Fachbeitrag  Arbeitssicherheit, Recht und Urteile  

Private Elektrogeräte in der betrieblichen Praxis

Nutzung privater Elektrogeräte im Betrieb.
Foto: © Sabrina Umansky - stock.adobe.com

Ob Kaffeemaschinen, Teekocher, Radios oder Mikrowellen: Unzählige Elektrogeräte stehen hierzulande in Werkstätten und Büros. Wenngleich mit Strom aus der betrieblichen Steckdose betrieben, wird kaum ein Arbeitgeber im Sinne des Betriebsklimas darüber eine Grundsatzdebatte beginnen. Dies kann sich ändern, wenn die Frage eines Arbeitsunfalls aufkommt.

Der Fall: Ein Mitarbeiter hatte ein in seinem Privateigentum stehendes Radiogerät auf der Fensterbank an seinem betrieblichen Arbeitsplatz installiert, nachdem das Gerät zuvor noch mittels Prüfsiegel die Freigabe durch den Arbeitgeber erhalten hatte.

Als er im April 2017 zu einer dienstlichen Besprechung gerufen wurde und deshalb das Gerät ausschalten wollte, kam er mit der Antenne des Radios in Berührung, wodurch er einen Stromschlag erlitt. Ein medizinisches Gutachten bestätigte eine Schädigung des rechten Schultergelenks mit der Folge einer 20-prozentigen Minderung der Erwerbstätigkeit.

Die darauf aus einem Arbeitsunfall auf Entschädigungsleistungen in Anspruch genommene Unfallversicherung lehnte derartiges ab, da es hierfür an der Unfallkausalität fehle und das schadenstiftende Ereignis auf eine eingebrachte Gefahr aus dem privaten Bereich zurückgehe. Daran ändere auch die mit betrieblichem Prüfsiegel belegte Akzeptanz des Radios durch den Arbeitgeber nichts.

Über den Fall hatten zu entscheiden:

  • Sozialgericht München mit Gerichtsbescheid vom 14.10.2019 –S 9 U 384/18 sowie
  • Landessozialgericht München mit Urteil vom 23.09.2020 –L 3 U 305/19

Die Entscheidung: Die ablehnende Haltung der Unfallversicherung in puncto Entschädigung wurde in allen Instanzen bestätigt. Eine Revision zum Bundessozialgericht (BSG) wurde nicht zugelassen. Die Berufungsrichter in München haben den Fall zum Anlass genommen, sich noch einmal minutiös mit dem Begriff des »Arbeitsunfalls« nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sowie der dazu ergangenen ständigen Rechtsprechung des BSG auseinander zu setzen. Zwar bejahten die Berufungsrichter, im Gegensatz zum SG München, das Bestehen eines (notwendigen) sachlichen Zusammenhangs mit dem Arbeitsverhältnis.

Verrichtungen im Rahmen des dem Beschäftigungsverhältnis zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses sind zunächst erst einmal Teil der versicherten Tätigkeit und stehen mit dieser im erforderlichen sachlichen Zusammenhang. Allerdings – und dies war eine wesentliche Weichenstellung im vorliegenden Fall – sind, streng nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 SGB VII nur solche Unfälle auch Arbeitsunfälle, die infolge der versicherten Tätigkeit passieren.

Des Weiteren setzten die Berufungsrichter sich mit dem in der höchstrichterlichen Rechtsprechung wie auch Literatur anerkannten Faktum auseinander, dass nicht jede private Verrichtung (hier also das Abschalten des privaten Radios vor dem Weg zur Dienstbesprechung) zu einer Unterbrechung des Versicherungsschutzes führe.

Gleichwohl, so das Landessozialgericht in Übereinstimmung mit dem Sozialgericht, sei eine Unfallkausalität im Ergebnis zu verneinen, zumal die versicherte Tätigkeit den Unfall rechtlich nicht wesentlich verursacht habe. Im Klartext: Es fehlte am Momentum des »infolge«. Auch die Tatsache, dass das unfallträchtige Radio mit dem betrieblichen Prüfsiegel gewissermaßen den Segen des Arbeitsgebers zur Nutzung am Arbeitsplatz erhalten habe, stehe dem insgesamt privaten Charakter von Eigentum und Nutzung nicht entgegen.

Praktische Konsequenzen

Nunmehr in allen deutschen Betrieben und Büros die Nutzung privater Elektrogeräte zu unterbinden, ist ebenso illusorisch wie realitätsfremd. Allerdings kann es sich für Betriebsinhaber anbieten, die Belegschaften in Schriftform auf die versicherungsrechtlichen Risiken hinzuweisen, insbesondere, dass ein Unfall mit derartigen Geräten (denkbar wäre auch eine Verbrühung am von daheim mitgebrachten Teekocher) kein Arbeitsunfall sein kann, sondern der privaten Risikosphäre unterfällt.

Quelle/Text: Dr. jur. Kurt Kreizberg

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Über den Autor

Dr. jur. Kurt Kreizberg
Rechtsanwalt in Solingen
seit 2013: Lehrbeauftragter für Arbeits- und Sozialrecht an der FOM Essen
seit 2016: Autor des Loseblatt-Kommentars (Carl Heymanns Verlag)
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