BGHM-I 108 - Be- und Entladen von Fahrzeugen

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Abschnitt 8.1 - 8 Berechnen der Ladungssicherung
8.1 Grundsätzliches zur Berechnung

Die Berechnung der Ladungssicherungsmaßnahmen basiert auf der DIN EN 12195-1:2011-06 und der Richtlinie VDI 2700 Blatt 2:2014. Die dort verwendeten Formeln sind oft für Anwenderinnen und Anwender ohne eine entsprechende Ausbildung schwer nachvollziehbar. Deshalb werden die Formeln nachfolgend anwendungsfreundlich dargestellt. Sie führen zu den gleichen Ergebnissen wie die Originalformeln ("Faustregeln zur Ladungssicherung" siehe auch Anhang 12).

Mit Stand Juni 2011 wurde die neue DIN EN 12195-1 zur Berechnung von Sicherungskräften veröffentlicht. Die Berechnungen in der Norm unterscheiden sich in wesentlichen Punkten von der vorherigen DIN EN 12195-1 vom April 2004, der VDI Richtlinie 2700 Blatt 2 vom November 2002 und der Neuausgabe der VDI 2700 Blatt 2 vom Juli 2014. Besonders beim Niederzurren kippstabiler Ladungen wird nach der neuen EN Norm eine geringere Vorspannkraft als nach der bisherigen Norm berechnet. Das deutsche Vorwort der Norm zeigt die besonderen Schwierigkeiten bei der Anwendung auf und verweist darauf, dass sich Deutschland gegen die Norm ausgesprochen hatte, da das Sicherheitsniveau gegenüber der vorherigen Norm geringer sei. Bei einem Großteil der anderen europäischen Staaten dagegen wurde die Norm direkt angewandt.

Die überarbeitete DIN EN 12195-1:2011-06 gilt für die Auslegung der verschiedenen Sicherungsverfahren zur Ladungssicherung für den Transport durch Straßenfahrzeuge, einschließlich ihres Transports auf Schiffen oder auf der Schiene und/oder einer Kombination dieser Verkehrsarten. Sie gilt nur für Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 3.500 kg.

DIN EN 12195-1:2011-06/VDI 2700-2:2014

1. Reibbeiwerte

In der DIN EN 12195-1:2011-06 wurde der bisherige Gleit-Reibbeiwert μD durch den anzunehmenden Reibbeiwert μ ersetzt. Der Reibbeiwert μ stellt einen Mittelwert der gemessenen statischen Reibung dar, multipliziert mit 0,925 sowie der gemessenen Werte der dynamischen Reibung, dividiert durch 0,925.

Einige Reibbeiwerte sind in einer normativen Tabelle (siehe dazu Seite 52) enthalten. Diese Reibbeiwerte sind gegenüber der in der vorherigen Norm verwendeten Tabelle der Gleit-Reibbeiwerte oft höher. In der Praxis kann das dazu führen, dass eine größere Reibung angenommen wird, wodurch dann sowohl die Anzahl der zur Ladungssicherung erforderlichen Zurrmittel geringer ausfällt als auch die notwendige Festigkeit von blockierenden Ladungssicherungsmitteln.

Die VDI 2700-2:2014 bleibt dagegen bei den Gleit-Reibbeiwerten, bezeichnet sie allerdings nur noch als μ und nicht wie früher als μD.

2. Kippbeiwert / Wankfaktor

In der DIN EN 12195-1:2011-06 wurde der bisherige Wankfaktor von 0,2, der als Sicherheitsfaktor für seitlich kippgefährdete Ladung generell zu beachten war, bei einigen Berechnungsmethoden durch einen neuen Kippbeiwert von 0,1 ersetzt.

Die VDI 2700-2:2014 ersetzt den bisherigen Wankfaktor vollständig durch den Standsicherheitsbeiwert.

3. Beiwert k/Sicherheitsbeiwert fs

In der DIN EN 12195-1:2011-06 wurde der Beiwert k (sog. k-Wert) von 1,5, der beim Niederzurren den Verlust an Vorspannkraft durch die Reibung zwischen dem Zurrmittel und der Ladungskante berücksichtigt, abgeschafft.

Die Verringerung der Vorspannkraft auf der Gegenseite des Spannelements wird damit nicht mehr berücksichtigt. Dafür wurde ein neuer Sicherheitsbeiwert eingeführt. Dieser Wert beträgt 1,1 für alle horizontalen Richtungen, ausgenommen beim Straßentransport in Fahrtrichtung, hier gilt 1,25. Insgesamt wird dadurch die Vorspannkraft oder die Anzahl der benötigten Zurrmittel, besonders in Querrichtung und Längsrichtung nach hinten, geringer als bisher.

Die VDI 2700-2:2014 enthält diesen Sicherheitsbeiwert fs nicht. Für übliche, in der Praxis vorkommende Einsatzverhältnisse wird ein k-Wert von 1,8 empfohlen.

Da in der VDI 2700-2:2014 auch weiterhin mit dem Gleit-Reibbeiwert gerechnet wird, sind die Berechnungsergebnisse mit denen der DIN EN 12195-1:2011-6 vergleichbar.

