Corona: Infektionsschutzgesetz mit neuer Auskunftspflicht

Die Änderungen des Infektionsschutz umfassen eine Neuregelung der Auskunftspflicht.
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Am 10. September 2021 wurde das Infektionsschutzgesetz zuletzt geändert. Eine wesentliche Neuregelung bezieht sich auf die Auskunftspflicht: Solange der Bundestag eine „epidemische Lage“ feststellt, dürfen Unternehmen in bestimmten Berufsgruppen Angestellte nach ihrem Impfstatus fragen. Unser Arbeitsrechtsexperte Dr. Kurt Kreizberg beleuchtet diese Änderung im Hinblick auf bereits bestehende Auskunftspflichten im Arbeitsrecht.  

Anfang September 2021 ist vom Bundestag und Bundesrat die Novellierung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) vorgenommen worden: Durch die Erweiterung von § 36 Absatz 3 IfSG wurde der Kanon arbeitsrechtlicher Auskunftspflichten, denen Beschäftigte, zumindest für die momentane Dauer der epidemischen Lage von nationaler Tragweite – d. h. zunächst noch bis 24. November 2021 – zu genügen haben, um eine Facette ergänzt (Art. 12 des Aufbauhilfegesetzes vom 10.09.2021, abgedruckt in BGBl. I, Nr. 63 vom 14.09.2021, Seite 4147).

Beschäftigte in Kitas, Pflegeheimen, Obdachlosenunterkünften und im Justizvollzugsdienst müssen ihrem jeweiligen Arbeitgeber auf Befragen Auskunft über ihren Corona-Impfstatus geben. Losgelöst von der medizinischen oder epidemiologischen Sinnhaftigkeit einer solchen Auskunft soll diese neue Pflicht im Kontext bereits bestehender Auskunftspflichten im Arbeitsrecht beleuchtet werden.

Arbeitgeberseitige Frage als Impuls

Wichtig ist zunächst einmal, dass das erweiterte Infektionsschutzgesetz keine automatische Informationspflicht des Beschäftigten vorsieht, sondern die Auskunftspflicht erst durch eine entsprechende Frage des Arbeitgebers ausgelöst wird. Wenn der Arbeitgeber nicht fragt, muss der Beschäftigte nicht von sich aus informieren. Selbstverständlich ist es aber Stellenbewerbern völlig freigestellt, von sich aus ungefragt und freimütig ihren Impfstatus wahrheitsgemäß zu offenbaren, etwa um dadurch ihre Chancen im Bewerbungsverfahren zu erhöhen.

Die Corona-Auskunft im Kontext weiterer Auskunftspflichten

Die Auskunftspflicht, insbesondere im Bewerbungsverfahren, aber auch im bestehenden Beschäftigungsverhältnis, lässt sich hinsichtlich der Fragen:

  • Wozu braucht der Arbeitgeber überhaupt die nachgefragte Information?
  • Könnte eine wahrheitsgemäße Beantwortung die Bewerbungschancen vernichten?
  • Gibt es ein „Recht auf Lüge“, wenn der Arbeitgeber unzulässige Fragen stellt?

und

  • welche Konsequenzen drohen, wenn eine zulässige und berechtigte Frage unwahr beantwortet wird und der Schwindel in der Probezeit oder danach auffliegt?

wie folgt zuordnen.

Eckpunkte arbeitnehmerseitiger Auskunftspflichten

Da die Verletzung der Auskunftspflicht vielfach im Mittelpunkt von Kündigungsschutzverfahren stand und steht, hat sich hierzu im Laufe der Jahre eine differenzierte, teilweise auch gewandelte Rechtsprechung entwickelt. Diese orientiert sich an den nachfolgenden Eckdaten und kann insofern auch – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – Orientierung geben für die prozessuale Bedeutung der Auskunftspflicht zum Corona-Impfstatus.

Fragerecht des Arbeitgebers

Aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber der Auskunftspflicht explizit das Fragerecht des Arbeitgebers vorangestellt hat, ist zunächst einmal abzuleiten, dass der Gesetzgeber die Frage nach dem Impfstatus per se nicht für unzulässig hält, sonst würde die Regelung keinen Sinn machen.

