DGUV Information 207-028 - Neubauplanung, Modernisierung und Nutzungsänderung von Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM)

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Abschnitt 9.1 - 9.1 Lärmschutz

Schall entsteht durch mechanische Schwingungen in gasförmigen, flüssigen oder festen Medien infolge sich ändernder Krafteinwirkungen mit Frequenzen im Hörbereich des Menschen. Die Schwingungen breiten sich als Wellen (Luftschall, Flüssigkeitsschall, Körperschall) in den Medien aus. Körperschall kann vom menschlichen Ohr nicht wahrgenommen werden. Durch Abstrahlung von Oberflächen wie Wänden, Böden, Decken wird er in Luftschall umgewandelt, den das Ohr wahrnimmt. In Maschinen entsteht bei Bearbeitungsvorgängen primär Körperschall, dieser wird als Luftschall abgestrahlt.

Der Schallschutz beschäftigt sich allgemein mit den Themenfeldern

  • Reduzierung von Außenlärm

  • Baulicher Schallschutz

  • Technischer Schallschutz

  • Raumakustik.

Ohne spezielle zusätzliche Vereinbarungen ist der Architekt nur verpflichtet, die vom Gesetzgeber als ausreichend bezeichneten Schalldämmungen zu erreichen.

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Abb. 9.1
Lärm und Übertragungsarten von Schall

Besonders wirksam bei der Planung von Gebäuden ist die Beachtung folgender Punkte, die insbesondere bei einer Nutzungsänderung von Gebäuden i.d.R. nur schwer realisierbar sind:

  • Körperschallübertragung im Bauwerk vermeiden

  • Räume mit Lärmquellen durch schwere Wände und Decken begrenzen

  • Räume mit starkem Lärmpegel von Räumen mit niedrigem Lärmpegel trennen

  • Gebäude ohne sensible Nutzung zur Abschirmung nutzen.

Lärmproblematiken, die sich aus dem Zusammenspiel schlechter Bauplanung, Bauausführung, ungünstiger Raumakustik (z. B. Schallübertragung, Reflexionsschall, Körperschall, ...) ergeben, haben gerade in WfbM einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Betreuung, das Arbeitsergebnis und psychische Belastungen, die ein erhöhtes Aggressionspotential mit möglichen Übergriffen zur Folge haben.

Hierbei ist zu unterscheiden zwischen Lärm, der das Gehör physisch schädigt und zur Entstehung einer entsprechenden Berufskrankheit führen kann, und zu Geräuschen, die zwar das Gehör nicht schädigen, aber zu einer psychischen Beeinträchtigung oder Unwohlsein am Arbeitsplatz führen können.

Die Folgen des Lärms können z. B. sein:

  • Verminderung des Hörvermögens bis zur Lärmschwerhörigkeit

  • Schwierigkeiten in der Sprachkommunikation

  • Überhören von "Sicherheits"-Signalen und daraus entstehende Sicherheitsrisiken

  • Vorzeitige Ermüdung

  • Verminderte Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeit und daraus resultierende geringere Arbeitsleistung und erhöhte Fehlerhäufigkeit

  • Befindlichkeitsstörungen, vegetative Störungen

9.1.1 Lärmminderungsmaßnahmen

Als Lärm werden Schallwellen mit einem Tages-Lärmexpositionspegel von mehr als 80 dB(A) bezeichnet. Ab einem Lärmexpositionspegel von 85 dB(A) wird das Gehör durch den Lärm irreparabel zerstört.

Ursachen von Lärm können der Betrieb von Maschinen im Gebäude, Fahrzeugen oder auch benzingetriebenen, handgeführten Geräten des Garten- und Landschaftsbaus sein. Auch der Umgang mit Metall, das in seiner Form bearbeitet und verändert wird oder bei der Montage oder Verpackung aneinander stößt, kann zu gesundheitsschädigendem Lärm führen.

g_bu_1434_as_18.jpgGood Practice
Bei der Bekämpfung von Lärm stehen an erster Stelle die bauliche Gestaltung der Arbeitsräume und die Beschaffung und der Einsatz von lärmarmen Geräten und Maschinen. Die Verwendung von lärmmindernden Werkzeugen oder lärmmindernde Konstruktionen sind ergänzende Maßnahmen.

