DGUV Information 205-038 - Leitfaden Psychosoziale Notfallversorgung für Einsatzkräfte Psychosoziale Notfallversorgung in Einsatzorganisationen

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Abschnitt 5.5 - 5.5 Interventionsmaßnahmen der PSNV-E-Kräfte

Die möglichen Interventionsmaßnahmen basieren auf strukturierter Gesprächsführung und nennen sich aus dem englischen Sprachraum abgeleitet: Wiedereingliederung, Entschärfung, Einsatznachbesprechung und Einzelgespräch.

  • Wiedereingliederung (Demobilization)

    Ein Gespräch zur Wiedereingliederung dient der Entlastung aus dem Einsatz und dauert höchstens 10 Minuten. Es informiert die Einsatzkräfte über das Ereignis, auftretende Symptome, die sich aus der Belastung ergeben können, und weist auf weiterführende Hilfsangebote hin.

  • Entschärfung (Defusing)

    Ein Gespräch zur Entschärfung kann direkt im Anschluss an das belastende Ereignis (jedoch immer innerhalb von 24 Stunden) stattfinden. Es wird als Gruppengespräch durchgeführt und dient vor allem der Verringerung der akuten Stresssymptome sowie der Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft.

  • Einsatznachbesprechung (Debriefing)

    Bei einer Einsatznachbesprechung nach einem kritischen Ereignis handelt es sich um die intensivste und längste Form der Intervention. Es handelt sich um ein möglicher Weise mehrstündiges spezielles Gruppengespräch und dient der Gruppe der Einsatzkräfte als gemeinsamer Abschluss des erlebten belastenden Ereignisses.

    Der Einsatznachbesprechung liegt die Aufarbeitung des erlebten Ereignisses mit Traumapotenzial und seiner Folgen zu Grunde. In erster Linie geht es darum, das Erlebte mit den Anderen auszutauschen, sich praktische Hilfestellung von den anderen Betroffenen zu holen und gemeinsam in den Alltag zurückzukehren.

    Die Einsatznachbesprechung wird erst einige Tage nach dem Ereignis unter Leitung einer psychosozialen Fachkraft durchgeführt. Die Teamstärke wird auf den Teilnehmerkreis bezogen abgestimmt. Auf jeden Fall sollte nach Möglichkeit zumindest ein Peer der betroffenen Organisation dabei sein. Da ein Erfolg und die Wirkung der Einsatznachbesprechung nicht als einmalige und anlassbezogene Maßnahme gesehen werden kann, ist das durchgeführte Gruppengespräch durch weitere Nachsorgeangebote zu ergänzen.

  • Einzelgespräch (One-on-One)

    Das Einzelgespräch ist die direkteste Form der Intervention. Es findet im geschützten Raum zwischen einer betroffenen Einsatzkraft und einer Ansprechpartnerin bzw. einem Ansprechpartner (Peer oder psychosoziale Fachkraft) der Psychosozialen Notfallversorgung statt.

Die Teilnahme an diesen Interventionsmaßnahmen ist für Einsatzkräfte freiwillig, vertraulich und anonym. Sie sind kein Ersatz für Supervision bzw. dienen nicht der Aufarbeitung allgemeiner Probleme und Konflikte. Sie dienen der Stabilisierung und fördern den natürlichen Bewältigungsprozess von grundsätzlich gesunden Menschen.

Bei einem Gruppengespräch sollte die zu betreuende Gruppe nach Möglichkeit homogen, d. h. einer gleichen Belastung unterliegen (z. B. nur Einsatzkräfte einer Einsatzorganisation in einer Gesprächsrunde und nach Möglichkeit keine Mischung z. B. zwischen ehrenamtlich und hauptamtlich tätigen Einsatzkräften unterschiedlicher Einsatzorganisationen vornehmen, auch wenn dasselbe Ereignis besprochen wird!). Führungskräfte können dabei separat betreut werden (ist im Einzelfall zu vereinbaren). Dadurch kann es sein, dass sich eine Gruppe mehr öffnet und auf die Methode der Einsatznachbesprechung noch intensiver einlässt, wissend, dass die Führungskraft nichts von den Inhalten des Gespräches erfährt.

