DGUV Information 206-009 - Suchtprävention in der Arbeitswelt Handlungsempfehlungen

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Abschnitt 4.2 - 4.2 Stoffungebundene Suchtformen: Verhaltenssüchte

Bei Verhaltenssüchten werden im Gegensatz zu den stoffgebundenen Süchten keine Substanzen zugeführt bzw. eingenommen. Stattdessen wird ein bestimmtes Verhalten sehr häufig und unter Inkaufnahme gesundheitlicher, sozialer und wirtschaftlicher Schädigung durchgeführt. Nachfolgend beschrieben werden Verhaltenssüchte mit Relevanz am Arbeitsplatz.

4.2.1
Pathologisches Glücksspiel

Von Glücksspiel ist die Rede, wenn um Geld gespielt wird und der Gewinn überwiegend vom Zufall abhängt. Als glücksspielsüchtig gilt, wer Häufigkeit und Intensität des Spielens nicht mehr kontrollieren kann und sich gedanklich übermäßig mit dem Spielen beschäftigt. Dies ist der Fall, wenn trotz negativer Konsequenzen wie Verschuldung, Zerrüttung familiärer Beziehungen und Beeinträchtigung der beruflichen Entwicklung dem Glücksspiel weiterhin Priorität eingeräumt wird.

Nach einer Prävalenzstudie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) im Jahr 2018 besteht bei etwa 0,6 % der Bevölkerung in Deutschland ein problematisches und bei etwa 0,3 % eine pathologisches Spielverhalten 18). Die Geldspielautomaten sind mit einem Umsatz von fast 30 Milliarden Euro mit Abstand die größten Umsatzträger der Spielangebote in Deutschland und haben das höchste Suchtpotential 19).

Pathologisches Glücksspiel verläuft in drei Phasen, die fließend ineinander übergehen:

Einstiegsphase

Spielen ist mit positiven Gefühlen und Erfolgserlebnissen verbunden. Die Risikobereitschaft wächst und es werden immer höhere Beträge eingesetzt. Es besteht eine starke Faszination für das Spiel.

Kritisches Stadium

Versuche, das Spielen einzuschränken oder aufzugeben, scheitern. Das Spielen wird häufiger und wird dem kritisch beobachtenden Umfeld gegenüber verheimlicht. Betroffene versuchen vergeblich, ihre Verluste mit steigenden Einsätzen "wieder hereinzuholen" (Chasing). In Abstinenzphasen kommt es zu Unruhe und Gereiztheit.

Suchtstadium

Das Spielen wird zum zwanghaften Drang und beherrscht die gesamte Lebensführung. Nicht mehr der Gewinn steht im Vordergrund, sondern die durch das Spielen hervorgerufenen intensiven Gefühle von Anspannung, Lust, Euphorie und Entspannung. Es besteht zunehmend Kontrollverlust bezüglich Spieleinsätzen und -zeiten. Das Lügen, Vertuschen und sich Verschulden auch bei Verwandten und im sozialen Umfeld sowie das Scheitern von Rückzahlungen mit falschen Versprechungen führen zunehmend zur Isolation. Negative Gefühle wie Selbstverachtung, Verzweiflung und Suizidgedanken verschärfen sich. Es besteht die Gefahr eines zusätzlichen Suchtmittelmissbrauchs, insbesondere von Alkohol.

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g_bu_252_as_13.jpgBetriebliche Maßnahmen können sein
  • Konfrontation der Beschäftigten mit konkreten Defiziten in der Arbeitsleistung

  • Keine Gehaltsvorauszahlungen gewähren

  • Problem des "Anpumpens" von Kolleginnen und Kollegen offen thematisieren und davon abraten

  • Kontaktaufnahme zur Schuldnerberatung und Suchtberatung empfehlen

Eine frühzeitige Intervention von Seiten des Betriebes ist anzustreben. Professionelle Hilfe gibt es bei Glücksspielsüchtige-Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen, Psychosomatischen Fachkliniken und Suchtfachkliniken.
g_bu_252_as_13.jpgBesonderheiten bei pathologischem Glücksspiel
Hinweise für eine Gefährdung durch Glücksspiel können ähnlich sein, wie die allgemeinen Hinweise auf Suchtprobleme (siehe Box S. 10 Kennzeichen einer Abhängigkeit). Hier ist außerdem typisch:
  • Ausleihen von Geld

  • Bitte um Gehaltsvorschüsse

g_bu_252_as_27.jpgHinweis:
Pathologisches Glücksspiel ist in Deutschland als rehabilitationswürdige Krankheit anerkannt.

4.2.2
Pathologischer Internetgebrauch - Gefährdung durch neue Medien

Auch ein übermäßiger Internetgebrauch kann zu sozialen und gesundheitlichen Folgeschäden führen. Vor allem im Jugendalter kommt exzessiver Gebrauch häufiger vor, worunter Schul- und Ausbildungsleistungen leiden können.

Meistens reduziert sich die Faszination für dieses Medium nach einigen Jahren ohne Therapie. Interventionsbedarf besteht jedoch spätestens dann, wenn Schulerfolg oder Arbeitsplatz gefährdet sind.

In der neuen internationalen Klassifikation von Erkrankungen (ICD 11) wird der pathologische Internetgebrauch als Krankheitsbild aufgenommen.

Nach einer epidemiologischen Studie von Prof. Rumpf (2011) sind etwa 1 % der Deutschen "internetabhängig". 20) Da es zum Zeitpunkt der epidemiologischen Studie noch keine verbindlichen Kriterien gab, ab wann problematischer bzw. abhängiger Gebrauch vorliegt, sind diese Zahlen nur als Annäherungswerte zu verstehen.

Die Übergänge von häufigem Internetgebrauch hin zum süchtigen Konsum sind fließend. Vom pathologischen Internetgebrauch spricht man, wenn Betroffene ihren

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Onlinekonsum nicht mehr unter Kontrolle haben und gravierende Folgen aufgetreten sind. Die virtuelle Welt bekommt mehr Bedeutung als die oft bedrückend oder frustrierend erlebte Realität. Besonders gefährdet sind sozial ängstliche, unsichere oder depressive Menschen.

g_bu_252_as_13.jpgBesonderheiten des Pathologischen Internetgebrauchs/Gefährdung durch neue Medien
Hinweise für eine Gefährdung durch übermäßigen Internetgebrauch am Arbeitsplatz können ähnlich sein, wie die allgemeinen Hinweise auf Suchtprobleme (siehe Box S. 10 Kennzeichen einer Abhängigkeit).

Hier ist typisch:
  • Übermüdung

  • Nachlassen von Leistung und Engagement

Inzwischen existieren Beratungsstellen, Online-Portale und Psychosomatische Kliniken, die Therapien anbieten.

Banz, M. & Lang, P. (2017). Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland. Ergebnisse des Surveys 2017 und Trends. BZgA-Forschungsbericht. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).

DHS (2019). Jahrbuch Sucht 2019. Lengerich: Pabst Science Publisher.

Rumpf, H.-J. et al. (2011). Prävalenz der Internetabhängigkeit (PINTA). Bericht an das Bundesministerium für Gesundheit. Lübeck, Greifswald.