Gesetzeskonformer Arbeitsschutz im Unternehmen - Teil I: Umsetzung in die Praxis

Führungskräfte und Vorgesetzte sind für die Sicherheit und Gesundheit ihrer Mitarbeiter verantwortlich. Unser Fachbeitrag erläutert wesentliche Elemente eines gesetzesskonformen Arbeits- und Gesundheitsschutzes und zeigt auf, wie die Verantwortlichen Maßnahmen effektiv in die Praxis umsetzen (lassen) können. Dabei stehen praktische Hilfestellungen im Vordergrund.


Die Betriebe in Deutschland sind mit einer Vielzahl von Gesetzen und Vorschriften konfrontiert, mit denen Arbeits-, Umwelt- und Gesundheitsschutz sichergestellt werden sollen. Adressat und Hauptverantwortlicher ist der Unternehmer, Arbeitgeber oder Betreiber. Da diese Personen nicht selbst alle Aufgaben erledigen können, müssen sie eine Organisation aufbauen, mit der geltendes Recht umgesetzt wird.

Allerdings sind in keinem, noch so gut geführten Betrieb, Mängel in den Abläufen absolut sicher auszuschließen. Dabei können Defizite für ein Unternehmen und dessen Verantwortliche im Schadensfall sehr unangenehme Konsequenzen haben. Nicht nur das Unternehmen kann mit einem Bußgeld belegt werden, auch die Verantwortlichen setzen sich dem Risiko einer Strafverfolgung durch die Behörden aus. Schließlich kann auch das Unternehmen zivilrechtliche Ansprüche bei Pflichtverletzungen geltend machen, insbesondere bei Vorständen und Geschäftsführern.

Wesentliche Betreiberpflichten

In Deutschland bestimmen eine Vielzahl von Gesetzen und Vorschriften die Betreiberpflichten im Hinblick auf den Arbeits- Umwelt- und Gesundheitsschutz. Die wichtigsten sind:

  • Arbeitsschutzgesetz mit
    - Arbeitsstättenverordnung
    - Betriebssicherheitsverordnung
    - Gefahrstoffverordnung
    - Baustellenverordnung
  • Chemikaliengesetz mit
    - Gefahrstoffverordnung
  • Wasserhaushaltsgesetz mit
    - Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen
  • Bundesimmissionsschutzgesetz mit
    - Störfallverordnung
  • Sozialgesetzbuch VII mit
    - Unfallverhütungsvorschriften

Darüber hinaus sind die erteilten Bau-und Betriebsgenehmigungen und insbesondere deren Auflagen und Nebenbestimmungen einzuhalten.

Schwerpunkte einer gesetzeskonformen Organisation

Dem Idealziel einer gesetzeskonformen Organisation nähert man sich in der Praxis über die Setzung ganz konkreter Schwerpunkte. Diese werden im Folgenden näher behandelt.

Aufbauorganisation und Beauftragtenwesen

Die klare Zuordnung von Verantwortlichkeiten wird durch einen Organisationsplan und Funktionsbeschreibungen verdeutlicht. Der Organisationsplan stellt die hierarchischen Beziehungen in einem Unternehmen dar. Nicht selten finden sich allerdings auch »gestrichelte« Zuordnungen, die aus einer Matrix-Organisation herrühren. Diese Organisationsform wird besonders bei internationalen Konzernen geschätzt. Für den deutschen Gesetzgeber sind diese Beziehungen nicht eindeutig und können gegebenenfalls als Organisationsdefizit (Verschulden) gewertet werden.

Die Funktionsbeschreibungen geben Klarheit über Aufgaben, Pflichten, Kompetenzen und Rechte. Pflichten können nur erfüllt werden, wenn auch über die entsprechenden Ressourcen in Form von Geld oder Personal zur Verfügung stehen.

Darüber hinaus müssen die Betriebe je nach Tätigkeitsfeld bestimmte Betriebsbeauftragte benennen. Der Gesetzgeber verlangt in diversen Regelwerken einen ganzes Repertoire an verschiedenen Experten. Für die Belange des Arbeits-, Umwelt-und Gesundheitsschutzes sind dies:

  • Betriebsärzte,
  • Fachkraft für Arbeitssicherheit,
  • Abfallbeauftragte,
  • Brandschutzbeauftragte,
  • Gefahrgutbeauftragte,
  • Immissionsschutzbeauftragte,
  • Gewässerschutzbeauftragte,
  • Sicherheitsbeauftragte,
  • Störfallbeauftragte und
  • Elektrofachkräfte (Sonderstatus).

 

In größeren Betrieben sind diese Funktionen in der Regel in einer Abteilung gebündelt.

Die Beauftragten haben das Recht, sich unmittelbar an die Geschäftsleitung zu wenden. Sie genießen einen gewissen Kündigungsschutz. Teilweise muss auch der Betriebsrat bei der Ein- und Abberufung eingebunden werden.

