DGUV Regel 102-602 - Branche Kindertageseinrichtung

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Abschnitt 3.1 - 3.1 Kinder bringen und abholen

Wenn Kinder in einer Kindertageseinrichtung eintreffen oder von dieser abgeholt werden, passiert vieles gleichzeitig: Einige Kinder müssen beaufsichtigt werden, andere kommen gerade an oder verabschieden sich. Parallel entstehen kurze Übergabe- oder Abschiedsgespräche. Eine angenehme Atmosphäre, Übergaberituale und klare Regeln können dafür sorgen, dass der Tag in der Kindertageseinrichtung für alle entspannt beginnt und endet. Ein sicherer, funktionell und freundlich gestalteter Eingangsbereich mit ergonomischen Garderoben unterstützt dieses Anliegen.

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Abb. 1
Ein guter Anfang: Regeln und Rituale können die Übergabe der Kinder entlastend gestalten

ccc_3684_01.jpgRechtliche Grundlagen
Es sind nur die Gesetze, Verordnungen, Vorschriften und Regeln aufgeführt, die den nachfolgenden Ausführungen zugrunde liegen. Zu diesem Thema gibt es weitere rechtliche Grundlagen.
  • Anhang zu § 3 Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV)

  • § 50 Musterbauordnung (MBO)

  • §§ 5-16, 23, 27 DGUV Vorschrift 82 "Kindertageseinrichtungen" (bisher GUV-V S 2)

  • Technische Regeln für Arbeitsstätten (ASR)

    • ASR A1.5/1,2 "Fußböden"

    • ASR A1.6 "Fenster, Oberlichter, lichtdurchlässige Wände"

    • ASR A1.7 "Türen und Tore"

    • ASR A1.8 "Verkehrswege"

    • ASR A2.2 "Maßnahmen gegen Brände"

    • ASR A2.3 "Fluchtwege und Notausgänge, Flucht- und Rettungsplan"

    • ASR A3.4 "Beleuchtung"

    • ASR A3.5 "Raumtemperatur"

    • ASR A3.7 "Lärm"

ccc_3684_02.jpgWeitere Informationen
Es sind nur die Informationen aufgeführt, die den nachfolgenden Ausführungen zugrunde liegen. Zu diesem Thema gibt es weitere Veröffentlichungen.
  • DGUV Information 202-087 "Mehr Sicherheit bei Glasbruch" (bisher GUV-SI 8027)

  • DGUV Information 202-093 "Die Jüngsten in Kindertageseinrichtungen sicher bilden und betreuen"

  • DGUV Information 208-005 "Treppen" (bisher BGI/GUV-I 561)

  • DGUV Information 208-007 "Roste - Auswahl und Betrieb" (bisher BGI/GUV-I 588-1)

  • DGUV Information 208-014 "Glastüren, Glaswände" (bisher BGI/GUV-I 669)

  • DGUV Information 208-022 "Türen und Tore" (bisher BGI 861-1)

  • DGUV Information 215-111 "Barrierefreie Arbeitsgestaltung Teil 1: Grundlagen"

  • DGUV Information 215-112 "Barrierefreie Arbeitsgestaltung Teil 2: Grundsätzliche Anforderungen"

  • DIN EN 12464-2:2014-05 "Licht und Beleuchtung - Beleuchtung von Arbeitsstätten - Teil 2: Arbeitsplätze im Freien"

  • DIN EN 16005:2013-01 "Kraftbetätigte Türen - Nutzungssicherheit - Anforderungen und Prüfverfahren"

  • DIN 18040-1:2010-10 "Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen, Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude"

  • DIN 18040-3:2014-12 "Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlangen, Teil 3: Öffentlicher Verkehrs- und Freiraum"

  • DIN 18041:2016-03 "Hörsamkeit in Räumen - Anforderungen, Empfehlungen und Hinweise für die Planung"

ccc_3684_33.jpgGefährdungen

Die Sicherheit und Gesundheit der Kinder können unter anderem durch folgende Mängel und Faktoren gefährdet werden:

  • Eingeengte Verkehrswege

  • Kein barrierefreier Zugang

  • Unebene Böden

  • Nasse, vereiste und verschmutzte Böden und Zuwege

  • Lärm

  • Mehrfache, gleichzeitige Anforderungen

  • Klemmstellen an Türen

  • Fehlende ergonomische Arbeitsmittel

  • Unerlaubtes Betreten durch Betriebsfremde

  • Unerlaubtes Verlassen des Geländes durch die Kinder

  • Hineinlaufen in den fließenden Verkehr

  • Unklare Übergaberituale

  • Unvorhergesehene Umstände beim Verlassen der Kindertageseinrichtung, zum Beispiel Unwetter

  • Unzureichendes Regelbewusstsein

ccc_3684_34.jpgMaßnahmen

Indem Sie die Abläufe der Übergaben nach klaren Regeln organisieren, tragen Sie entscheidend zur Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten, Kinder und Eltern bei. Auch die Gestaltung des Eingangs- und des Garderobenbereiches hat einen großen Einfluss.

