DGUV Regel 102-602 - Branche Kindertageseinrichtung

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Abschnitt 3.11 - 3.11 Umgang mit Unfällen und Notfällen

Während insbesondere kleinere Unfälle zum Alltag in Kindertageseinrichtungen gehören, sind Notfälle glücklicherweise die Ausnahme. Dazu zählen zum Beispiel Gewalttaten und -androhungen sowie mögliche Kindeswohlgefährdungen. Solche Ereignisse können zu erhöhten psychischen Fehlbeanspruchungen, zum Beispiel Erschöpfung oder posttraumatische Belastungsstörung, von Beteiligten führen. Zugleich ist das pädagogische Personal gefordert, Ruhe zu bewahren, die Ernsthaftigkeit der Situation einzuschätzen und entsprechend kompetent zu handeln.

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Abb. 40
Eine große Herausforderung: Bei schweren Unfällen und bei Notfällen müssen Ihre Beschäftigten kompetent handeln.

ccc_3684_01.jpgRechtliche Grundlagen
Es sind nur die Gesetze, Verordnungen, Vorschriften und Regeln aufgeführt, die den nachfolgenden Ausführungen zugrunde liegen. Zu diesem Thema gibt es weitere rechtliche Grundlagen.
ccc_3684_02.jpgWeitere Informationen
Es sind nur die Informationen aufgeführt, die den nachfolgenden Ausführungen zugrunde liegen. Zu diesem Thema gibt es weitere Veröffentlichungen.
  • DGUV Information 202-089 "Erste Hilfe in Kindertageseinrichtungen" (bisher GUV-SI 8066)

  • DGUV Information 202-092 "Medikamentengabe in Kindertageseinrichtungen"

  • DGUV Information 204-008 "Handbuch zur Ersten Hilfe in Bildungs- und Betreuungseinrichtungen für Kinder" (bisher BGI/GUV-I 5146)

  • DGUV Information 204-020 "Verbandbuch" (bisher BGI/GUV-I 511-1)

  • DGUV Information 204-021 "Dokumentation der Erste-Hilfe-Leistung (Meldeblock)" (bisher BGI/GUV-I 511-3)

  • DGUV Information 206-002 "Wenn die Seele streikt" (bisher BGI 5046)

  • DGUV Grundsatz 306-001 "Traumatische Ereignisse - Prävention und Rehabilitation"

  • DIN 13157:2009-11 "Erste-Hilfe-Material - Verbandkasten C"

ccc_3684_33.jpgGefährdungen

Faktoren für die Gefährdungen der Kinder und des Personals in Notfall- und Unfallsituationen sind insbesondere unzureichende

  • Erste-Hilfe- und Notfallorganisation

  • Information

  • Qualifikation

  • Aufsicht

sowie eine Überlastung der Helfenden und nicht ausreichender Eigenschutz.

ccc_3684_34.jpgMaßnahmen

Einrichtungsspezifische Maßnahmen organisieren

Es liegt in Ihrer Verantwortung, für eine krisenfeste Organisation der Ersten Hilfe und der Notfallhilfe zu sorgen. Am besten verschriftlichen Sie die Organisation in einrichtungsspezifischen Leitfäden. Dazu gehört zum Beispiel:

  • Ersthelfer und Ersthelferinnen benennen sowie Aus- und Fortbildung organisieren

  • Ansprechperson für Kinderschutz benennen und qualifizieren

  • Unterweisung der Beschäftigten

  • Ansprechpersonen festlegen

  • Ablauf der Maßnahmen festlegen

  • Erste-Hilfe-Materialien auf Vollständigkeit prüfen und beschaffen

  • Absprachen und Vereinbarungen mit den Eltern, zum Beispiel bei Medikamentengabe oder Allergien (etwa gegen Lebensmittel, Bienen/Wespen)

  • Festlegung, wie Kinder zur ärztlichen Praxis oder ins Krankenhaus gebracht werden

  • Information von Eltern, Einrichtungsleitung und Einrichtungsträger

  • Umgang mit Eltern in Konfliktsituationen

  • Aufsicht der "verbleibenden" Kinder

  • Maßnahmen im Fall einer Evakuierung

  • Sicherung von Unfall- oder Gefahrenstellen

  • Sammelstelle festlegen

  • Mögliche Notfallunterkunft organisieren, wenn Gelände sofort verlassen werden muss

  • Dokumentation der Notfälle und Unfälle

  • Umgang mit Medien und Presse

Bestandteile des Leitfadens sollten auch das Brandschutzkonzept, ein Konzept zum Umgang mit Kindeswohlgefährdung sowie Vorgaben zum Verhalten bei technischen Störungen und Einbrüchen sein.

Das gesamte Personal einer Kindertageseinrichtung sollte in der Umsetzung des Leitfadens unterwiesen und trainiert sein. Es ist empfehlenswert, dass die Aufgaben, die im Leitfaden beschrieben sind, von einem Notfallteam übernommen werden. Mitglied des Notfallteams sollte auf jeden Fall die Leitung einer Kindertageseinrichtung sein.

ccc_3684_31.jpg Zu empfehlen ist auch, einzelne Beschäftigte zusätzlich im Umgang mit Notfällen wie Kindeswohlgefährdung oder Gewalt zu qualifizieren.