Die Tätigkeiten (z. B. Begehungen) sollten dokumentiert und mindestens einmal jährlich der Geschäftsleitung vorgestellt werden. Diese Vorstellung wird mit einem Protokoll beziehungsweise einem Jahresbericht abgerundet. Der Jahresbericht enthält Hinweise auf Mängel und Verbesserungspotenziale und die Aussage, dass der Beauftragte keine weiteren Defizite finden konnte.

Arbeitsschutzausschuss

Ab einer Betriebsgröße von 20 Mitarbeitern ist die Einrichtung eines Arbeitsschutzausschusses (ASA) ein Muss. Das ist vom Gesetzgeber explizit gefordert. Teilnehmer sind mindestens

  • Arbeitgeber oder dessen Beauftragter,
  • Fachkräfte für Arbeitssicherheit,
  • Sicherheitsbeauftragte,
  • Betriebsärzte und
  • Betriebsräte.

Der Arbeitsschutzausschuss tritt vier Mal im Jahr zusammen. Die Wahl der Themen ist im Arbeitsschutzgesetz nur sehr allgemein gehalten. Dort heißt es: »Der Arbeitsschutzausschuss hat die Aufgabe, Anliegen des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung zu beraten.« Die Wahl der Themen innerhalb dieses Rahmens ist frei.

Eine Beispiel-Agenda könnte wie folgt aussehen:

Beispiel-Agenda für den Arbeitsschutzausschuss (ASA)


Über die Sitzung des Ausschusses wird ein Protokoll angefertigt. Den Ausschuss leitet der Arbeitgeber oder sein Beauftragter. In der Praxis werden Vorbereitungen und Detailarbeit häufig von den Fachkräften für Arbeitssicherheit übernommen.

Wenn der Ausschuss nicht gesetzlich gefordert wäre, müsste er erfunden werden. Er führt die unterschiedlichen Perspektiven der Teilnehmer zusammen. Er stellt ein Forum des Informationsaustausches und der Koordination dar. Besonders effizient wird die Arbeit, wenn er als Entscheidungsgremium fungieren kann. Daher sollten die Vertreter des Arbeitgebers und des Betriebsrates mit den erforderlichen Befugnissen ausgestattet sein.

Pflichtendelegation

Die Pflichten hinsichtlich Umwelt-, Arbeits- und Gesundheitsschutz sollten schriftlich innerhalb der Organisation delegiert werden. Zu den Pflichten gehören automatisch auch Rechte, wie zum Beispiel das Recht über Ressourcen in festgelegten Grenzen zu verfügen.

Folgende Elemente sollte die schriftliche Delegation enthalten:

  • Beschreibung des Aufgabenbereiches
  • Organisatorische Eingliederung
  • Pflichten
    • Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben (unter Nennung der wichtigsten Gesetze)
    • Einhaltung betrieblicher Vorgaben (vom Unternehmen aufgestellte Regeln)
    • Einhaltung von Vorgaben aus den für den Zuständigkeitsbereich vorliegenden behördlichen Genehmigungen (z. B. Nebenbestimmungen einer Baugenehmigung)
    • Organisation eines gefahrlosen Betriebsablaufes (z. B. Anordnungen, Schulungen, Regelungen, Kontrollen)
    • konsequente Mängelbeseitigung
    • Information des Vorgesetzten über wesentliche Maßnahmen bzw. Defizite
    • Überwachung der Anlagen und Gebäude (zum Beispiel Funktionsfähigkeit sicherheitstechnischer Elemente, Instandhaltung)
  • Rechte
    • Befugnis, Personen, die im eigenen Verantwortungsbereich tätig sind, Anweisungen zu geben (z. B. Mitarbeitern, Fremdfirmen, Besuchern)
    • Umsetzung von Maßnahmen im Rahmen des zur Verfügung gestellten Budgets
    • Einbindung des Vorgesetzten in die Verantwortung, wenn Maßnahmen über das Budgets hinausgehen
    • Erlaubnis zur unmittelbaren Gefahrenabwehr im Notfall
    • Anspruch auf Fortbildung, um Pflichten zu erkennen und ihnen nachkommen zu können

Ein entsprechend formuliertes Dokument sollte vom Delegierenden der Pflichten und dem Delegationsempfänger unterschrieben werden. Sehr hilfreich ist es, wenn die Delegationsempfänger regelmäßig über einen internen oder extern zugekauften Service informiert werden, sobald sich Rechtsänderungen für ihr Verantwortungsgebiet ergeben.

Durch Befolgung der genannten Schwerpunkte nähern sich Unternehmen dem Idealziel einer gesetzeskonformen Arbeitsschutzorganisation. Der zweite Teil unseres Fachbeitrags stellt weitere Schwerpunkte vor und erläutert die Vorteile eines integrierten Arbeitsschutzmanagementsystems.

Text/Autoren: Dr. Norbert Kalkert, Holzminden; Dr. Joachim Kochta, Leiter Sicherheit und Planung, TESIUM GmbH, Holzminden
Foto: © Wolfilser - Fotolia.com


Arbeitsschutz: Lesen Sie auch »Serie: Kennzahlen im Arbeitsschutz - Teil I: Übliche und weniger übliche Kennzahlen« >>

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