Unzulässige Fragen

Schon an dieser Stelle ist die Impfstatus-Auskunft anders einzustufen als Arbeitgeberfragen nach Schwangerschaft, Schwerbehinderung, HIV-Infektion, sexueller Orientierung, Partei- und Religionszugehörigkeit. Durch die im Jahre 2003 geänderte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 06.02.2003 – 2 AZR 621/01) darf die Frage nach einer Schwangerschaft selbst dann folgenlos falsch beantwortet werden („Recht auf Lüge“), wenn die Beschäftigung mit verschärften Mutterschutz-Vorgaben (Radiologie, Gentechnik, Laborarbeit mit Viren etc.) erfolgen soll. Davon zu trennen sind die Konsequenzen, die sich aus einer wahrheitswidrigen Beantwortung zulässiger Fragen ergeben können.

Zulässige Fragen

Hierunter fallen Fragen, die im engen Kontext mit der angestrebten Beschäftigung stehen, also Fragen nach notwenigen Lizenzen (Gabelstaplerschein, Führerschein, Fluglizenz) und Prüfungen (Approbation des Arztes, 2. Examen für Anwälte). Insofern müsste ein zukünftiger Kassierer eine Vorstrafe wegen Unterschlagung offenbaren, nicht aber den aktuellen Führerscheinentzug wegen überhöhter Geschwindigkeit, weil nicht berufsrelevant. Beim „Trucker“ wäre es genau umgekehrt.

Zulässig sind überdies all solche Fragen, an deren korrekter Beantwortung der Arbeitgeber ein legitimes Interesse hat, also z.B. die Frage nach Krankheiten oder gesundheitlichen Einschränkungen, die einer uneingeschränkten Ausübung des Berufs entgegenstehen könnten. Insofern spielen Höhenangst und ein akuter Bandscheibenvorfall bei einem Dachdecker eine andere Rolle als bei einer Sekretärin und müssten vom Dachdecker korrekt beantwortet werden, nicht aber von der Schreibkraft.

Anwendung geltender Maßstäbe auf die Impfstatus-Auskunft

Unter Zugrundelegung der gerichtlichen Maßstäbe, die an bereits bestehenden Auskunftspflichten angelegt wurden, spricht viel dafür, die neue Auskunftspflicht nach § 36 Absatz 3 IfSG zu behandeln wie Auskünfte über tätigkeitseinschränkende Krankheiten und Behinderungen. Zumal – anders als bei einer Schwangerschaft – weniger der Selbstschutz der Beschäftigten, als vielmehr der Drittschutz von Belegschaften, Patienten und Kunden im Vordergrund steht, mithin Rechtsgütern, denen der Arbeitgeber ebenso gerecht werden muss, wie dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des befragten Bewerbers/Mitarbeiters.

Konsequenzen und Fazit

Vor dem Hintergrund der insofern einschlägigen Rechtsprechung kann einem Bewerber, der im Anstellungsgespräch wahrheitswidrig einen bestehenden Impfschutz behauptet hat, die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung §§ 123, 242 BGB drohen, was faktisch einer fristlosen Kündigung gleichkommt. Gleiches dürfte wegen der Zerstörung des Vertrauensverhältnisses auch im bestehenden Beschäftigungsverhältnis drohen. Es bleibt jedoch abzuwarten, welche Einschätzungen die Arbeitsgerichtsbarkeit hierzu in Kürze geben wird.

Die Ergänzung der Auskunfts- um eine Nachweispflicht (Vorlage des Impfpasses) hätte zur Vermeidung von Unsicherheiten und Prozessen beitragen können.

Stand: Oktober 2021

Über den Autor

Dr. jur. Kurt Kreizberg
Rechtsanwalt in Solingen
seit 2013: Lehrbeauftragter für Arbeits- und Sozialrecht an der FOM Essen
seit 2016: Autor des Loseblatt-Kommentars (Carl Heymanns Verlag)
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