DGUV Regel 102-602 - Branche Kindertageseinrichtung

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Abschnitt 2.2 - 2.2 Was für die Branche gilt

Kindertageseinrichtungen sind besondere Dienstleistungsorganisationen: Zu den Mitgliedern gehören nicht nur erwachsene Beschäftigte, sondern auch Kinder. Letztere befinden sich in einer sensiblen Phase ihrer Entwicklung - auch in Bezug auf ihr Sicherheits- und Gesundheitsverhalten. In der frühen Kindheit erwerben sie elementare Voraussetzungen, um kompetent mit Risiken und Gefahren umzugehen, ihre Gesundheit zu erhalten und zu stärken. Deshalb sind in Kindertageseinrichtungen besondere präventive und gesundheitsförderliche Maßnahmen erforderlich.

ccc_3684_01.jpgRechtliche Grundlagen
Es sind nur die Gesetze, Verordnungen, Vorschriften und Regeln aufgeführt, die den nachfolgenden Ausführungen zugrunde liegen. Zu diesem Thema gibt es weitere rechtliche Grundlagen.
  • Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

  • Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK)

  • Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz - MuSchG)

  • Infektionsschutzgesetz (IfSG)

  • DGUV Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention"

  • DGUV Vorschrift 82 "Kindertageseinrichtungen" (bisher GUV-V S 2)

ccc_3684_02.jpgWeitere Informationen
Es sind nur die Informationen aufgeführt, die den nachfolgenden Ausführungen zugrunde liegen. Zu diesem Thema gibt es weitere Veröffentlichungen.
  • DGUV Information 202-092 "Medikamentengabe in Kindertageseinrichtungen"

  • DGUV Information 202-099 "Inklusion in Kindertageseinrichtungen"

  • DIN 18040-1:2010-10 "Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen, Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude"

  • Muster- und Rahmenhygienepläne in den Ländern 2)

  • www.sichere-kita.de

    (Internetprotal der Unfallkasse NRW)

ccc_3684_07.jpgBeurteilung der Arbeitsbedingungen und Dokumentation (Gefährdungsbeurteilung)

Gefährdungen in Ihren Einrichtungen bedrohen die Sicherheit und Gesundheit sowohl der Beschäftigten als auch der Kinder. Sie stehen darüber hinaus in engem Zusammenhang mit der Qualität der Einrichtungen: Gefährdungen können sowohl Ursache als auch Folge von Mängeln der internen Strukturen und Prozesse sowie des pädagogischen Konzeptes einer Einrichtung sein.

Eine Besonderheit der Gefährdungsbeurteilung in Kindertageseinrichtungen ist, dass Sie diese ebenso für die dort tätigen Erwachsenen als auch für die betreuten Kinder durchführen müssen. Berücksichtigen Sie dabei, dass aus Tätigkeiten und Situationen für Kinder und Erwachsene unterschiedliche Gefährdungen resultieren können. So macht es beispielweise einen Unterschied, ob Kinder oder Fachkräfte ein technisches Gerät verwenden. Beurteilen Sie deshalb Gefährdungen zum einen tätigkeitsbezogen, zum anderen mit Blick auf die jeweilige Zielgruppe (siehe auch Kapitel 2.1 "Was für alle gilt").

Zielgruppenspezifisch muss auch die Unterweisung sein. Das bedeutet, dass sie für die Kinder kindgemäß aufbereitet und durchgeführt werden muss.

ccc_3684_13.jpgBrandschutz- und Notfallmaßnahmen

In Kindertageseinrichtungen ist die Bestellung einer Brandschutzhelferin beziehungsweise eines Brandschutzhelfers pro Kindergruppe sinnvoll. Zudem wird die Bestellung einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters des Einrichtungsträgers zum Brandschutzbeauftragten empfohlen.