Die Maßnahmen zur Einsatznachsorge finden im ehrenamtlichen Bereich meistens in den Abendstunden statt. Daher ist es zu empfehlen, nach Abschluss der Maßnahme und der Möglichkeit zu einem ungezwungenen Gespräch zwischen den Kräften der Psychosozialen Notfallversorgung und den Einsatzkräften, Unterstützung durch ein kleines Essen mit Getränk zu geben.

Augenmerk sollte auch auf die Räumlichkeit gelegt werden, die für die Interventionsmaßnahme genutzt wird. Finden Entschärfung und Wiedereingliederung i. d. R. einsatzbezogen statt, sind die Möglichkeiten für die Durchführung durch die Gegebenheiten an der Einsatzstelle vorgegeben.

Bei der Einsatznachbesprechung und auch beim Einzelgespräch sollte Wert auf eine Umgebung gelegt werden, die schon von sich aus ein körperliches Wohlbefinden ermöglicht und einen störungsfreien Ablauf sichert. Die Einsatzkräfte sind für die Zeit der Teilnahme an der Interventionsmaßnahme vom Einsatzdienst abzumelden. Die Kommunikation über Handy etc. ist für die Zeit ebenfalls einzustellen. Für eine Einsatznachbesprechung sollte die Räumlichkeit den Aufbau einer passenden Sitzordnung (z. B. Stuhlkreis) für die Gesprächsrunde ermöglichen. Eine Abstimmung mit dem PSNV-E-Team sollte im Vorfeld erfolgen, das erleichtert die Planung des Ablaufes und trägt zum Erfolg der Maßnahme bei.

Nehmen Einsatzkräfte z. B. ein Einsatznachsorgegespräch in Anspruch, sollte dokumentiert werden, welche Personen daran teilgenommen haben. Es geht hierbei um die namentliche Erfassung und bewusst nicht um die Aufzeichnung der Inhalte der Gespräche! Die Dokumentation kann durch Führungskräfte der Feuerwehr oder durch das PSNV-E-Team erfolgen. Sie ist sicher aufzubewahren. Ermittelt der zuständige Unfallversicherungsträger später im Falle einer psychischen Erkrankung, ist es sehr hilfreich, auf die Dokumentation zurückgreifen zu können.

g_bu_1331_as_6.jpgFazit
Die psychische Gesundheit ist neben der physischen Gesundheit eine wichtige Voraussetzung für den sicheren Dienst in einer Einsatzorganisation.

Verantwortliche müssen mögliche psychische Belastungsfaktoren erkennen können, die Einsatzkräfte auf diese vorbereiten und die erforderlichen Maßnahmen einleiten.

Betroffene Einsatzkräfte müssen sich der Gefährdung durch psychische Belastungsfaktoren bewusst sein, sie sich ggf. selbst eingestehen und die in dieser DGUV Information dargestellten Hilfsangebote nutzen.

Literatur

Helmrichs, J.; Karutz, H.; Gengenbach, O.; Richwin, R. (2016): Psychosoziale Herausforderungen im Feuerwehrdienst Belastungen senken - Schutz stärken/Herausgeber: Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) Deutscher Feuerwehr Verband (DFV)

Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (2012): Psychosoziale Notfallversorgung: Qualitätsstandards und Leitlinien. Teil I & II. Praxis im Bevölkerungsschutz, Band 7, 3. Auflage, Bonn

Krüsmann, M.: Projektkoordination (2008) Prävention im Einsatzwesen, Abschlussbericht für das Forschungsprojekt "Untersuchung des langfristigen Adaptionsprozesses nach unterschiedlichen Nachsorgemaßnahmen im Kontext von Katastrophen und extrem belastenden Einsätzen" - Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Department Psychologie, LMU München

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