

    Biogas ist extrem entzündbar und kann mit Luft eine gefährliche explosionsfähige Atmosphäre bilden. Der explosionsfähige Bereich von Biogas in Luft liegt ca. zwischen 6 Vol.-% und 22 Vol.-%.

  2. 2.

    Bei höheren Konzentrationen wirkt Biogas erstickend.

  3. 3.

    Biogas enthält Schwefelwasserstoff (meist 0,01-0,4 Vol.-%, 100-4.000 ppm) und kann zu akuter Toxizität beim Einatmen führen. Gemäß TRGS 900 beträgt der Arbeitsplatzgrenzwert für Schwefelwasserstoff 5 ppm, Überschreitungsfaktor 2, Kategorie I.

    1. a)

      von ≥ 0,003 bis < 0,01 Vol.-% akut toxisch Kategorie 4, H332 gesundheitsschädlich beim Einatmen,

    2. b)

      von ≥ 0,01 bis 0,05 Vol.-% akut toxisch Kategorie 3, H331 giftig beim Einatmen und

    3. c)

      ≥ 0,05 Vol.-% akut toxisch Kategorie 2, H330 Lebensgefahr beim Einatmen.

(2) Die Dichte von Biogas kann in Abhängigkeit von der Zusammensetzung, Feuchte und Temperatur schwanken. Biogas kann leichter oder schwerer als Luft sein. Diese Eigenschaft ist beim Festlegen von Schutzmaßnahmen (z. B. Anordnung von ortsfesten Gaswarnanlagen) zu berücksichtigen.

(3) Biogas entmischt sich unter Einwirkung der Schwerkraft nicht.

(4) Gefährdungen durch Biogas können sich insbesondere ergeben durch

  1. 1.

    Abweichungen vom bestimmungsgemäßen Betrieb (Abweichungen von den zulässigen Betriebsparametern, Undichtigkeiten),

  2. 2.

    Einbringen von Zündquellen in explosionsgefährdete Bereiche,

  3. 3.

    unsachgemäße Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten,

  4. 4.

    Freisetzung von Biogas z. B. durch Öffnen von Biogas führenden Anlagenteilen,

  5. 5.

    störungsbedingte Freisetzung von Biogas (z. B. über die Abblaseleitung der Überdrucksicherung), akut giftigen Gasen (z. B. Schwefelwasserstoff oder Ammoniak) sowie aktivem Substrat oder Gärprodukten,

  6. 6.

    Einwirkungen von außerhalb auf Biogas führende Anlagenteile,

  7. 7.

    Eingriffe Unbefugter,

  8. 8.

    unerwünschte Reaktionen, z. B. beim Substratwechsel (siehe Nummer 4.4.3).

3.2.2 Zusatz- und Hilfsstoffe

(1) Der Arbeitgeber hat gefährliche Zusatz- und Hilfsstoffe durch weniger gefährliche Stoffe oder Arbeitsverfahren nach den Kriterien gemäß Nummer 5 TRGS 600 zu ersetzen.

(2) Bei Tätigkeiten mit Zusatz- und Hilfsstoffen, die als akut toxisch Kategorie 1, 2 oder 3, karzinogen Kategorie 1A oder 1B, keimzellmutagen Kategorie 1A oder 1B oder reproduktionstoxisch Kategorie 1A oder 1B eingestuft sind, muss eine Substitution immer erfolgen, wenn Alternativen technisch möglich sind und zu einer insgesamt geringeren Gefährdung der Beschäftigten führen. Das Ergebnis der Substitutionsprüfung ist gemäß Nummer 6 TRGS 600 in der Gefährdungsbeurteilung zu dokumentieren.

(3) Der Arbeitgeber hat zu prüfen, ob durch Erweiterung der Einsatzstoffe (z. B. Gülle, Grassilage, Hühnertrockenkot) auf Zusatz- und Hilfsstoffe verzichtet werden kann.

(4) Kann auf den Einsatz von Zusatz- und Hilfsstoffen nicht verzichtet werden, so sind emissionsfreie oder -arme Verwendungsformen (z. B. pelletierte oder gecoatete statt pulverförmige Produkte) auszuwählen.