Zu- und Ausgänge sicher gestalten

  • Schutz vor fließendem Verkehr

    Sorgen Sie dafür, dass es eine Abgrenzung zwischen dem Eingang und der Straße gibt, sodass Kinder nicht in den fließenden Verkehr laufen können.

ccc_3684_31.jpg Setzen Sie sich für eine Geschwindigkeitsbegrenzung und eine geeignete Parkordnung vor Ihren Kindertageseinrichtungen ein.

  • Zuwege sicher gestalten

    Stellen Sie im Rahmen Ihrer Verkehrssicherungspflicht sicher, dass

    • die Zuwege zur Einrichtung sowie die Flucht- und Rettungswege sicher begangen werden können,

    • mögliche Absturzstellen mit Umwehrungen versehen sind,

    • Ein- und Ausgänge sowie die dorthin führenden Verkehrswege ausreichend beleuchtet sind (siehe DIN EN 12464-2),

    • im Winter Schnee und Eis beseitigt werden.

  • Verschmutzung vermeiden

    Um zu verhindern, dass Schmutz und Feuchtigkeit in eine Kindertageseinrichtung getragen werden und es dadurch rutschig wird, sollten Sie Sauberlaufzonen vorsehen. Dazu eignen sich Schmutz- und Feuchtigkeitsaufnehmer, die über die gesamte Durchgangsbreite und in einer Länge von mindestens 1,5 m verlegt werden. Wählen Sie das Material anhand des zu erwartenden Personenverkehrs aus und sorgen Sie für regelmäßige Reinigung. Wichtig ist, dass die Aufnehmer weder verrutschen können noch zu Stolperfallen werden.

  • Vor fremden Personen schützen

    Verhindern Sie, dass fremde Personen Ihre Einrichtungen unerlaubt betreten. Dazu ist es erforderlich, die Eingangstüren zu sichern. Bewährt haben sich Mechanismen, die mit einem Code zu öffnen sind, der den Eltern mitgeteilt wird. Falls Klingeln benutzt werden, ist sicherzustellen, dass das Läuten immer von mindestens einer Person in der Kindertageseinrichtung gehört wird.

  • Unerlaubtes Verlassen verhindern

    Kindern darf es nicht möglich sein, Türen und Tore, die in den öffentlichen Verkehrsraum führen, zu öffnen und die Einrichtung unbemerkt zu verlassen. Stellen Sie dies sicher, beispielsweise durch

    • Türgriffe außerhalb der Reichweite der Kinder,

    • Panikschlösser nach dem Türwächterprinzip mit Signalgeber,

    • eine elektrische Verriegelung, die von Kindern nicht selbst betätigt werden kann und im Gefahrfall (zum Beispiel bei Ausfall der elektrischen Energie) ohne weitere Hilfsmittel das Öffnen ermöglicht.

Eingangstüren sicher gestalten

Gerade an Eingangstüren kommt es an den Nebenschließkanten zu Verletzungen durch Quetschen und Einklemmen. Wo Quetsch- und Scherstellen vorhanden sind, müssen Sie Klemmschutz anbringen lassen. Hierfür eignen sich zum Beispiel entsprechende Türkonstruktionen, Schutzprofile und Schutzrollos.

Weitere Schutzmaßnahmen:

  • Schwere Türen brauchen einen Mechanismus, der das Schließen der Tür abbremst. Ansonsten können Kinderfinger an der Hauptschließkante schwer verletzt werden.

  • Machen Sie große Glasflächen sichtbar.

  • Stellen Sie sicher, dass erwachsene Personen Türen, die sich im Verlauf eines Fluchtweges befinden, im Gefahrenfall leicht und ohne Hilfsmittel öffnen können.

Abstellflächen für Kinderwagen und Fahrräder anbieten

Kinderwagen, Roller oder Fahrräder dürfen nicht die Verkehrs- und Fluchtwege vor und in Ihren Kindertageseinrichtungen verstellen. Es ist deshalb empfehlenswert, geschützte und sicher gestaltete Fahrradständer sowie ausreichend große Stellflächen für Kinderwagen anzubieten.

ccc_3684_31.jpg Finden Sie im Gebäude selbst keinen Platz? Dann lässt sich vielleicht vor dem Eingang eine überdachte Fläche schaffen.

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Abb. 2
Mit einfachen Mitteln: Ein geschützter Abstellplatz

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Abb.3
Ein Hinweisschild hilft Ordnung für Kinderwagen und Fahrräder herzustellen sowie die Verkehrswege freizuhalten

Eingangsbereich gestalten

Beachten Sie für einen sicheren Aufenthalt im Eingangsbereich:

  • Rutschhemmender Bodenbelag (mindestens Bewertungsgruppe R 9), frei von Stolperstellen und gut zu reinigen

  • Gute Ausleuchtung (siehe ASR A3.4)

  • Keine brennbaren Materialien im gesamten Eingangs- und Flurbereich

  • Freie Verkehrs- und Fluchtwege

Nicht zuletzt hat eine gute Raumakustik, die sich durch geringe Nachhallzeiten auszeichnet, großen Einfluss auf die Atmosphäre. Ein geringer Lärmpegel erleichtert die Kommunikation im Eingangsbereich und beugt psychischen Fehlbelastungen vor. Erreichen können Sie dies beispielsweise durch ausreichend große Schallabsorptionsflächen.

