Auch wenn der Krieg in der Ukraine in Verbindung mit Versorgungsengpässen und steigenden Lebenshaltungskosten das Thema Corona in den Medien derzeit etwas überlagert, dauern die juristischen Auseinandersetzungen um betriebliche Corona-Maßnahmen an. Dabei geht es insbesondere um die Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen. Mehrere höchstinstanzliche Entscheidungen und laufende Verfahren dazu sprechen aber eine eindeutige Sprache.
Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR)
Bereits mit Urteil vom 8. April 2021 (Az. 47621/13) hatte der EGMR eine nationale Impfpflicht für zulässig erklärt. Ein solcher Eingriff könne im Interesse der allgemeinen Gesundheitsvorsorge eine notwendige Maßnahme sein, die zum Schutz eines übergeordneten Interesses der Gesundheitsvorsorge gerechtfertigt sei.
Bei der Ausgestaltung der Impfpflicht hat der EGMR den einzelnen Staaten einen eigenen Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zugebilligt, sofern die Maßstäbe der Verhältnismäßigkeit (Suche nach einem milderen Mittel) gewahrt sind.
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)
Die Corona-Impfpflicht für das Pflege- und Gesundheitspersonal ist rechtens. Mit diesem eindeutigen Votum hat das BVerfG mit Beschluss vom 27. April 2022 (Az. 1 BvR 2649/21) eine Verfassungsbeschwerde gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht unlängst zurückgewiesen. Dabei hat das BVerfG am Maßstab des Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 GG) dem Schutz vulnerabler Gruppen vor Infektionen durch Pflege- und Gesundheitspersonal ein stärkeres Gewicht beigemessen als dem Recht dieser Berufsgruppe gegen das Impfen und dessen evtl. Folgen. Die Impfpflicht für Pflege- und Gesundheitspersonal hat mithin auch über den 15. März 2022 hinaus weiter Bestand.
Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG)
Arbeitgeber können ihren Beschäftigten Corona-Tests vorschreiben, um das Infektionsrisiko zu verringern. Eine solche Anordnung ist bei Wahrung der Verhältnismäßigkeit möglich (BAG vom 01. Juni 2022, Az. 5 AZR 28/22). Insbesondere sei die Anordnung von Tests Ausfluss der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht im Rahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, die derartige Weisungen zulasse.
Mit dieser Entscheidung wurde jetzt eine bayrische Orchestermusikerin negativ beschieden, die sich gegen einen PCR-Test und eine drei Wochen später erfolgte neuerliche Testung gewehrt hatte. Der Verlust des Entgeltanspruchs und anschließend auch des Arbeitsplatzes waren die Folge.
Laufendes Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)
Beim BVerwG sind derzeit Verfahren anhängig (Az. 1 WB 2.22 und 1 WB 5.22), bei denen sich zwei Offiziere der Bundeswehr mit Blick auf das auch für Bundeswehr-Angehörige geltende Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit dagegen wehren, dass die Corona-Schutzimpfung in eine Liste von für Soldaten verbindlichen Impfungen aufgenommen werden.
Die Kläger stellen die Gefährlichkeit von Corona in Zweifel. Bundeswehr-Mediziner weisen demgegenüber darauf hin, dass es auch bei der Truppe schwere Corona-Fälle gab, ebenso wie Long-Covid-Erscheinungen, dagegen jedoch kaum Nebenwirkungen aus Corona-Impfungen.
Rund 60.000 der insgesamt knapp 184.000 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr waren bei einer Impfquote von 94 Prozent in den letzten Jahren an Corona erkrankt.
Ein weiterer Verhandlungstermin vor dem BVerwG im Juni soll nun Klarheit bringen.
Weitergehende Konsequenzen aus der Verweigerungshaltung
Bereits vor den dargestellten Verfahren und Entscheidungen wurde im arbeitsrechtlichen Schrifttum vermehrt darauf hingewiesen, dass Impfverweigerern der Verlust des Entgeltanspruchs, sogar des Arbeitsplatzes drohen kann.
Die vorstehend aufgeführten Verfahren bestätigen diese Rechtsauffassung, die auch das Sozialministerium NRW jüngst in einer Pressemeldung mittrug (Solinger Tageblatt vom 28. Mai 2022).
In Konsequenz dessen wird dann auch darüber nachzudenken sein, ob und wie lange die Bundesagentur für Arbeit (BA) Sperrzeiten zum Arbeitslosengeldbezug wegen versicherungsschädlichen Verhaltens verhängen kann, wenn dem Grunde nach impfpflichtige Arbeitnehmer wegen ihrer diesbezüglichen Weigerung den Arbeitsplatz verlieren und daraufhin Leistungen nach dem SGB III beantragen.
Quelle/Text: Dr. jur. Kurt Kreizberg
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