(5) Beim Einsatz von Zusatz- und Hilfsstoffen muss ein offener Umgang durch geeignete Maßnahmen vermieden werden. Eine Exposition der Beschäftigten muss vermieden oder zumindest auf das durch technische und organisatorische Maßnahmen erreichbare Minimum reduziert werden.

(6) Gefährdungen können sich insbesondere bei folgenden Tätigkeiten mit Zusatz- und Hilfsstoffen ergeben durch:

  1. 1.

    Sichtprüfung der Verpackungen auf Beschädigung, Entgegennahme,

  2. 2.

    Abladen vom Lieferfahrzeug, innerbetrieblichen Transport, Einlagerung,

  3. 3.

    Lagerentnahme, Bereitstellung zur Verwendung, Verwendung/Einsatz,

  4. 4.

    Beseitigen von Verunreinigungen,

  5. 5.

    Durchführen von Instandhaltungsarbeiten z. B. am Dosiersystem,

  6. 6.

    Entsorgung oder Rückführung von Verpackungen.

3.2.3 Biologische Arbeitsstoffe

(1) In Substraten, Gärprodukten und Biogaskondensaten können atemwegssensibilisierende Stoffe und biologische Arbeitsstoffe - d. h. Mikroorganismen wie Bakterien, Viren und Pilze sowie Endotoxine - vorhanden sein. Beschäftigte können bei ihrer Tätigkeit durch Kontakt zu Substrat, Gärprodukten oder Kondensat sowie Verunreinigungen in Rohrleitungen und gasführenden Anlagenteilen gegenüber biologischen Arbeitsstoffen exponiert sein.

(2) Diese Tätigkeiten stellen Tätigkeiten im Sinne der BioStoffV dar (§ 6 Absatz 2 i. V. m. § 2 Absatz 7 Nummer 2 BioStoffV). Die notwendigen Maßnahmen zum Schutz vor Infektionen, sensibilisierenden oder toxischen Wirkungen biologischer Arbeitsstoffe sind aus den Vorschriften der BioStoffV und den bekanntgegebenen Regeln des Ausschusses für biologische Arbeitsstoffe zu ermitteln und festzulegen.

3.2.4 Hydrolysegas

Bei einer separaten Hydrolyse entstehende Gase können wegen der höheren Wasserstoffkonzentration einen weiteren Explosionsbereich und eine geringere Mindestzündenergie als Biogas haben.

3.3 Zusätzliche Hinweise beim Einsatz von anderen Arbeitgebern

(1) Sollen andere Arbeitgeber (Fremdfirmen) einschließlich Subunternehmen Tätigkeiten mit Gefahrstoffen durchführen, ist der Arbeitgeber als Auftraggeber dafür verantwortlich, dass nur solche andere Arbeitgeber herangezogen werden, die über Befähigungen, Fachkenntnisse und Erfahrungen verfügen, die für diese Tätigkeiten erforderlich sind. Er hat sich in angemessener Weise davon zu überzeugen.

(2) Der Arbeitgeber als Auftraggeber hat dafür zu sorgen, dass andere Arbeitgeber und Subunternehmen über betriebsspezifische Gefahren und Verhaltensregeln informiert werden.

(3) Andere Arbeitgeber einschließlich Subunternehmen, die Tätigkeiten mit Gefahrstoffen ausführen, unterliegen als Arbeitgeber den für die Arbeitsausführung zutreffenden Forderungen dieser TRGS. Dies gilt auch für Einzelunternehmer ohne Beschäftigte.

(4) Besteht bei Tätigkeiten von Beschäftigten eines Arbeitgebers eine erhöhte Gefährdung von Beschäftigten anderer Arbeitgeber durch Gefahrstoffe (z. B. bei Arbeiten an gasführenden Anlagen), ist durch die beteiligten Arbeitgeber ein Koordinator zu bestellen.

(5) Alle Arbeitgeber haben bei der Durchführung ihrer Gefährdungsbeurteilung zusammenzuwirken und die Schutzmaßnahmen abzustimmen.