DGUV Information 206-026 - Psychische Belastung - der Schritt der Risikobeurteilung Fachinformation für die Prävention

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Abschnitt 3 - 3 Psychische Belastung ermitteln

Für die Ermittlung der psychischen Belastung gibt es generell drei Kategorien von Vorgehensweisen: die Beobachtung bzw. das Beobachtungsinterview, die standardisierte Mitarbeiterbefragung und den moderierten Analyseworkshop. Bei der Auswahl der Vorgehensweise kommt es auf die Rahmenbedingungen der Organisation an, welches Verfahren oder welche Kombination von Verfahren eingesetzt werden sollte, um möglichst umfassend die psychische Belastung zu ermitteln. Verbreitet ist beispielsweise das Zusammenspiel von standardisierter Mitarbeiterbefragung und Analyseworkshops. Grundsätzlich haben die Unternehmen hier freie Hand, es gibt keine vorgeschriebene Reihenfolge bei den möglichen Vorgehensweisen.

In Abbildung 2 sind die Verfahren sowie die Vorteile und die Nachteile der einzelnen Vorgehensweisen im Allgemeinen dargestellt.

Übersicht: Stärken und Grenzen der Vorgehensweisen im Überblick

VerfahrenVorgehenStärkenVoraussetzung/Grenzen
AnalyseworkshopsBeschäftigte beschreiben und beurteilen gemeinsam mit Führungskräften und fachkundigen Experten die psychische Belastung der Arbeit im betrachteten Bereich.
  • starke Bezugnahme auf Erfahrungen der betroffenen Beschäftigten und Führungskräfte

  • ermöglicht feinkörnige Beschreibungen konkreter Belastungssituationen

  • für festgestellte Problemlagen können im Workshop unmittelbar Gestaltungsempfehlungen erarbeitet werden

  • vertrauensvolle Atmosphäre und offene Gesprächskultur sind erforderlich

  • Verzerrungen durch Dynamiken der Gruppendiskussion möglich (zum Beispiel Dominanz von "Platzhirschen", vorrangige Thematisierung von "Hier-und-Jetzt"-Problemen)

  • fachkundige Moderation erforderlich, ggf. durch externe Moderatoren

BeobachtungsinterviewGeschulte Personen beurteilen die psychische Belastung auf Basis ihrer Beobachtungen der Tätigkeit, i.d.R. ergänzt um (Kurz-)Interviews mit den dort Beschäftigten.
  • Ermöglicht Erfassung der psychischen Belastung unabhängig vom Erleben des/der Beschäftigten

  • Ermöglicht je nach Verfahren feinkörnige Beschreibungen der Belastungssituation

  • Objektivierung von Analyseergebnissen durch Einsatz von Analyseteams

  • Schulung der Beobachter notwendig

  • Beobachtbarkeit der psychischen Belastung muss gegeben sein

  • Vergleichsweise hoher zeitlicher Aufwand, wenn sehr viele unterschiedliche Tätigkeiten/Bereiche betrachtet werden müssen

  • Je nach Verfahren sind ggf. weitergehende Problemspezifikationen und Feinanalysen zur Maßnahmenplanung erforderlich (z. B. in Workshops).

MitarbeiterbefragungBeschäftigte geben in standardisierten Fragebögen ihre Einschätzung zur Ausprägung der psychischen Belastung ihrer Arbeit an.
  • ermöglicht Einbeziehung aller Beschäftigten

  • ermöglicht Erfassung eines breiten Spektrums von Belastungsfaktoren

  • bei standardisierten Verfahren Vergleiche mit Referenzwerten möglich

  • eignet sich insbesondere für Überblick und Bestimmung von Problemschwerpunkten

  • Objektivierung der Befragungsergebnisse durch Befragung aller Beschäftigten

  • zur Sicherung der Anonymität Mindestgröße pro Auswertungseinheit erforderlich

  • sollten sich aus der Befragung Hinweise auf Gefährdungen ergeben, müssen diese für die Maßnahmenplanung in der Regel konkretisiert werden (z. B. im Workshop/Analyseteam oder durch Beobachtungs interviews)

  • hinreichende Beteiligung für aussagefähige Daten erforderlich

Abb. 2
Vorgehensweisen zur Erfassung psychischer Belastung (Quelle: Empfehlungen zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung, Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA), 2018, S.22.)

In den einzelnen Kategorien sind inzwischen eine Reihe von Instrumenten entwickelt worden 2). Es wird empfohlen, sich beim eigenen Unfallversicherungsträger über branchenspezifische Instrumente zu erkundigen.

Gemäß der DIN EN ISO 10075-1 versteht man unter "Psychische Belastung" die Gesamtheit von erfassbaren, äußeren Einflüssen, die auf Wahrnehmung, Denken, Fühlen und Verhalten einwirken. Dies ist für die konkrete Ermittlung zu global. Mit Hilfe der genannten Erhebungsverfahren werden gezielt einzelne psychische Faktoren wie "Arbeitsmenge", "Aufgabenwechsel" oder "Führungsstil" und deren Ausprägung erfasst. Damit eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung inhaltlich vollständig ist, müssen die wesentlichen psychischen Faktoren aus fünf verschiedenen Merkmalsbereichen betrachtet werden. Die Merkmalsbereiche gemäß GDA sind:

  • Arbeitsinhalt/Arbeitsaufgabe

  • Arbeitsorganisation

  • Soziale Beziehungen

  • Arbeitsumgebung

  • Neue Arbeitsformen

Als fünf Schlüsselfaktoren, die branchen- und tätigkeitsübergreifend relevant sind und in der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung immer berücksichtigt werden müssen, definiert die GDA folgende:

  • Arbeitsintensität

  • Arbeitszeit

  • Handlungsspielraum

  • soziale Beziehungen, insbesondere zu Vorgesetzten

  • Arbeitsumgebungsbedingungen, insbesondere die Belastung durch Lärm

Diese Schlüsselfaktoren haben sich nach Sichtung der wissenschaftlichen Forschung unter anderem in dem Projekt "Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt" der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin heraus kristallisiert (BAuA, 2017).

In Abbildung 3 ist die Zuordnung der Schlüsselfaktoren (in fett) und weiteren psychischen Faktoren nach GDA zu den Merkmalsbereichen dargestellt.

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Abb. 3
Merkmalsbereiche psychischer Belastung und wesentliche psychische Faktoren gemäß GDA-Empfehlungen.

Eine Zusammenstellung von Instrumenten findet man in der Ausgabe 04.2017 von "sicher ist sicher"; Porträts exemplarisch ausgewählter Analyseinstrumente in "Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung" der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2014