DGUV Information 209-200 - Absauganlagen Konzeption, Planung, Realisierung und Betrieb

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Abschnitt 5.2 - 5.2 Probebetrieb, Abnahme, Inbetriebnahme

Im zeitlichen Zusammenhang mit der Errichtung von größeren Anlagen gibt es verschiedene Stadien der sogenannten "Inbetriebnahme". Möglicherweise nimmt der Hersteller die Anlage oder Teile davon bereits im eigenen Werk in Betrieb, um für sich selbst festzustellen, ob die Anlage oder deren wichtige Komponenten wie geplant funktionieren. Hintergrund ist, dass der Hersteller sicher sein will, dass nur funktionstüchtige Anlagenteile auf die Baustelle geliefert werden, da Fehler im Werk leichter zu finden und zu beheben sind. Normalerweise wird die Anlage dann für den Transport auf die Baustelle wieder zerlegt. In Einzelfällen kann es auch möglich sein, dass der Hersteller in diesem Stadium den Kunden oder die Kundin zu einer Teilabnahme der Anlage einlädt, sofern man die Teilabnahme nicht auf der Baustelle durchführen kann. Kundinnen und Kunden sollten einer Teilabnahme auch nur dann zustimmen, wenn sie technisch begründet ist und die Eigenschaften der abzunehmenden Komponente durch das Zerlegen für den Transport nicht verändert wird. Im Allgemeinen gehört die Erprobung der Komponenten im Herstellerwerk nicht zur Kundenabnahme.

5.2.1 Probebetrieb vor der Abnahme

Nachdem die Anlage auf der Baustelle montiert und errichtet worden ist, schaltet der Techniker oder die Technikerin des Herstellers die Anlage erstmals ein und beginnt mit dem Probebetrieb. Während dieses Probebetriebs wird nicht in Serie produziert! Das bedeutet für Absauganlagen, dass die abzusaugenden Maschinen und Erfassungselemente nicht dauerhaft abgesaugt werden. Der Probebetrieb ermöglicht dem Hersteller vielmehr, die Anlage auf die betrieblichen Gegebenheiten des Kunden oder der Kundin einzustellen und die Leistung der Anlage in den kritischen Betriebszuständen zu kontrollieren. Die Verantwortung im Probebetrieb für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten obliegt allein dem Hersteller.

Hinweis:

In der Probebetriebsphase sollte die Absauganlage noch nicht in die betrieblichen Produktionsprozesse eingebunden werden. Andernfalls kann es ungewollt zu einer stillschweigenden Abnahme durch die betreibende Firma kommen.

5.2.2 Abnahme

Wenn der Hersteller den Probebetrieb der Absauganlage beendet hat und er aus seiner Sicht alle vertraglichen Vereinbarungen erfüllt, kommt es zwischen den Vertragsparteien zur Abnahme. Dabei sollten sämtliche Funktionen der Anlage demonstriert und erläutert werden. Das betrifft:

  • alle vertraglich vereinbarten Betriebszustände der Anlage,

  • das Verhalten der Anlage im Störungsfall,

  • die durchzuführenden Wartungsarbeiten und regelmäßigen Prüfungen,

  • die Übergabe der Anlagen-Dokumentation (siehe Abschnitt 5.3).

Die Abnahme muss auch die Ergebnisse der Kontroll-Messungen (Volumenströme, Luftgeschwindigkeiten, Druckdifferenzen, Stromaufnahmen) zum Nachweis der vom Hersteller zugesicherten Anlagenleistungen (siehe Abschnitt 4.4) in den vereinbarten Betriebszuständen enthalten.

Hinweis:

Die Messungen bilden eine wesentliche Basis für die Beurteilung, ob die Anlage ausreichend leistungsfähig ist, um die Emissionen am Arbeitsplatz im geforderten Umfang zu reduzieren. Der Auftraggeber (i. d. R. der Betreiber) sollte bei den Messungen unbedingt anwesend sein oder sich von einem neutralen Fachberater oder einer neutralen Fachberaterin vertreten lassen.

Über die Abnahme der Anlage muss der Auftragnehmer (i .d. R. der Hersteller) ein Abnahme-Protokoll führen und dem Auftraggeber (i. d. R. der Betreiber) übergeben.

Sofern die Abnahme positiv erfolgt ist, nimmt der Auftraggeber die Absauganlage als Betreiber offiziell in Betrieb und übernimmt damit auch die Verantwortung für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten.

5.2.2.1
Inhalte der Abnahmeprüfung vor Erstinbetriebnahme

Bevor die Anlage vom Auftraggeber abgenommen wird, ist eine eingehende Prüfung der vertraglich vereinbarten Merkmale zu empfehlen. Sinnvoll ist es, bereits beim Vertragsabschluss festzulegen, welche Prüfungen zur Abnahme durchgeführt werden sollen. Die Prüfungen sind vom Auftragnehmer (i. d. R. der Hersteller) durchzuführen und dienen dazu, dass der Auftragnehmer dem Auftraggeber seine Vertragserfüllung nachweist. Gegebenenfalls kann auch ein vertraglich festgelegtes, neutrales Prüfinstitut die Prüfung durchführen.

Im Folgenden sind mögliche Prüfungen zu den Punkten nach Abschnitt 5.1 erläutert:

  • Erfassungen: Sofern die Erfassung an einzelnen Emissionsquellen zum Lieferumfang gehört, sind die Erfassungen der vereinbarten Bauart entsprechend zu prüfen:

    • Geschwindigkeitsmessungen an der Einsaugstelle

    • Konstruktive Merkmale

    • Querströmungseinfluss

    • Qualitative Beurteilung über Rauchröhrchen

    • Erfassungsgrad (z. B. nach EN 1093-2, -3, -4, -8, -9 oder -11).

  • Anschluss der Erfassungen: Der Luftvolumenstrom und der herrschende statische Unterdruck sind im anschließenden Absaugrohr zu messen. Die Geschwindigkeitshyperbel in der Rohrleitung und ausreichende Abstände zu Störstellen wie Rohrleitungsbiegungen sind dabei zu berücksichtigen. Für jede Erfassungsstelle ist der jeweils ungünstigste Betriebszustand aus der vertraglich vereinbarten Gleichzeitigkeitstabelle zugrunde zu legen. Bei filternden Abscheidern muss ein Besatz des Filters durch den Betrieb bei der Beurteilung berücksichtigt werden. Die gemessenen Werte und der jeweilige Betriebszustand der Anlage sind für wiederkehrende Prüfungen zwingend zu dokumentieren.

  • Rohrströmung: Die Luftgeschwindigkeit in einzelnen Rohrleitungsabschnitten ist bei Feststoff- oder Flüssigkeitstransport (Aerosole) im ungünstigsten Betriebszustand für den jeweiligen Abschnitt zu prüfen. Die Geschwindigkeit muss immer oberhalb der Mindesttransportgeschwindigkeit liegen, um Ablagerungen zu vermeiden. Kritische Bereiche sind in diesem Fall Querschnittserweiterungen, Zusammenführungen, nach denen der Gesamtquerschnitt größer als die Summe der Einzelquerschnitte ist, oder sonstige Abschnitte, in denen die Luftgeschwindigkeit herabgesetzt wird. Auch hier ist der Besatz des Filters bei der Beurteilung zu berücksichtigen.

  • Abscheider: Der Abscheider muss den gesetzlichen und vertraglichen Bedingungen entsprechen. Besonders mit Blick auf die Anforderung an den Abscheidegrad oder die maximal auftretenden Schadstoffkonzentrationen hängt die Erlaubnis für den Betrieb der Anlage wesentlich von der erzielten Abscheidewirkung ab. Sie ist durch Prüfzeugnisse (z. B. bei Filtermaterialien) nachzuweisen. Sind bauartbedingt keine Prüfzeugnisse vorhanden (z. B. bei Nassabscheidern oder Zyklonen), muss die Abscheidewirkung durch eine Messung (z. B. nach EN 1093-6 oder -7) nachgewiesen werden.

  • Ventilator-Leistung: Durch die Volumenstrommessung und die Messung der statischen Druckdifferenz an den Erfassungsstellen ist die ausreichende Leistung des Ventilators/der Ventilatoren bereits nachgewiesen. Zusätzlich sollte zur Beurteilung der Effizienz oder des Wirkungsgrads des Ventilators oder der Ventilatoren und der Antriebseinheit die Stromaufnahme gemessen werden.

Hinweis:

Ein Radialventilator saugt durch das Ventilator-Auge immer Luft an. Wenn der Elektroantrieb phasenvertauscht verkabelt ist und der Ventilator in der falschen Richtung läuft, reduziert sich die Leistung auf ca. 1/3 der pneumatischen Nennleistung. Diesen Fehler hört man und man kann ihn durch die erhöhte Stromaufnahme messen. Aus den Erfassungsstellen "herausblasen" wird es niemals.

  • Abluftführung: In den Abluftstrang wird oft eine Fortluft-/Rückluftweiche eingebaut. Deren Funktion ist zu prüfen. Sofern Sicherheitsfunktionen mit der Weiche verknüpft sind (z. B. bei Stromausfall sofort Stellung auf Fortluft, um bei Filterbrand den giftigen Rauch ins Freie abzuleiten), müssen sie durch eine Simulation ausgelöst und nachgewiesen werden.