Orientierungshilfen geben

Geben Sie Orientierung: Wer den Eingangsbereich betritt, sollte schnell aktuelle Informationen erfassen können und leicht die Wege durch die Einrichtung finden. Zudem ist es notwendig, Flucht- und Rettungswege gut sichtbar zu kennzeichnen. Sie sollten bei größeren, insbesondere mehrgeschossigen Gebäuden an geeigneten Stellen zusätzliche Flucht- und Rettungswegepläne aufhängen, die im Gefahrfall zusätzlich Orientierung geben.

Rezeption einrichten

Eine Rezeption kann helfen, die "publikumsintensiven" Bring- und Abholphasen zu entzerren. Dort werden alle Aufgaben gebündelt, die mit dem Bringen und Abholen der Kinder verbunden sind wie

  • Ein- und Austragen der Kinder in den Gruppentagebüchern,

  • Verteilen von Elternbriefen und Infoblättern,

  • Einsammeln von Getränke- und Bastelgeld,

  • Terminabsprachen mit Eltern,

  • Betreten von unbefugten Personen verhindern.

ccc_3684_31.jpg Ideal ist es, den Eingangsbereich mit einem mobilen Tresen auszustatten. Planen Sie dafür ausreichend Platz zum Verweilen ein - ohne Rettungs- und Fluchtwege zu versperren.

Garderobenbereich gestalten

Eine ausreichend große Garderobe vermeidet Unordnung und Stress beim Aus- und Ankleiden der Kinder. Planen Sie Platz für kleine Bänke oder Hocker sowie höhenverstellbare Stühle ein, damit Erwachsene Kindern rückenschonend helfen können.

Für die Kleidung, Schuhe und kleinere Beutel der Kinder sollte ausreichend Stauraum in Schränken oder Regalen vorhanden sein. Dabei sind sowohl dicke Winterjacken als auch Regensachen und Wechselwäsche einzuplanen. Empfehlenswert sind zudem Haken für Fahrradhelme. Achten Sie darauf, dass Garderobenhaken nach innen zeigen oder geeignet abgeschirmt sind.

Ebenfalls hat sich ein Garderobenbereich für das pädagogische Personal in der Nähe der Kindergarderobe bewährt. Dadurch können lange Wege und Aufsichtslücken vermieden werden.

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Abb.4
Ein Anziehpodest kann die Belastungen für die Fachkräfte beim Ankleiden der Kinder merklich reduzieren.

Regeln festlegen

Verhaltens- und Organisationsregeln vermeiden für alle Beteiligten Stress in den Bring- und Abholzeiten. Verschriftlichen Sie die Regeln in einer Hausordnung, die für alle verbindlich ist. Mögliche Regeln können sein:

  • Persönliche Übergabe des Kindes an die zuständige Fachkraft beziehungsweise an die Eltern oder andere berechtigte Personen

  • Feste Zeiten für die Bring- und Abholphase

  • Kurze Übergabegespräche in den Bring- und Abholphasen möglich, ausführliche Elterngespräche nach Terminvereinbarung

  • Führen eines Elternheftes, in dem Eltern tagesaktuelle wichtige Informationen eintragen können

Verabschiedung des Kindes regeln

Darüber, wer ein Kind abholen darf oder ob es allein nach Hause gehen kann, sind klare Vereinbarungen mit den Eltern oder Personensorgeberechtigten zu treffen. Auch für den Fall, dass ein Kind nicht in die Obhut der Erziehungsberechtigten oder einer bekannten Person gegeben werden kann, muss es Vereinbarungen geben. Stellen Sie auch sicher, dass Ihr Personal Kinder nicht allein nach Hause gehen lässt, wenn unvorhergesehene Umstände wie Unwetter oder geänderte Straßenverhältnisse eintreten. In solchen Fällen ist die Betreuung sicherzustellen und die Eltern sind zu informieren.

ccc_3684_29.jpg Immer wieder kann es vorkommen, dass Kinder nicht rechtzeitig abgeholt werden. Dann endet die Aufsichtspflicht der Kindertageseinrichtung nicht mit der Betreuungszeit. Vielmehr müssen Sie eine Beaufsichtigung des Kindes weiterhin sicherstellen. Als Träger der Kindertageseinrichtung sollten Sie Ihr Personal informieren, dass seine Aufsichtspflicht erst mit Übergabe des Kindes an die Eltern oder andere berechtigte Personen endet.