BGHM-I 102 - Beurteilungen von Gefährdungen und Belastung Anleitungshilfe zur systematischen Vorgehensweise, sichere Schritte zum Ziel

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Abschnitt 5 - 5 Umfang der Gefährdungsbeurteilung

Das Arbeitsschutzgesetz gibt an, wie umfangreich eine Gefährdungsbeurteilung sein muss:

Eine Gefährdungsbeurteilung ist für jede ausgeübte Tätigkeit erforderlich.

Die Betonung liegt auf Tätigkeit. Eine Arbeitsaufgabe gliedertsich fast immer in einzelne Tätigkeiten auf.

Beispiel a):

Die Person an der Gesenkbiegepresse legt einen Blechzuschnitt in die Maschine ein. Zuvor wird sie den Zuschnitt von einem Stapel gehoben haben. Es wird zu klären sein, wie schwer der Zuschnitt ist. Anschließend könnte die Person das gekantete Teil auf einer Palette ablegen. Es entsteht wahrscheinlich eine unterschiedliche Gefährdung, wenn sie das erste Teil auf einer Palette in Höhe des Bodens ablegen muss und wenn sie das letzte Teil in einer Höhe von ca. 1,80 m auflegt.

Vielleicht holt dieselbe Person die Zuschnitte mit einem Handhubwagen aus einer anderen Abteilung. Dann muss die Tätigkeit "Transport" ebenfalls berücksichtigt werden.

Sind jedoch gleichartige Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen vorhanden, reicht in der Regel die Beurteilung nur einer Tätigkeit aus. Oft trügen aber solche vermeintlich "gleichartigen" Situationen: Vergleicht man zwei Bildschirmarbeitsplätze, die sich in benachbarten Räumen befinden, sind nur einige Bedingungen gleich. Stehen die Bildschirme an unterschiedlichen Positionen im Raum, sind sie auch den Lichtquellen auf unterschiedliche Weise zugewandt. Dann stellt sich die Frage, ob es sich um die gleichen oder zumindest um vergleichbare Geräte handelt.

Drei weitere Beispiele aus der Instandhaltung verdeutlichen den Umfang der Gefährdungsbeurteilungen:

In einem fiktiven Unternehmen sind folgende Tätigkeiten notwendig:

  • Auswechseln von Leuchten in Büroräumen in 2,80 m Höhe

  • kurzzeitige Instandsetzung an einer Presse in 3,20 m Höhe

  • Abschmieren einer Drehmaschine in 2,50 m Höhe

  • umfangreiche Instandsetzungsarbeiten an einer Fräsmaschine in 2,70 m Höhe

  • Instandsetzung an einer Kranbahn in 7,00 m Höhe

Für die beschriebenen Fälle reicht es vielleicht aus, wenn eine allgemeine Gefährdungsbeurteilung "Arbeiten in Höhe bei Instandhaltungsarbeiten" erstellt wird. Es sind hier jedoch u. a. differenzierte Randbedingungen festzuhalten, z. B. wann folgende Hilfsmittel eingesetzt werden:

  • Leitern

  • Gerüste

  • PSA gegen Absturz

Andere Voraussetzungen führen bei folgender Arbeitsaufgabe zu einem anderen Ergebnis:

  • Ein Lüftungsmotor von 40 kg Gewicht wird auf einer Lackierkabine in 3,00 m Höhe ausgewechselt. Das Dach der Lackierkabine ist nicht durchtrittsicher.

Hier erfolgt in jedem Fall eine spezielle Gefährdungsbeurteilung. Folgende Aspekte sind dabei zu berücksichtigen:

  • Heben und Tragen bzw. Hilfsmittel (siehe 40 kg)

  • Gefahrstoffe (siehe Lack)

  • Absturzsicherung (siehe 3,00 m)

  • Dachbelag bzw. Hilfsmittel (nicht durchtrittsicher)

  • Qualifikation der Beschäftigten (elektrisches Ab- und Anklemmen des Motors).

Beispiel b):

Folgende Arbeitsaufgabe wird zweimal im Jahr ausgeführt: Es ist ein 15 cm dicker und 3 m langer Stab quer durchzubrennen, wobei sich an der einen Seite des Stabes eine Scheibe mit einem Durchmesser von 2 m befindet. Es besteht u. a. die Gefahr, dass der abgebrannte Stab in das abgeschmolzene und noch flüssige Material fällt, dieses hochspritzt und den Mitarbeiter von unten an jenen Stellen trifft, die durch das unten offene Visier zu erreichen sind. Bei einer vergleichbaren Tätigkeit hat ein Mitarbeiter sein Augenlicht verloren. Außerdem besteht für die Beschäftigten Gefahr durch die umfallende Scheibe.

Für das gewählte Beispiel reicht eine allgemeine Gefährdungsbeurteilung "Abbrennen" nicht aus. Die beschriebenen Tätigkeiten werden zwar nicht so häufig durchgeführt; das mögliche Ausmaß der Unfallfolge ist jedoch hoch einzustufen, und die Gefährdungslage ist gegenüber üblichen Brennarbeiten ungewöhnlich. Hier ist eine spezielle Gefährdungsbeurteilung durchzuführen.

Voraussetzungen für zwei "gleichartige" Tätigkeiten könnten sein:

  • gleichartiger Tätigkeitsablauf

  • gleichartige Randbedingungen bzw. Verhältnisse

  • keine zu hohe Komplexität der Arbeitsaufgabe

  • gleichartige Gefährdungshöhe

Für "gleichartige" Tätigkeiten müssen alle genannten Voraussetzungen vorliegen. Wird nur eine Voraussetzung nicht erfüllt, handelt es sich nicht um "gleichartige" Tätigkeiten.

Spezielle Gefährdungsbeurteilungen sind insbesondere für Tätigkeiten durchzuführen:

  • mit hohem Unfallrisiko

  • mit für Beschäftigte nicht vorhersehbaren Gefährdungen

  • bei denen verschiedene Gefährdungen zusammenwirken

  • bei denen komplexe technische Zusammenhänge vorliegen

Gefährdungsbeurteilungen sind nicht nur für die "üblichen" Betriebszustände durchzuführen. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung werden ebenfalls Arbeiten nach typischen Störungen sowie im Rahmen der Instandhaltung analysiert. Diese Arbeiten beinhalten ein wesentlich höheres Gefährdungspotential als Arbeiten bei den üblichen Betriebszuständen. Das höhere Gefährdungspotential ergibt sich deshalb, weil im Rahmen der Instandhaltung mehr tödliche Arbeitsunfälle zu verzeichnen sind als im Rahmen des restlichen Herstellungsprozesses, obwohl in der Instandhaltung - je nach Unternehmen - nur 2 - 5 %, in Großbetrieben evtl. 10 % der Belegschaft arbeiten.