  • Zuluft-Behandlung: Beim Einsatz von Wärmetauschern ist der Widerstand bei maximalem Luftvolumenstrom nachzuweisen und zu dokumentieren, um bei wiederkehrenden Prüfungen Verstopfungen zu detektieren. Der Druckverlust darf bei maximalem Luftvolumenstrom nicht soweit ansteigen, dass die Anlage den notwendigen Luftvolumenstrom an den Erfassungsstellen nicht mehr erreicht. Beim Herunterkühlen der feuchten Hallenluft im Winter kann es auf der Fortluftseite des Wärmetauschers zu Vereisungen kommen. Aus diesem Grund werden Heizregister meist auf der Saugseite eingebaut. Die Heizregister müssen praktisch geprüft (z. B. durch Messung der Temperaturdifferenz vor/nach dem Heizregister bei maximalem Luftvolumenstrom) und die Funktion muss nachgewiesen werden.

  • Entsorgung: Die Entsorgung der abgeschiedenen Gefahrstoffe ist zu prüfen. Bei vorhandenen Zellenradschleusen oder Brikettpressen ist mindestens die Funktion und die Stromaufnahme zu prüfen. Die Zellenradschleuse darf mit dem zu erwartenden Material nicht verkleben und es dürfen an den Lamellen keine Anbackungen entstehen. Bei druckfester oder druckstoßfester Bauweise (z. B. beim Einsatz als Entkoppelungssystem) sind entsprechende Eignungsnachweise (ATEX) für die Zellenradschleuse erforderlich.

  • Lärmemissionen: Der direkt an den Erfassungsstellen oder den nächstgelegenen Arbeitsplätzen entstehende Lärm muss gemessen und nachgewiesen werden. Wenn für die Betriebsgenehmigung im Außenbereich Anforderungen an die Lärmemission gestellt werden, ist die Einhaltung durch Messungen nachzuweisen.

  • Explosionsschutz: Die Vollständigkeit der Anlage und ihrer Komponenten muss geprüft werden. Bei abzusaugenden, brennbaren und im Gemisch mit Luft explosionsfähigen Substanzen ist das Explosionsschutzkonzept sowie eine den zu erwartenden Belastungen entsprechende, ausreichend druckfeste oder druckstoßfeste Bauweise nachzuweisen. Außerdem muss der Hersteller die Eignung aller relevanten elektrischen oder mechanischen Komponenten für die jeweilige Explosions-Zone, in der die Komponenten installiert sind, mit ATEX-Konformitätserklärungen nachweisen (z. B. Füllstandsüberwachung, Sensoren, Zellenradschleusen, Regenerationseinrichtungen, Rückschlagklappen, ...).

  • Sicherheitsfunktionen: Erforderliche Sicherheitseinrichtungen (NOT-HALT, Feuerlöschung, Funkenlöschanlage, Verriegelungen, Druckentlastungsklappen, etc.) sind auf Funktion zu prüfen oder ihre Eignung ist durch Baumusterprüfbescheinigungen nachzuweisen.

  • Funktionen zum Ausschluss von Gesundheitsgefahren: Notwendige Funktionen zum Schutz vor Gesundheitsgefahren (z. B. eine Reststaubüberwachung) auf sind auf Funktion zu prüfen oder ihre Eignung durch eine Baumusterprüfbescheinigung nachweisen.

  • Dokumentation der Anlage: Die notwendige Dokumentation gemäß Abschnitt 5.3 ist auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu prüfen.

5.2.2.2
Rechtliche Relevanz

Eine Abnahme einer größeren Anlage sollte schriftlich in Bezug auf die durchgeführten Prüfungen erfolgen. Bei kleinen Entstaubern oder Industriestaubsaugern wird im Allgemeinen auf eine schriftliche Abnahme verzichtet. Die Abnahme erfolgt dann stillschweigend.

Nach BGB § 640 ist der Besteller verpflichtet, das vertragsmäßig hergestellte Werk abzunehmen, sofern nicht nach der Beschaffenheit des Werks die Abnahme ausgeschlossen ist. Wegen unwesentlicher Mängel kann die Abnahme nicht verweigert werden.

Bei der Abnahme der Absauganlage sind für den Betreiber der Anlage folgende Sachverhalte aus dem BGB zu beachten:

  • Vertragsstrafen (z. B. bei Verzug) können nur verlangt werden, wenn der Betreiber sich das bei der Abnahme vertraglich vorbehält (§ 341).

  • Die Verjährungsfrist für Mängelansprüche beginnt mit der Abnahme (§ 634 a).

  • Bei der Abnahme mit bekanntem Mangel stehen dem Betreiber nur Ansprüche zu, wenn er sie sich bei der Abnahme vertraglich vorbehält (§ 640).