Anzahl der Helfenden festlegen

Tragen Sie dafür Sorge, dass für die Erste-Hilfe-Leistung genügend Ersthelferinnen und Ersthelfer zur Verfügung stehen.

In Kindertageseinrichtungen muss laut Vorgaben der DGUV Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention" mindestens eine Ersthelferin oder ein Ersthelfer je Kindergruppe ausgebildet sein. Es ist sicherzustellen, dass nach einem Unfall unverzüglich Erste Hilfe geleistet wird. Bei offenen Konzepten müssen Sie diese Regelung sinngemäß anwenden.

ccc_3684_31.jpg Es ist empfehlenswert, so viele Fachkräfte wie möglich zu Ersthelfenden ausbilden zu lassen.

Für Erste Hilfe qualifizieren

Die Qualifikation von Ersthelferinnen und Ersthelfern in Kindertageseinrichtungen muss alle zwei Jahre durch ermächtigte Stellen erfolgen. Grundlage für die Qualifizierung von Ersthelferinnen und Ersthelfer in Kindertageseinrichtungen sollten die Vorgaben der DGUV für die Erste-Hilfe-Schulung in Bildungs- und Betreuungseinrichtungen für Kinder sein.

Gabe von Notfallmedikamenten regeln

Stellen Sie für Notsituationen sicher, dass für Kinder mit chronischen oder allergischen Erkrankungen die Gabe der Medikamente geregelt ist. Dabei sind die Anordnungen der jeweils behandelnden Ärzte und Ärztinnen zu beachten und die Zustimmung der Personensorgeberechtigten einzuholen. Auf dieser Grundlage hat eine Unterweisung der zuständigen und verantwortlichen Fachkräfte, die diese Aufgabe freiwillig übernehmen, zu erfolgen. Zudem sind die Medikamente vorschriftsmäßig und sicher zu lagern.

Dokumentation organisieren

Sowohl aus rechtlichen Gründen als auch um präventive Schlüsse ziehen zu können, werden Unfälle und Notfälle grundsätzlich dokumentiert. Bei leichten Unfällen geschieht dies durch den Eintrag in das Verbandbuch oder in den Meldeblock. Ist ein Arztbesuch erforderlich, dient die Unfallanzeige als Dokumentation. Für Notfälle sollte das Dokumentationsverfahren im einrichtungsspezifischen Leitfaden festgelegt werden und den Beschäftigten bekannt sein (siehe Abbildung 42 und 43).

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Abb.41
Die Aus- und regelmäßige Fortbildung sind Voraussetzungen für weniger Stress in Not- und Unfallsituationen

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Abb.42 + 43
Nachvollziehbar: Der Blick in ein verantwortungsvoll geführtes Verbandbuch oder einen Meldeblock informiert über leichte Unfälle.

Informationen zur Verfügung stellen

Es liegt in Ihrer Verantwortung, in Ihren Einrichtungen Informationen zu Unfällen und Notfällen bekannt zu machen, zum Beispiel durch Aushänge und Info-Briefe. Inhalte sind unter anderem allgemeine und spezifische Hinweise und Informationen zu:

  • Erster Hilfe und Notfallhilfe

  • Notrufangaben

  • Giftnotrufzentrale

  • Jugendämtern

  • Durchgangs-, Fachärzten und -ärztinnen sowie Krankenhäusern

ccc_3684_31.jpg Empfehlenswert ist es, die Aktualität der Angaben in regelmäßigen Abständen zu überprüfen.

Aufsicht sicherstellen

Kinder benötigen in Notfallsituationen unabhängig von der Schwere der Verletzung Betreuung durch eine oder mehrere geeignete Personen, bis die Sorgeberechtigten die Aufsicht übernehmen oder eine stationäre Aufnahme erfolgt. Zugleich ist es erforderlich, die Aufsicht der anderen Kinder sicherzustellen.

Überlastung vermeiden und Eigenschutz sicherstellen

In Unfall- und Notfallsituationen müssen Ihre Teams schnell und organisiert handeln können. Damit das damit einhergehende Stresspotenzial nicht zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führt, sollten Sie Ihre Fachkräfte auf derartige Situationen vorbereiten. Daher ist es wichtig, mit allen Beschäftigten im Vorfeld zu bestimmen, wer am besten welche Aufgaben übernimmt. Lassen Sie dies unter möglichst realitätsnahen Bedingungen trainieren.

Falls es einen Unfall oder Notfall gab: Der Träger der Einrichtung sollte für beteiligte Beschäftigte und Kinder Unterstützungssysteme im Rahmen der Nachsorge veranlassen. Damit beugen Sie vor, dass die erlebten Belastungen nicht im Nachhinein zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen.