Fachbeitrag  Arbeitssicherheit  

Ergonomie Arbeitsplatzausstattung

Es geht beim Thema Ergonomie um weit mehr als nur um die Anordnung der einzelnen Arbeitsmittel (Schreibtisch, Bildschirm, Höhe der Maschine). Es geht im weiteren Sinne um die gesamte Atmosphäre am Arbeitsplatz. Die richtige Beleuchtung, das Raumklima und die Arbeitsorganisation spielen ebenso eine entscheidende Rolle. Es geht darum, Stress abzubauen wie auch die Bewegungsfreiheit der Mitarbeiter zu fördern. Es geht darum, dass sich die Mitarbeiter an ihrem Arbeitsplatz wohlfühlen. Kurzum: Ergonomie ist ein wichtiger Teilaspekt des betrieblichen Gesundheitsschutzes.

So weit die Theorie. In der Praxis arbeiten viel zu viele Mitarbeiter unter ergonomisch völlig falschen Gegebenheiten. Statistisch gesehen geht jede vierte Krankschreibung auf Probleme am Muskel-Skelett-System zurück. 34,3 % der Beschäftigten allein in Verwaltungsberufen leiden gelegentlich unter Schmerzen im Kreuz. Fast jeder Zweite hat Beschwerden im Nacken, und jeder Dritte klagt über Kopfschmerzen, wie die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) gemeinsam mit dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB) ermittelt hat. Das hat nicht nur für die Mitarbeiter, sondern auch für die Unternehmen negative Auswirkungen: Nach einer Studie des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation verzichten die deutschen Unternehmen auf 36 % der möglichen Arbeitsleistung an Büroarbeitsplätzen, nur weil Schreibtisch, Stuhl oder Bildschirm nicht ergonomisch ausgerichtet sind.

Wenn Maschinen statische Körperhaltungen aufzwingen

Viele Angestellte im Büro wie auch an Maschinen arbeiten täglich unter sogenannten Zwangshaltungen. Sie entstehen, wenn Mitarbeiter zu wenige Möglichkeiten bei ihrer Tätigkeit haben, sich zu bewegen. Es handelt sich um statische Körperhaltungen über länger als vier Sekunden, unter angespannter Muskulatur ohne die Chance auf Entspannung. Darunter fällt zum Beispiel langes Sitzen oder Stehen, Arbeiten in Rumpfbeuge, in der Hocke, auf Knien, im Liegen oder über Schulterniveau. Das belastet oftmals die Halswirbelsäule, den Nacken, Schultern oder Arme und zieht sich bis hin zur Lendenwirbelsäule.

Viele Firmen scheuen Investitionen in entsprechende Arbeitsmittel, die Abhilfe schaffen. So entsprechen nach Zahlen des Verbandes bso von 18 Millionen Büroarbeitsplätzen 3,6 Millionen nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen auf Basis der Bildschirmarbeitsplatzverordnung. In verwaltungsintensiven Betrieben entfallen im Schnitt 80 % der Kosten auf das Personal, aber nur 1 % fließt in die Ausstattung ihrer Arbeitsplätze. Kallup: »Die Bedeutung von Arbeitsplätzen, die mit Wissen umgehen, nimmt in unserer Gesellschaft weiter zu. Die große Herausforderung wird es sein, die Produktivität der Wissensarbeit zu steigern.«

Lösungsansatz: ganzheitlich gestalten

Der ergonomisch ausgestatte Arbeitsplatz ist in jedem Unternehmen Pflicht. Dazu gibt es eine Vielzahl an Verordnungen und Gesetze, welche die Details vorschreiben (siehe Kasten „Wichtige Vorgaben"). In Büroräumen lassen sich die Mindestanforderungen häufig mit einfachen Mitteln erzielen. In Kurzform:

Der Bürostuhl: Er soll die Wirbelsäule stützen und wechselnde Arbeitshaltungen (Bewegung) ermöglichen. Die Sitzhöhe sollte etwa in Höhe der Kniekehle eingestellt sein, die Füße gerade auf dem Boden, die Oberschenkel fallen leicht nach vorne ab. Die Sitztiefe ist optimal, wenn ein fester Kontakt zur beweglichen Rückenlehne besteht und eine Handbreit Platz von der Sitzvorderkante zur Kniekehle bleibt. So definiert es die AOK. Die Armauflagenhöhe liegt etwa auf Ellbogenhöhe, die Ellbogen können locker ohne Rückenkrümmung aufliegen. In Gürtelhöhe sollte sich der Lendenbausch befinden.

Der Tisch: »Die Arbeitshöhe (bei Bildschirmarbeitsplätzen ist das die mittlere Buchstabenreihe der Tastatur) befindet sich in Ellbogenhöhe oder etwas darunter. Beim Sitzen ist über den Oberschenkeln eine Handbreit Platz bis zur Tischplattenunterkante«, rät die AOK weiter. Mit Tischbeinpassstücken kann die Höhe des Tisches variiert werden, notfalls sind dessen Beine zu kürzen. Er sollte sicher stehen, auch nach mehrmaligem Auf- und Abbau.

Die Bewegungsfreiheit: Es muss genügend Platz im Raum bleiben, um mit dem Stuhl zurückfahren zu können und nicht an der Wand oder einem Schrank anzustoßen. Die Beine lassen sich unter dem Tisch ausstrecken und werden nicht etwa durch den Papierkorb oder Kabel daran gehindert. Es sollte möglichst viel Beinfreiheit bestehen, Rollcontainer sollten besser nicht unter dem Tisch positioniert werden.

Das Raumklima: Die Luftfeuchtigkeit sollte etwa 40 bis 60 % betragen. Zu erzielen ist die Vorgabe durch Pflanzen mit großen Blättern, Luftbefeuchter oder Wasserbehälter.

Der Bildschirm: Wichtig für gutes Sehen ist ein ausreichender Sehabstand zwischen Auge und Bildschirm. Dieser sollte bei einem 17-Zoll-Monitor mindestens 60 cm betragen. Beim Einsatz von Flachbildschirmen ist dieser Sehabstand im Allgemeinen mit 80 cm tiefen Arbeitsplatten zu erreichen. (Einzelheiten dazu zum Beispiel unter www.buero-forum.de).

Der Schallschutz: Der bso weist zudem darauf hin, dass es oft auch gerade die akustischen Störungen sind, die in der Praxis als die größte Beeinträchtigung der Konzentration sowie als starke physische und psychische Belastung empfunden werden. »Ein Problem, dem auf mehreren Ebenen entgegenzuwirken ist«, so Kallup:

  • Direkte Schall-Übertragung ist zu unterbrechen. Zum Beispiel durch hoch schallabsorbierende Stellwände, die zwischen der Geräuschquelle und den Menschen aufgestellt werden. Dadurch entstehen direkt am Arbeitsplatz sogenannte »akustische Schattenzonen«, die Störgeräusche reduzieren und die Konzentration erleichtern.
  • Mehr Schall-Absorptionsflächen im Raum reduzieren die indirekte Schallübertragung. Dazu dienen in erster Linie spezielle Decken, Böden, Wände und Stellwände. Aber auch Schränke, wenn ihre Fronten und Rückseiten schallabsorbierend ausgebildet sind.
  • Es empfiehlt sich, Raumgliederungs-Systeme und andere akustisch behandelte Flächen in hoher schallabsorbierender Qualität einzusetzen. Schallquellen sind flexibel abzuschotten, direkte und indirekte Schallübertragungswege zu unterbrechen.

Best Practise 1: Ergonomie in der Produktion der Henkel AG

Ein Unternehmen, das bei der Gestaltung der Arbeitsplätze solche Überlegungen berücksichtigt und in ergonomische Arbeitsplätze investiert, ist der Henkel Konzern. Im vergangenen Jahr wurde das Unternehmen mit dem Zertifikat „Move Europe-Partner Excellence 2009" des europäischen Netzwerks ausgezeichnet. Bei Henkel fällt die Planung und Realisierung ergonomischer Arbeitsplätze vorrangig in den Tätigkeitsbereich der werksärztlichen Abteilung. „Gesundheitsmanagement allgemein ist aber eine Aufgabe, an der Werksärzte wie Personalmanager, Arbeitssicherheitsfachkräfte, Betriebsräte und Führungskräfte mitwirken", erklärt Petra Zöller, Gesundheitscoach, Anti-Stress- und Rückenschultrainerin bei Henkel.

Best Practise 2: Interdisziplinäres Ergonomie-Projekt bei der Hager Group

Genauso stark wie Henkel engagiert sich auch die Hager Group in Blieskastel für die Gesundheit der Mitarbeiter. Das Unternehmen ist ein führender Anbieter von Lösungen und Services für elektrotechnische Installationen in Wohngebäuden und Gewerbeimmobilien sowie für industrielle Anwendungen. Die Hager Group produziert weltweit an 30 Standorten in 12 Ländern und beschäftigt international rund 10.500 Mitarbeiter, 2.409 davon in Deutschland.

Im Dezember 2009 zeichnete die Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution das Unternehmen mit dem 1. Preis des Förderpreises 2009 »Gesundes Unternehmen - gesunde Mitarbeiter« aus. »Gesundheit und Wohlbefinden der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind für unser Unternehmen von grundsätzlicher Bedeutung«, erklärt Petra Schreiner, Leiterin Care Management Human Resources in Deutschland. Schon 2004 wurde die Abteilung Care Management gegründet, die innerhalb der deutschen Hager Gruppe neue Konzepte entwickelt. Im vergangenen Jahr wurde in Blieskastel feierlich ein Neubau der Logistik eingeweiht. Die Arbeitsplätze sollten unter Berücksichtigung ergonomischer Erkenntnisse gestaltet werden

 

Wichtige Vorgaben rund um die Ergonomie

Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, zeigt aber die Systematik des Themas. In einer Vielzahl von Verordnungen und Gesetzen verlangt der Gesetzgeber ein Mindestmaß an ergonomisch gestalteten Arbeitsplätzen:

Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)

  • § 3 Grundpflichten des Arbeitgebers
  • § 5 Beurteilung der Arbeitsbedingungen
  • § 6 Dokumentation

Bildschirmarbeitsverordnung (BildscharbV)

  • § 3 Beurteilung der Arbeitsbedingungen
  • § 5 Täglicher Arbeitsablauf

Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV)

  • § 6 Arbeitsräume, Sanitätsräume, Pausen- und Bereitschaftsräume, Erste-Hilfe-Räume, Unterkünfte
  • Normen

außerdem

  • DIN EN ISO 9241: Ergonomie der Mensch-System-Interaktion (Bildschirmarbeitsplätze)
  • DIN EN ISO 10075: Ergonomische Grundlagen psychischer Arbeitsbelastung

Dies ist eine Kurzfassung: Den vollständigen Artikel finden Sie im arbeitsicherheit.journal (8/2010). Sie interessiert der ganze Artikel? Hier in der Bibliothek anmelden und weiterlesen >>

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