Sie als Einrichtungsträger haben Ihre Beschäftigten, zum Beispiel mithilfe der Brandschutzordnung, über die notwendigen Maßnahmen gegen Entstehungsbrände einschließlich der Verhaltensregeln im Brandfall (wie die Evakuierung des Gebäudes) zu unterweisen. Dies muss erfolgen

  • vor Aufnahme der Beschäftigung,

  • bei Veränderung des Tätigkeitsbereiches und

  • danach in angemessenen Zeitabständen, mindestens jedoch einmal jährlich

(siehe auch Kapitel 2.1 "Was für alle gilt").

ccc_3684_19.jpgFörderung von Sicherheit und Gesundheit

Nicht nur der Erhalt und der Schutz von Sicherheit und Gesundheit aller Menschen in den Kindertageseinrichtungen sind zentrale Aufgaben der Leitung, sondern auch ihre Förderung:

  • Für Kinder in den Einrichtungen sind die Maßnahmen zur Förderung einer gesunden Entwicklung auf Grundlage des § 22 Abs. 3 SGB VIII verbindlich geregelt.

  • Für die Beschäftigten können gesundheitsförderliche Maßnahmen aufgrund von landesrechtlichen Regelungen verpflichtend sein. Spezielle Maßnahmen können sich auch aufgrund der Gefährdungsbeurteilung ergeben.

Unabhängig von verbindlich geregelten Maßnahmen: Ein gesundes und sicheres Miteinander liegt im Interesse aller Beteiligten und sollte selbstverständlich zu Ihren Zielen als Einrichtungsträger zählen.

ccc_3684_23.jpgMutterschutz

Besondere Vorkehrungen sind zum Schutz von werdenden und stillenden Müttern zu treffen. Sind Schwangere unter den Beschäftigten, ist dies der staatlichen Arbeitsschutzbehörde zu melden. Aus einer Gefährdungsbeurteilung muss hervorgehen, ob an dem Arbeitsplatz der schwangeren Frau besondere Schutzmaßnahmen für sie oder das ungeborene Kind zu treffen sind. Gegebenenfalls können Sie die Arbeitsbedingungen oder -zeiten verändern oder eine andere Tätigkeit anbieten. Ist dies nicht möglich oder nicht zumutbar, dürfen werdende oder stillende Mütter so lange nicht beschäftigt werden, wie dies zum Schutz ihrer Sicherheit und Gesundheit und der des ungeborenen Kindes erforderlich ist.

ccc_3684_24.jpgHygiene

Wenn Sie Kindertageseinrichtungen betreiben, sind Sie für deren hygienische Verhältnisse verantwortlich. Das Personal der Einrichtung ist verpflichtet, mitzuwirken. Stellen Sie deshalb sicher, dass die Beschäftigten dazu unterwiesen werden - und zwar bevor sie ihre Tätigkeit aufnehmen und dann mindestens alle zwei Jahre. Zugleich sollten die Kinder lernen, sich hygienisch zu verhalten, zum Beispiel Hände zu waschen und Zähne zu putzen.

Fassen Sie alle Hygienemaßnahmen für die Einrichtung in einem Hygieneplan zusammen. Berücksichtigen Sie dabei bauliche, funktionelle und organisatorische Gegebenheiten. Nutzen Sie die Fachkompetenz Ihrer Betriebsärztin oder Ihres Betriebsarztes.

So gehen Sie vor:

  • Infektionsgefahren analysieren

  • Risiken bewerten

  • Maßnahmen zur Risikominimierung festlegen

  • Dokumentations- und Schulungsmaßnahmen festlegen

  • Maßnahmen regelmäßig überprüfen

Standardisieren und verschriftlichen Sie in den Hygieneplänen die innerbetrieblichen Verfahrensweisen zur Infektionshygiene in den jeweiligen Bereichen. Legen Sie zudem ein Verfahren fest, wie in Ihren Einrichtungen mit Kinderkrankheiten umgegangen werden soll.

ccc_3684_25.jpgMedikamentengabe

Zur Personensorge kann gehören, Kindern mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen Medikamente zu verabreichen, beispielsweise wenn diese an Diabetes oder Allergien leiden. Voraussetzung dafür ist aber, dass solche Aufgaben schriftlich von den Eltern beziehungsweise sorgeberechtigten Personen des Kindes auf Ihre Kindertagesinrichtung übertragen werden.