4. Der Umrechnungsfaktor fμbeim Direktzurren

In der DIN EN 12195-1:2011-06 wurde beim Direktzurren ein Umrechnungsfaktor fμ von 0,75 oder 1,0 eingeführt.

Wird der Reibbeiwert aus der normativen Tabelle entnommen, ist er mit dem Umrechnungsfaktor von fμ = 0,75 zu multiplizieren.

Wird der gemessene Gleit-Reibbeiwert verwendet oder wird RHM untergelegt, ändert sich der Umrechnungsfaktor fμ auf 1,0.

Tabelle 21 Grundsätzliches zur Anwendung der Regelwerke

DIN EN 12195-1:2011-06 *Richtlinie VDI 2700-2:2014-07
Internationales RegelwerkNationales Regelwerk
  • Gilt für den Transport durch Straßenfahrzeuge einschließlich ihres Transports auf Schiffen oder auf der Schiene und/oder einer Kombination dieser Verkehrsarten

  • Gilt für Fahrzeuge mit einer zGM von mehr als 3.500 kg

  • Gilt für Lastkraftwagen und Anhängerfahrzeuge im Straßenverkehr; auch für Sattelkraftfahrzeuge sowie Spezialfahrzeuge

  • Gilt auch für Fahrzeuge mit einer zGM unter 3.500 kg

Nötige Änderung der Berechnungsgrundlagen

Bei Fahrzeugen mit einer zGM von mehr als 3,5 t sollten die Maßnahmen zur Ladungssicherung gemäß der DIN EN 12195-1:2011 berechnet werden.

Bei Fahrzeugen mit einer zGM bis zu 3,5 t sollten die Maßnahmen zur Ladungssicherung gemäß der Richtlinie VDI 2700 Blatt 2:2014 berechnet werden.

Anerkennung der DIN EN 12195-1:2011-6 als Regel der Technik im Sinne von § 22 StVO

"Der BLFA-StVO/OWi erkennt die DIN EN 12195-1:2011 als Regel der Technik im Sinne von § 22 StVO an. Er empfiehlt den Überwachungsbehörden die Ladungssicherung nach dieser Norm zu kontrollieren."

Mit diesem wörtlichen Zitat wird eine Entscheidung des Bund-Länder-Fachausschusses (BLFA) aus Mai 2016 zur Kenntnis gegeben. Weiterhin heißt es: "Der BLFA-StVO/OWi nimmt die Bedenken, die das DIN und andere Ladungssicherungsexperten hinsichtlich der EN 12195-1:2010 geäußert haben, zur Kenntnis. Ebenso berücksichtigt er jedoch auch die positiven Bewertungen der Norm aus Expertenkreisen sowie die sich für die Praxis aus der vorliegenden Situation ergebende Rechtsunsicherheit."
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Abb. 8-1
Straßenkontrolle des BAG und der Polizei

Basis der Ladungssicherung ist der § 22 StVO: "Die Ladung einschließlich Geräte zur Ladungssicherung sowie Ladeeinrichtungen sind so zu verstauen und zu sichern, dass sie selbst bei Vollbremsung oder plötzlicher Ausweichbewegung nicht verrutschen, umfallen, hin- und herrollen, herabfallen oder vermeidbaren Lärm erzeugen können. Dabei sind die anerkannten Regeln der Technik zu beachten." Das Problem beinhaltet die Formulierung "anerkannte Regeln der Technik".

Die europäische Berechnungsnorm DIN EN 12195-1 ist eine Regel der Technik. Die erste Version aus 2004 war unstrittig, aber die neue Version aus 2011 wurde zunächst offiziell in Deutschland nicht anerkannt. Der Weg vom Übergang der alten DIN EN 12195-1:2004 zur neuen Version aus 2011 wurde nur schrittweise vollzogen.

Theoretisch kann die Berechnung der Ladungssicherung in Deutschland nach zwei Vorgaben erfolgen: nach der europäischen Norm DIN EN 12195-1:2011 oder nach der Richtlinie VDI 2700 Blatt 2:2014. Die Frage, die sich stellt, lautet: "Was gilt für wen?" Die Antwort auf diese Frage lautet: "Es kommt darauf an."

Die DIN EN 12195-1:2011 enthält im Teil 1 Anwendungsbereich folgende Einschränkung: "Diese Europäische Norm gilt nicht für Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht bis einschließlich 3.500 kg." Anmerkung: Leichtere Fahrzeuge können Fahreigenschaften aufweisen, die zu höheren Beschleunigungswerten auf der Straße führen.

Die Richtlinie VDI 2700 Blatt 2:2014 ist unabhängig von der zulässigen Gesamtmasse (zGM) des Fahrzeugs gültig und kann somit auch bei Fahrzeugen unterhalb einer zGM von 3.500 kg angewendet werden.

Die rechtliche Bedeutung einer Europäischen Norm ist höher als die einer nationalen Richtlinie. Somit ist auch die DIN EN 12195-1:2011 der Richtlinie VDI 2700 Blatt 2: 2014 übergeordnet.
Anm.:Die EN 12195-1:2010 wird schon seit dem ADR 2013 als ausreichend für die Berechnung der Ladungssicherung bei Gefahrgütern angesehen