TRLV Lärm Teil 1 - TRLV Lärm Teil 1 Beurteilung der Gefährdung durch Lärm

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Anlage 2 TRLV Lärm Teil 1 - Hinweise zu tatsächlichen oder möglichen Gefährdungen von Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten durch Lärmeinwirkungen

(1) Schall ist die wellenförmige Ausbreitung von kleinsten Druck- und Dichteschwankungen in einem elastischen Medium. Sind in Luft diese Druckschwankungen dem statischen Druck überlagert, spricht man von Luftschall. Dieser kann vom menschlichen Ohr wahrgenommen werden, wenn die Amplitude der Druckschwankung etwa 20 µPa, d. h. einen Schalldruckpegel von 0 dB, überschreitet. Akut schmerzhaft werden Druckschwankungen, wenn sie 20 Pa bzw. einen momentanen Schalldruckpegel von 120 dB(A) überschreiten.

(2) Lärm am Arbeitsplatz gefährdet die Gesundheit und die Sicherheit der Beschäftigten. Hinsichtlich der Gesundheitsgefährdung wird zwischen auralen (auf das Ohr bezogenen) und extra-auralen (auf den menschlichen Körper mit Ausnahme des Ohres bezogenen) Wirkungen unterschieden, die sowohl reversibel als auch irreversibel sein können. Häufigste irreversible aurale Schädigung ist der Gehörschaden, der sich durch eine ausgeprägte bleibende Hörminderung mit eventuell zusätzlichen Beeinträchtigungen wie Tinnitus, Doppeltonhörigkeit oder Hyperakusis (erhöhte Geräuschempfindlichkeit) bemerkbar macht.

(3) Gehörschäden haben für die Betroffenen und ihr berufliches sowie privates Umfeld erhebliche soziale wie gesundheitliche Beeinträchtigungen und Benachteiligungen zur Folge. Dazu gehören eine dauerhaft verminderte Lebensqualität, eine zunehmende soziale Isolation aufgrund eingeschränkter Sprachkommunikation und entsprechende Folgeerkrankungen. Hinzu kommt die Einschränkung oder sogar der Ausschluss von bestimmten Arbeitsmöglichkeiten. Vermindertes Hörvermögen erhöht auch potenziell die Unfallgefährdung im Betrieb und hat damit direkt Einfluss auf die Sicherheit der Beschäftigten.

(4) Lärm kann auch extra-aurale, d. h. physiologische bzw. vegetative sowie psychische Wirkungen auf Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten haben:

  1. 1.

    Lärm wirkt auch auf das Zentralnervensystem und löst physiologische Reaktionen aus, die je nach Intensität, zeitlichem Verlauf und Frequenzzusammensetzung der Lärmexposition sowie individueller Disposition zu Lärm-Stress-Reaktionen führen können, z. B. zur

    • Verengung von Blutgefäßen,

    • Erhöhung des Blutdrucks,

    • Erhöhung der Herzfrequenz,

    • Verringerung des elektrischen Hautwiderstandes,

    • Erhöhung des Muskeltonus,

    • vermehrten Ausschüttung von Stresshormonen,

    • Verringerung der Magen- und Darmaktivität,

    • Gesichtsfeldeinschränkung oder zur

    • verzögerten Signalverarbeitung im Gehirn.

  2. 2.

    Lärm kann psychische Reaktionen auslösen, wie

    • Verärgerung,

    • Anspannung,

    • Resignation,

    • Angst oder

    • Nervosität.

Extra-aurale Lärmwirkungen können auch schon bei Tages-Lärmexpositionspegeln auftreten, die deutlich unterhalb von 80 dB(A) liegen. Für die extra-auralen Lärmwirkungen kann nicht von einem einfachen Dosis-Wirkungs-Zusammenhang ausgegangen werden, sodass der Tages-Lärmexpositionspegel für eine Beurteilung von extra-auralen Wirkungen nicht geeignet ist. Die Beurteilung der extra-auralen Lärmwirkung bei äquivalenten Dauerschallpegeln unterhalb von 80 dB(A) ist nicht Gegenstand der LärmVibrationsArbSchV.

(5) Durch Lärmeinwirkungen können Unfälle sowie arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren verursacht und die Arbeitsleistung beeinträchtigt werden. So können z. B.:

  • die Aufmerksamkeit und Konzentration herabgesetzt werden,

  • die Sprachkommunikation beeinträchtigt und damit Fehlentscheidungen aufgrund von Missverständnissen verursacht werden,

  • die Fehlerquote erhöht werden,

  • die Reaktionsleistung verringert werden,

  • die Risikobereitschaft erhöht oder

  • die Sicherheit bei manuellen Tätigkeiten vermindert werden.

(6) Neben den Gefährdungen von Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten kann dies zu erheblichen betriebswirtschaftlichen Kosten führen.

(7) Bei der Beurteilung des Lärms hinsichtlich der genannten extra-auralen Wirkungen können neben der Höhe des Schalldruckpegels der zeitliche Verlauf des Schalls und die Frequenzzusammensetzung eine Rolle spielen. Hinzu kommen Auffälligkeit, Ortsüblichkeit und Informationshaltigkeit des Schalls. So wirken z. B. hochfrequente Geräusche stärker leistungsmindernd als tieffrequente sowie tonale Geräusche besonders störend. Unregelmäßige und unerwartete Geräusche erschweren die Unterscheidung von wichtigen und unwichtigen Geräuschen und können Ursache für Unfälle oder Fehlhandlungen sein. Eine durch Lärm gestörte Spracherkennung kann belastend wirken wie auch zu Fehlentscheidungen führen.

(8) Zur Vermeidung dieser extra-auralen Lärmwirkungen sind Tätigkeiten, die eine hohe Konzentration und Aufmerksamkeit erfordern, hinsichtlich lärmmindernder Maßnahmen vorrangig zu behandeln. Tätigkeiten, die hierbei besonders zu beachten sind, sind z. B. komplexe Steuerungsaufgaben, das Überwachen komplizierter und mit hoher Verantwortung verbundener Vorgänge, Teach-in bei Maschinen und Robotern, sprachliche Einweisung von Kranführern, Führen von Baumaschinen sowie alle sonstigen Tätigkeiten, die eine sichere Kommunikation erfordern. Ebenfalls kann dies z. B. für die Bereiche Bildung, Erziehung und Sport zutreffen.

(9) Bei kognitiv fordernden Tätigkeiten können sich Präventionsmaßnahmen auch bereits deutlich unterhalb des unteren Auslösewertes für den Tages-Lärmexpositionspegel von 80 dB(A) als zweckmäßig oder notwendig erweisen, um Gefährdungen für Gesundheit und Sicherheit wie auch Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit zu vermeiden.