Es ist zudem eine schriftliche Anordnung des behandelnden Arztes oder der behandelnden Ärztin erforderlich; ferner ist eine Unterweisung der pädagogischen Fachkraft, die die Medikamentengabe freiwillig übernimmt, notwendig.

ccc_3684_26.jpgAufsicht

Zu Ihrer Verantwortung zählt, die Aufsicht der in Ihren Einrichtungen betreuten Kinder sicherzustellen, damit niemand zu Schaden kommt. Demzufolge müssen Sie sicherstellen, dass während der gesamten Öffnungszeit eine ausreichende Anzahl an pädagogischen Fachkräften anwesend ist, um Aufsicht zu führen. Zur Aufsicht können Sie in Ausnahmefällen neben dem pädagogischen Personal auch andere Personen beauftragen. Voraussetzung ist, dass die ausgewählten Personen diese Aufgaben bewältigen können und vom Fachpersonal kontrolliert werden. Diese Personen müssen Sie hinsichtlich der Eignung für die Aufsicht sorgfältig auswählen, über Besonderheiten der Kinder sowie Problemlagen aufklären und entsprechend anleiten. Besondere Aufmerksamkeit kommt bei der Ausübung der Sorgfaltspflicht dem individuellen Entwicklungsstand der Kinder zu. Die Aufsichtsführenden dürfen außerdem nicht überfordert werden, zum Beispiel durch zu wenig Personal oder eine zu große Gruppe (siehe auch Anhang 4.2).

ccc_3684_27.jpgInklusion

In Ihren Einrichtungen sollen Menschen unabhängig von individuellen Fähigkeiten und sozialer oder kultureller Zugehörigkeit arbeiten und lernen. Zu Ihren Aufgaben als Träger einer Kindertageseinrichtung gehört es, dafür die Bedingungen zu schaffen. Für die Betreuung von Kindern mit erhöhten Teilhabe- und Förderbedarf berücksichtigen Sie die einschlägigen Rechtsvorgaben und landesspezifischen Regelungen.

Eine inklusive Frühpädagogik erfordert eine Veränderung der Einrichtungen, insbesondere eine entsprechende pädagogische Konzeption samt multiprofessionellen Teams.

Darüber hinaus erfordert Inklusion auch eine barrierefreie Gestaltung. Werden Grundsätze des barrierefreien Bauens, aus der DIN 18040-1 "Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen - Teil 1: Öffentliche zugängliche Gebäude", bereits bei der Planung Ihrer Einrichtungen berücksichtigt, können vorausschauende Lösungen die Kosten für nachträgliche Anpassung und aufwendige Umbauten verringern oder vermeiden. Dies macht es zum Beispiel erforderlich, dass

  • über einen barrierefreien Zugang alle Menschen Ihre Einrichtungen sicher betreten und verlassen können.

  • Stufen grundsätzlich vermieden werden sollten. Ist dies nicht möglich, müssen Sie diese nach den Vorgaben für Treppen (siehe ASR A1.8) gestalten und beidseitig Handläufe anbringen. Zusätzlich ist eine Rampe mit einer maximalen Neigung von 6 Prozent erforderlich.

  • Informationen, aber auch Gegenstände gut und schnell erkennbar sein müssen, zum Beispiel durch eine kontrastreiche Gestaltung.

  • Gebäudeeingangstüren automatisch zu öffnen sind und mit ausreichender Zeitverzögerung schließen sollten.

  • die Anforderungen der ASR A3.2 "Barrierefreie Gestaltung von Arbeitsstätten" zu beachten sind, wenn Sie Menschen mit Behinderungen in Ihren Einrichtungen beschäftigen.

Ebenfalls sollten die folgenden drei Prinzipien Berücksichtigung finden:

  • Damit ein Gebäude beziehungsweise die Arbeitsstätte mit ihrem Inventar eine größtmögliche Nutzung erfahren kann, sind alle baulichen Einrichtungen und Elemente nach dem Gestaltungsprinzip der Berücksichtigung der Gruppe mit den weitestreichenden Anforderungen auszuwählen.

  • Zwei-Kanal-Prinzip: Bei der eigentlichen Nutzung eines Produktes wird eine geringe beziehungsweise nicht vorhandene Fähigkeit durch eine alternative Fähigkeit ersetzt, zum Beispiel bei der Überwindung von Höhenunterschieden muss alternativ zum Treppensteigen auch eine Rampe beziehungsweise ein Aufzug vorgehalten werden.

  • Zwei-Sinne-Prinzip: Bei der Gestaltung von Gebäuden, Einrichtungen und Informationssystemen müssen mindestens zwei der drei Sinne "Hören, Sehen und Tasten" angesprochen werden

(siehe auch Kapitel 2.1 "Was für alle gilt").

ccc_3684_28.jpgVorbildfunktion

Kinder ahmen nach, was sie sehen. Deshalb sorgt das Verhalten der pädagogischen Fachkräfte nicht nur unmittelbar für Sicherheit und Gesundheit in einer Kindertageseinrichtung, sondern auch mittelbar.

Durch ihre Verhaltensweisen beeinflusst das pädagogische Personal in einem hohen Maße das präventive Verhalten der Kinder und ihre Aneignung von gesundheitsförderlichen und präventionsrelevanten Kompetenzen. Durch das Vorleben des pädagogischen Personals von sicherheits- und gesundheitsgerechten Verhaltensweisen lernen Kinder ein solches Verhalten sowie entsprechende Einstellungen und Gefühle - mehr noch als durch gezielte Erziehungsmaßnahmen oder wortreiche Erklärungen. Achten Sie deshalb darauf, dass sich das Personal in Ihrer Einrichtung sicherheits- und gesundheitsbewusst verhält.

Vorrausetzungen für Vorbild- und Modelllernen sind:

  • eine gefühlsmäßige Beziehung des Kindes zum pädagogischen Personal,

  • die Nachvollziehbarkeit des vorbildlichen Verhaltens für das Kind und

  • die Bestärkung des am Vorbild erlernten Verhaltens in der weiteren Betreuung und Erziehung.

ccc_3684_29.jpgRisikokompetenz

Sich sicher zu verhalten, heißt auch mit Risiken umgehen können. Kinder sollten deshalb frühzeitig lernen, Risiken zu erkennen, abzuschätzen und mit Gewinn zu bewältigen. Das Zulassen von Risiken und Wagnissen gehört ebenso zu einer kindgerechten Sicherheitsförderung wie das Reglementieren und Verbieten.

Die Herausforderung für Kindertageseinrichtungen liegt darin, Wagnisse und Risiken anzubieten, die Kinder grundsätzlich mit Hilfe ihrer Kompetenzen bewältigen können. Die Einbeziehung von Risiken und Wagnissen, zum Beispiel im Rahmen der Bewegungsförderung, darf aber nicht bedeuten, Verletzungen des Kindes billigend in Kauf zu nehmen. Auch bei der Aneignung von Risikokompetenz gilt der pädagogische Grundsatz, die Sicherheit der Kinder zu wahren. Gefordert sind eine kindgerechte Beschäftigung mit Wagnissen und Risiken sowie Herausforderungen, die auch dann nach Möglichkeit nicht zu Verletzungen führen, wenn sie nicht bewältigt werden.

ccc_3684_30.jpgKindertageseinrichtungen planen und bauen

Planen und bauen Sie eine Kindertageseinrichtung? Oder gehen Sie in einer bestehenden Einrichtung bauliche Veränderungen oder neue Ausstattung an? Dann achten Sie darauf, die gesetzlichen Bestimmungen und den Stand der Technik einzuhalten. Dies gilt sowohl hinsichtlich der zu betreuenden Kinder als auch der Beschäftigten. Wenn Sie Fremdfirmen mit diesen Aufgaben betrauen, nehmen Sie diese Vorgaben in deren Pflichtenheft auf. Gegebenenfalls lassen Sie sich von Ihrem zuständigen Unfallversicherungsträger beraten (siehe auch Kapitel 2.1 "Was für alle gilt").

Siehe Anhang 4.5