Lärmminderung an der Quelle (Konstruktive Maßnahmen zur Geräuschminderung, Auswahl und Nutzung geräuscharmer Arbeitsverfahren Einsatz lärmarmer Maschinen)

Vor der Anschaffung von Maschinen und anderer lärmverursachender Ausrüstungsgegenstände sind die Geräuschemissionsangaben des Herstellers anzufordern und die Produkte mit den geringsten Emissionen zu wählen. Gleiches gilt für die Auswahl der Arbeitsverfahren.

Der Einsatz von geeigneten Sägeblättern oder von magnetischen Antidröhnmatten an Materialrutschen mindert z. B. den bei der Produktion entstehenden Lärm erheblich. Sind diese Lärmminderungsmaßnahmen technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht vertretbar, so ist der Lärm durch Kapselung oder Einhausung der Lärmquelle auf einen Lärmimmissionspegel von unter 80 dB(A) zu verringern (siehe Abbildung 9.2).

Mechanisch angeregte GeräuscheBeispiel/Pegelminderung
Minderung oder zeitliche Dehnung der Krafteinwirkungg_bu_1434_as_97.jpgMesswellen mit versetzten oder schräggestellten Messern
10 dB(A)
Versteifung der Struktur im Kraftflußg_bu_1434_as_43.jpgMassivere Richtplatte
5-8 dB(A)
Minderung der Körperschall-Übertragung (Schwingungsisolierung oder -dämpfung)g_bu_1434_as_82.jpgbedämpftes Sandwich-Sägeblatt
10 dB(A)
Beeinflussung der Schallabstrahlungg_bu_1434_as_32.jpgGitterbox als Teile-Sammelbehälter
5-14 dB(A)

Abb. 9.2
Konstruktive Lärmminderungsmaßnahmen und lärmarme Arbeitsverfahren

Geräuschminderung auf dem Ausbreitungsbzw. Übertragungsweg

Geräuschminderung wird erreicht über:

  • Minderung der Luftschallübertragung und

  • Minderung der Körperschallübertragung

Die Minderung der Luftschallübertragung wird konstruktiv umgesetzt über Schalldämpfung und/oder Schalldämmung.

  • Schalldämpfung:

    Schallabsorptionsgrad *****,

    Verkleidung von Decken- und Wandflächen mit weichen offenporigen Materialien geringer Dichte, um die Schallausbreitung innerhalb des Raumes zu minimieren.

  • Schalldämmung:

    Trennwände, Schallschirme, Kapseln und Schallschutzkabinen aus harten dichten Stoffen wie Beton, Ziegel, Stahl, Aluminium, Holz, um Reflexion innerhalb des Raumes zu bewirken und eine Weitergabe nach außen zu reduzieren.

Tabelle 9.1
Schallabsorptionsgrad von Baustoffen (Beispiele)

MaterialSchallabsorptionsgrad ***** bei
250 Hz1000 Hz
Kalkputz0,030,04
Holz0,030,04
Holzwolleplatte 25 mm0,250,50
Mineralfaserplatte 50 mm0,600,90
Schaumstoff (25 kg/m3) 50 mm 0,600,90

Die Minderung der Körperschallübertragung wird konstruktiv beispielsweise umgesetzt durch

  • Unterbrechung der Weiterleitung von Körperschall in festen Bauteilen oder zwischen ihnen durch zwischengelegte weiche bzw. elastische Bau- oder Konstruktionselemente,

  • Schwingungsisolatoren zwischen Maschine und Fußboden,

  • Zwischenlagen aus weichen Materialien wie Kork oder Gummi,

  • Entkoppelung von Rohrleitungen durch Metallfaltenbälge oder Gummischlauchstücke.

