Fachbeitrag  Arbeitssicherheit  

Wege zum Fremdfirmenkoordinator

Kaum ein Betrieb führt heute alle Aufgaben selbst durch: Fremdfirmen werden häufig für Spezialarbeiten beauftragt. Kritisch wird es, sobald sich Tätigkeiten zeitlich oder räumlich überschneiden - etwa bei übereinander liegenden Arbeitsplätzen mit Gefahren durch herabfallende Gegenstände oder Schweißarbeiten in der Nähe von brennbaren Materialien.

Damit nicht eine Firma zur Gefahr für die andere wird, müssen die verschiedenen Tätigkeiten aufeinander abgestimmt werden. Diese Aufgabe übernimmt der Fremdfirmenkoordinator. Er ist weisungsbefugt gegenüber den Beschäftigten des eigenen Betriebs sowie dem Personal der Fremdfirma. Trotzdem bleiben Auftraggeber und Fremdunternehmer jeweils für ihre Mitarbeiter verantwortlich.

Der Koordinator im BGVR-Verzeichnis

Die Rolle des Fremdfirmenkoordinators ist in den einschlägigen Regeln und Vorschriften klar definiert. So legt die BGV A1 »Pflichten den Unternehmers« fest, dass bei Vergabe von Aufträgen an externes Personal »ein Aufsichtsführender mit Weisungsbefugnis (Fremdfirmenkoordinator)« zu bestellen ist.

Zu beachten ist auch die BGI 865 »Einsatz von Fremdfirmen im Rahmen von Werkverträgen«. Dort heißt es unter Punkt F9: »Sind gegenseitige Gefährdungen möglich, muss ein Koordinator bestimmt werden, welcher die Arbeiten aufeinander abstimmt. Der Koordinator ist in der Regel vom Auftraggeber eingesetzt und dem Fremdunternehmer mitgeteilt worden. In vielen Fällen wird die Koordination vom Auftragsverantwortlichen wahrgenommen«.

Eine Fremdfirma muss neben den eigenen technischen Standards und Verkehrssicherungspflichten auch die staatlichen und berufsgenossenschaftlichen Vorschriften beachten, die für den Auftraggeber gelten. Wesentliche Regelungen zum Thema Koordination enthalten außerdem das Arbeitsschutzgesetz, die Betriebssicherheitsverordnung, die Baustellenverordnung sowie die Gefahrstoffverordnung.

TESIUM und MAN: Einblicke in die Praxis

Auf dem Werksgelände großer Unternehmen nimmt der Koordinator eine Schlüsselfunktion ein. Bei der TESIUM GmbH, Holzminden, hat das Thema höchste Priorität. Die Symrise-Tochter beschäftigt speziell für die Gewerke Metall, Elektrotechnik und Bau eigene Koordinatoren.

Rund 100 Kilometer weiter zeigt die MAN Nutzfahrzeuge AG, wie sie mit der Problematik umgeht: Am Standort Salzgitter werden, bei circa 3000 eigenen Mitarbeitern, durchschnittlich 20 bis 30 Fremdfirmen eingesetzt. »Es ist ein großes Thema, da wir viele Arbeiten in Form von Abrufaufträgen durchführen lassen. Das betrifft vor allem den Anlagenbau und innerbetriebliche Baustellen«, sagt Achim Meissner, Leiter des Bereichs Arbeitssicherheit.

Problematisch sei es vor allem, wenn fremde Gefahrstoffe ins Unternehmen gebracht werden. »Da benötigen wir die Eingangseinweisungen und Sicherheitsdatenblätter, um genau zu wissen, welche Stoffe in welchen Mengen reinkommen. Es fängt schon bei der Reinigungsfirma an: Werden zum Beispiel Fußböden saniert, könnten die verwendeten Stoffe die Gesundheit unserer Mitarbeiter belasten. Also müssen wir die Tätigkeiten zeitlich koordinieren und zum Beispiel festlegen, dass der Boden nur zu bestimmten Zeiten mit bestimmten Stoffen eingestrichen werden darf«. Das hauseigene Management-System enthält auch Anweisungen zum Einsatz von Fremdfirmen.

