Fachbeitrag  Arbeitssicherheit, PSA  

Änderungen in den Technische Regeln für Arbeitsstätten: Barrierefreiheit, Baustellen und Getränke

Bauarbeiter mit Helm trinkt Wasser.
Foto: © Anna Baburkina - stock.adobe.com

Besser spät als nie: Das Bundesarbeitsministerium hat Änderungen von Technischen Arbeitsstätten-Regeln aus der Zeit vor Beginn der Coronapandemie veröffentlicht. Es geht um die Barrierefreiheit im Rahmen der inklusions- und behindertengerechten Ausgestaltung von Arbeitsplätzen, Lärm am Arbeitsplatz sowie einen neuen Temperatur-Grenzwert, ab dem Arbeitgeber Getränke bereitstellen müssen. Das sind die Änderungen im Einzelnen.

Nachdem über zwei Jahre „Funkstille“ beim zuständigen Ausschuss für Arbeitsstätten (ASTA) herrschte und Coronastandards und -Regeln das Arbeitsprogramm dominierten, hat das Bundesarbeitsministerium (BMAS) im Gemeinsamen Ministerialblatt (GMBl.) Nr. 24 vom 20. April 2021 jetzt noch einmal wieder Überarbeitungen von Technischen Arbeitsstätten-Regeln (ASR „A“) aus der Vor-Corona-Zeit bekanntgemacht.

Im Mittelpunkt stehen dabei:

  • die neuen Barrierefrei-Anhänge zu den ASRen A2.2 „Maßnahmen gegen Brände“ und A4.2 „Pausen- und Bereitschaftsräume“
  • abweichende/ergänzende Anforderungen für Baustellen im Kontext der ASR A3.7 „Lärm“
    sowie
  • eine Präzisierung von Vorsorgemaßnahmen bei steigenden Lufttemperaturen gemäß der ASR A3.5 „Raumtemperatur“.

Barrierefreiheit in Büros und Produktionsstätten

Elf der insgesamt 21 ASRen verfügen nunmehr unter dem gemeinsamen Dach der ASR V3a.2 „Barrierefreie Gestaltung von Arbeitsstätten“ über Sondervorschriften zur inklusions- und behindertengerechten Ausgestaltung von Arbeitsplätzen in Büros und Produktionsbetrieben.

Wenn das vom ASTA schon vor Jahren verabschiedete Programm demnächst abgeschlossen ist, werden mit den derzeit noch ausstehenden Barrierefrei-Regelungen bei Fußböden (A1.5/1,2), für Lärm (A3.7) und für Sanitärräume (A4.1) zwei Drittel (14 von 21) aller derzeit bestehenden ASR „inklusiv“ ergänzt sein.

Im Mittelpunkt des inklusionskonformen betrieblichen Brandschutzes (ASR A2.2) steht die Alarmierung von Beschäftigten mit Seh- und Hörbehinderungen.

Visuelle Alarmsignale, wie Blinkleuchten müssen durch akustische und taktile (fühlbare) Alarmsignale, wie zum Beispiel Sprachalarmanlagen oder Vibrationsalarme mit mobilen Endgeräten ergänzt bzw. ersetzt werden.

Für akustische Alarmsignale wie Hupen und Sirenen gilt, genau umgekehrt, dass sie durch taktile und visuelle Alarmsignale unterlegt und ergänzt werden müssen.

Bei Beschäftigten, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, sowie für Kleinwüchsige steht die Erreichbarkeit von Brandmeldern im Vordergrund.

Beschäftigte mit Sprach- und Hörbehinderung sollen in die Lage versetzt werden, einen vorgefertigten Notruf abzusetzen.

Für Sehbehinderte und blinde Beschäftigte ist ein Telefon mit Notruftaste einzurichten.

Auch bei Pausen- und Bereitschaftsräumen stehen die Wahrnehmbarkeit und Erkennbarkeit sowie die Nutzbarkeit von Einrichtungen im Vordergrund. Über den schon beim Brandschutz vorgegebenen Rahmen hinaus, sind für Beschäftigte, die Rollatoren, Rollstühle oder Gehhilfen benötigen, größere Bewegungsflächen vorzusehen. Ein weiteres Augenmerk hat der Unterfahrbarkeit von Kühl- und Geschirrschränken zu gelten. Für kleinwüchsige Beschäftigte ist zudem Mobiliar vorzusehen, das u. a. in der Sitzhöhe angepasst werden kann.

Lärm auf Baustellen

Für diesen Spezialbereich gibt es, einschließlich der jüngsten Ergänzung bei der ASR A3.7 „Lärm“ nunmehr für insgesamt 16 (von 21) ASRen Spezialregelungen, die allerdings, anders als die Barrierefrei-Regelungen, in die jeweiligen ASRen integriert sind. Ausgehend von der realistischen Annahme, dass lärmfreie Baustellen auch in Zukunft eine Utopie sind, werden z. B. Schalungsbauwerkstätten und Rohrmontagehallen von der Einhaltung bestimmter Grenzpegelwerte ebenso ausgenommen wie Reparatur- und Wartungsstätten für Baumaschinen und Fahrzeuge.

Für Büroarbeitsplätze (also etwa Baracken oder Container für Architektur- und Planungs-Teams) soll für die Dauer der sie umgebenden Bauarbeiten der Dauerschallpegel auf 70 Dezibel/A begrenzt werden.

Belebende Getränke bei heißen Außentemperaturen

Der Klimawandel und damit einhergehend längere Heißwetter-Perioden machen auch vor Arbeitsstätten nicht Halt. Dementsprechend wurde der schon geltende Grenzwert von 26 Grad noch einmal nachgeschärft.

Bei mehr als 30 Grad Celsius Lufttemperatur müssen geeignete Getränke vom Arbeitgeber bereitgestellt werden. Da die Meinungen, was ein „geeigneter“ Durstlöscher sein könnte, wohl allgemein breit auseinandergehen, verweist die neue Regelung (aber nur beispielhaft) auf „Trinkwasser im Sinne der Trinkwasserverordnung".

Arbeitsstättenrecht wird komplexer

Das Arbeitsstättenrecht ist durch die neuen Ergänzungen noch einmal komplexer geworden. Wie ein Fernsehkoch muss der Arbeitgeber in drei Töpfe greifen, um das Menü mit den passenden Zutaten richtig zu würzen: die Basis-ASR mit Baustellen-Kapitel, ergänzt um die Barrierefrei-Regelung plus SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel sind ein weiterer Grund mehr, die Corona-Pandemie alsbald zu überwinden.

Über den Autor

Dr. jur. Kurt Kreizberg
Rechtsanwalt in Solingen
seit 2013: Lehrbeauftragter für Arbeits- und Sozialrecht an der FOM Essen
seit 2016: Autor des Loseblatt-Kommentars (Carl Heymanns Verlag)
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