  • Die Vergütung ist bei der Abnahme des Werks zu entrichten (§ 641).

  • Der Hersteller trägt bis zur Abnahme die Gefahr von Schäden (z. B. Unwetter, Vandalismus, Diebstahl, etc.); danach der Betreiber (Gefahrenübergang; § 644).

Abschließend soll darauf hingewiesen werden, dass mit der Abnahme eine Beweislastumkehr stattfindet. Vor der Abnahme ist der Hersteller der Anlage in der Pflicht zu beweisen, dass die Anlage mängelfrei hergestellt wurde. Nach der Abnahme muss der Betreiber der Anlage dem Hersteller nachweisen, dass ein versteckter (bei der Abnahme nicht bekannter) Mangel bereits zum Zeitpunkt der Abnahme vorhanden war.

Durch Ingebrauchnahme (Vorsicht bei Probebetrieb mit gleichzeitiger Produktivschaltung!) könnte eine konkludente (stillschweigende) Abnahme erfolgen.

Hinweis:

Die Ausführungen in diesem Abschnitt sind sehr allgemein und verkürzt gehalten und genügen keiner Rechtsberatung. Ziel ist vielmehr, beide Vertragsparteien in Bezug für die große Bedeutung der Abnahme bei der Planung und Konzeption einer Absauganlage zu sensibilisieren.

5.2.3 Inbetriebnahme

Nach einer erfolgreichen Abnahme kann die Absauganlage vom Betreiber offiziell in Betrieb genommen werden. Vor Inbetriebnahme benötigt der Betreiber allerdings für die Organisation des Arbeitsschutzes die üblichen Unterlagen nach Betriebssicherheitsverordnung:

  • Gefährdungsbeurteilung (§ 3)

  • Nachweis der Grundpflichten des Arbeitgebers (§ 4)

  • Unterweisung und besondere Beauftragung von Beschäftigten (§ 12)

  • Prüfung von Arbeitsmitteln (§ 14)

Diese Unterlagen können nicht vom Hersteller bereitgestellt werden; der Betreiber muss sie erstellen.

5.2.3.1
Hinweise zur Gefährdungsbeurteilung

Nach der Inbetriebnahme und vor der Bereitstellung für die Beschäftigten muss der Betreiber der Absauganlage eine Gefährdungsbeurteilung erstellen. Die im Rahmen der Entwicklung der Absauganlage erstellte Risikoanalyse des Herstellers hat mit der Gefährdungsbeurteilung nur leichte Überschneidungen und ist für den Betreiber nicht relevant. Die Schnittmenge wird vom Hersteller in der Bedienungsanleitung dargestellt. Dort hat der Hersteller die Restrisiken beschrieben, die aus der Risikoanalyse der Anlage hervorgegangen sind und technisch für den Hersteller nicht zu mindern waren. Außerdem beschreibt der Hersteller in der Bedienungsanleitung den erforderlichen Ausbildungsstand der Bedienpersonen sowie des Instandhaltungs- und des Wartungspersonals.

Die Gefährdungsbeurteilung des Betreibers ist anhand der Bedienungsanleitung der Absauganlage oder des Absauggeräts zu erstellen. Dabei sind nur die Restrisiken für den konkreten Anwendungsfall zu betrachten. Zusätzlich muss der Betreiber der Anlage weitere Risiken, die aus der Umgebung der Anlage, der betrieblichen Organisation und den Schnittstellen zwischen Betriebsablauf und Absauganlage resultieren (z. B. veränderte Transportwege um die Anlage herum) berücksichtigen.

Aus diesen Informationen und der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung ergeben sich:

  • Betriebsanweisungen für unterschiedliche Betriebszustände (z. B. Wechseln von Sammelsäcken, Wartungsarbeiten, Maßnahmen zur Störungsbeseitigung, etc.)

  • Unterweisungsunterlagen

  • Vorgaben für wiederkehrende Prüfungen (DGUV Regel 109-002; Explosionsschutzeinrichtungen - Gefahrstoffverordnung, etc.)

  • Persönliche Schutzmaßnahmen

5.2.3.2
Explosionsschutz-Dokument

Außerdem muss der Betreiber beim Absaugen brennbarer Stoffe nach GefahrstoffVO (§ 6) vor Inbetriebnahme der Anlage ein Explosionsschutz-Dokument erstellen. Sinnvollerweise wird er dabei das Explosionsschutzkonzept des Herstellers der Anlage als Grundlage seiner Dokumentation berücksichtigen.

Anhang 8.7 enthält nähere Erläuterungen und Musterformulare als Grundlage für die Erstellung eines Explosionsschutz-Dokuments.