Jede Fremdfirma wird bei MAN vom Auftraggeber betreut. »Das sind zum Beispiel die Planer in unserem Unternehmen oder Ingenieure, die über den fachlichen Hintergrund verfügen. Diese Person ist dann verantwortlich für die Koordination der entsprechenden Tätigkeiten, sie wird für die Dauer des jeweiligen Auftrags zum Koordinator«, erklärt Meissner das Prozedere.

Insgesamt sieht Meissner keine höheren Unfallraten beim Einsatz der Fremdfirmen auf dem MAN-Werksgelände: »Natürlich ist eine wechselnde Tätigkeit tendenziell gefährlicher, und passieren kann immer etwas. Aber wenn die Betreuung stimmt und alle Vorschriften beachtet werden, ist die Wahrscheinlichkeit gering«. Ein große Rolle spiele die Gefährdungsbeurteilung: »Die Tätigkeit der Fremdfirma muss schließlich genau in dem Umfeld beurteilt werden, in dem sie konkret ausgeübt werden soll«.

Ausbildung und Qualifizierung

Verschiedene Institutionen bieten Seminare zum Fremdfirmenkoordinator an, darunter auch die TÜV Akademie GmbH Unternehmensgruppe TÜV Thüringen. »Der Koordinator übernimmt im Unternehmen Führungsverantwortung für Fremdfirmen und Leiharbeiter«, betont Geschäftsbereichsleiter Roman Deckwart. »Daher ist eine spezielle Ausbildung oder Qualifizierung unbedingt erforderlich, nicht zuletzt wegen des sehr breiten Aufgabenspektrums«. Er nennt ein paar Beispiele: »Die Organisation der Zusammenarbeit, die Unterweisung und Einweisung nach ArbSchG § 12 und BGV A1 § 4 gehören genauso zu den Pflichten des Fremdfirmenkoordinators wie die Erarbeitung von Haus- oder Baustellenordnungen, die Bestimmung von Fremdfirmen, Kontrollmaßnahmen und die entsprechende Dokumentation«. Das Aufgabenfeld umfasse neben Problemstellungen der Arbeitssicherheit und des Brandschutzes auch die Gestaltung von Werkdienstverträgen, Wartungsverträgen oder Verträgen zur Arbeitnehmerüberlassung. Außerdem müsse der Fremdfirmenkoordinator über Kenntnisse der Pflichten des Auftraggebers und des Auftragnehmers verfügen.

Wer kann Koordinator werden?

Nach Angaben der TÜV-Akademie kann die Fortbildung zum Fremdfirmenkoordinator für alle Führungskräfte und Mitarbeiter eines Unternehmens interessant sein, die mit dem Einsatz von Leihkräften und Fremdfirmen im Unternehmen zu tun haben. Dazu zählen vor allem die Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Sicherheitsbeauftragte, Betriebs- oder Personalräte und verantwortliche Elektrofachkräfte. Ein typischer Werdegang lässt sich indes nicht darstellen. »Es ist sicher von Vorteil, wenn neben einer technischen Ausbildung auch mehrjährige umfangreiche Berufserfahrung sowie Fähigkeiten der Personalführung und Mitarbeitermotivation vorhanden sind«, ergänzt Deckwart.

Die Abgrenzung zum SiGeKo

Wenn es um Baustellen geht, tritt auch der Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator (SiGeKo) auf den Plan. Er ist jedoch nicht mit dem Fremdfirmenkoordinator zu verwechseln, wie Deckwart bestätigt: »SiGeKo und Fremdfirmenkoordinator haben unterschiedliche Aufgaben und verfolgen unterschiedliche Ziele. Der SiGeKo ist laut Baustellenverordnung bereits für die Planung eines Bauvorhabens und die Aufstellung eines SiGe-Planes ab einer bestimmten Anzahl von Firmen zuständig. Ein Fremdfirmenkoordinator ist immer zu bestellen, wenn Aufträge an externes Personal vergeben werden. Er hat Weisungsbefugnis gegenüber den Externen und achtet auf die Einhaltung des Arbeitsschutzgesetzes bei der Auftragsausführung. Externe sind in diesem Sinne auch Leiharbeiter oder Wartungsfirmen. Der Fremdfirmenkoordinator kann den SiGeKo also nicht ersetzen«.

Christine Lendt

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