Geräuschminderung am Einwirkort/Arbeitsplatz

(Schallschutzkabinen, Schallschutzschirme) Wenn technische Maßnahmen nicht möglich sind oder sich der Lärmpegel auf diese Art nicht ausreichend verringern lässt, ist zu prüfen, ob ein gesonderter Raum für laute Maschinen oder laute Arbeiten vorzusehen ist und dadurch der Kreis der betroffenen Mitarbeiter und Beschäftigten so klein wie möglich gehalten wird. Diese Lärmschutzmaßnahme wird z. B. bei dem Maschinenraum einer Schreinerei umgesetzt.

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Abb. 9.3
Technische und bauliche Lärmminderungsmaßnahmen

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Abb. 9.4
Schallschutzkabine

Zwischen Räumen mit starkem Lärm und Räumen mit niedrigem Lärmpegel werden zweckmäßigerweise Lagerräume oder andere Räumen ohne sensible Nutzung angeordnet.

Raumakustische Maßnahmen

Bei Lärmpegeln unter 80 dB(A), die nicht zu einer organischen Schädigung des Hörvermögens führen, muss die Nachhallzeit des Schalls geringgehalten werden. Nachhallzeiten von mehr als 1 Sekunde führen dazu, dass die Verständlichkeit der Konsonanten und somit die Verständlichkeit der gesprochenen Sprache stark verringert wird. Dies muss gerade bei der Betreuung von behinderten Menschen vermieden werden.

Beton, Glas, Steinfliesen oder Steinkacheln als Wand-oder Bodenbelag vergrößern durch Schallreflexion die Nachhallzeit und verringern so die Sprachverständlichkeit.

g_bu_1434_as_18.jpgGood Practice
Um eine gute Sprachverständlichkeit zu gewährleisten muss in denSchulungsräumen sowie im Berufsbildungs- oder Förderbereichen durch geeignete raumakustische Maßnahmen eine Nachhallzeit von 0,5 s angestrebt werden.
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Abb. 9.5
Deckenelemente zur Verbesserung der Raumakustik

Technische Maßnahmen zur Raumakustik bestehen aus dafür vorgesehenen grobporigen Materialien, in denen sich der Schall auslaufen kann. Diese Materialien werden nach entsprechender Berechnung durch Fachfirmen (Hinweis: keine Arbeit für Laien!) an Wänden oder Decken des Raumes angebracht oder bei hohen Räumen oder Hallen unter die Decke gehängt.

Unter der Decke hängende Tücher oder leere Eierkartons aus Pappe sind keine geeigneten technischen Maßnahmen zur Verbesserung der Raumakustik.

Allen Mitarbeitenden und Beschäftigten, die in einem Bereich mit einem Tages-Lärmexpositionspegel von 80 dB(A) bis 85 dB(A) arbeiten, ist ein geeigneter Gehörschutz als Teil der persönlichen Schutzausrüstung (PSA) anzubieten und der entsprechende Personenkreis ist im Tragen dieser PSA zu unterweisen.

Ab einem Expositionspegel von 85 dB(A) muss der als "Lärmbereich" bezeichnete Bereich mit dem Gebotszeichen "Gehörschutz tragen" gekennzeichnet sein. Die Mitarbeitenden und Beschäftigten, die in diesem Lärmbereich arbeiten, müssen vor Beginn der Arbeiten an einer ersten Pflichtvorsorge sowie an regelmäßigen Folgeuntersuchungen "Lärm" teilnehmen. Weiterhin muss ab dieser Schwelle geeigneter Gehörschutz getragen werden.

Die Pflicht zur Unterweisung sowie das Tragen von geeignetem Gehörschutz gilt auch für Mitarbeitende und Beschäftigte, die nach derzeitigen Erkenntnissen "gehörlos" sind. Hier ist dafür zu sorgen, dass ein vorhandenes Resthörvermögen auf jeden Fall erhalten bleibt!

Die Bereiche oder Tätigkeiten, bei denen Mitarbeitende oder Beschäftigte einem Lärmpegel von mehr als 85 dB(A) ausgesetzt sind, sind in einem Lärmkataster zu dokumentieren. Weiterhin sind mögliche Maßnahmen zur Lärmminderung in einem Lärmminderungsprogramm aufzuführen und in regelmäßigen Abständen auf Umsetzung zu überprüfen.