DGUV Information 203-072 - Wiederkehrende Prüfungen elektrischer Anlagen und ortsfester Betriebsmittel Fachwissen für Prüfpersonen

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Abschnitt 3.3 - 3.3 Besichtigen

Nachdem die Vorbereitungen zur Prüfung abgeschlossen sind, muss die elektrische Anlage besichtigt werden. Das Besichtigen muss die zusätzlichen Anforderungen für Betriebsstätten, Räume und Anlagen besonderer Art nach der Normenreihe VDE 0100-7XX einschließen, z. B. hinsichtlich des Feuchtigkeits- oder des Brand- und Explosionsschutzes.

Die Besichtigung beinhaltet mindestens die nachfolgenden Punkte:

Nachweis der vorangegangenen Prüfung
Liegt ein vollständiger Prüfbericht (Prüfprotokoll) der vorangegangenen Prüfung der elektrischen Anlage und der ortsfesten Betriebsmittel vor, welcher Aufzeichnungen aller Prüfschritte und deren Ergebnisse, insbesondere zu Messungen und Erprobungen, enthält?
Dokumentationsunterlagen
Sind die Dokumentationen und die Schaltungsunterlagen vorhanden, aktuell und vollständig?
Kennzeichnung
Wurde die Kennzeichnung der elektrischen Betriebsräume, Verteilerstromkreise, Kabel und Leiter ordnungsgemäß ausgeführt?
Sind Neutral- und Schutzleiter sowie Stromkreise, Sicherungen, Schalter und Klemmen entsprechend gekennzeichnet?
Zugänglichkeit
Ist der sichere Zugang zur Bedienung, Wartung und Inspektion der Anlage möglich?
Ist die sichere und ungehinderte Flucht im Gefahrenfall möglich?
Sind Räume, die ausschließlich dem Betrieb elektrischer Anlagen (hierzu gehören auch z. B. Schalt- und Verteilungsanlagen, Transformatorzellen) dienen, unter Verschluss gehalten?
Sind die Vorrichtungen zum Abtrennen der Erdungsleiter (Blitzschutz) noch zugänglich?
Schutzmaßnahmen allgemein
Ist der Basisschutz (Schutz gegen direktes Berühren) aktiver Teile elektrischer Betriebsmittel gewährleistet?
Hierzu gehören z. B. Abdeckungen, Umhüllungen und Isolationen oder der Schutz durch Abstand.
Ist der Fehlerschutz (Schutz bei indirektem Berühren) noch gewährleistet?
Sind Erder, z. B. Fundamenterder, Blitzschutzerder, Erder von Antennenanlagen, Erder von Telefonanlagen, mit der Potenzialausgleichsschiene oder Haupterdungsschiene verbunden?
Sind die zur Sicherstellung des Potenzialausgleichs erforderlichen Leiter, z. B. Hauptpotenzialausgleichsleiter, Hauptschutzleiter, Haupterdungsleiter und andere Erdungsleiter, mit der Potenzialausgleichsschiene oder Haupterdungsschiene verbunden?
Sind elektrisch leitfähige Rohrsysteme, z. B. Gasinnenleitungen, Wasserverbrauchsleitungen, Abwasserleitungen, Rohre von Heizungs- und Klimaanlagen, mit der Potenzialausgleichsschiene oder Haupterdungsschiene verbunden?
Sind Metallteile der Gebäudekonstruktion mit der Potenzialausgleichsschiene oder Haupterdungsschiene verbunden?
Sind alle gleichzeitig berührbaren Körper, Schutzleiteranschlüsse und alle "fremden leitfähigen Teile" mit dem örtlichen zusätzlichen Potenzialausgleich verbunden?
Schutzmaßnahmen mit Schutzleiter
Weisen Schutzleiter, Erdungsleiter und Potenzialausgleichsleiter mindestens den geforderten Querschnitt auf?
Sind Schutzleiter, Erdungsleiter und Potenzialausgleichsleiter fachgerecht verlegt und zuverlässig angeschlossen? (siehe auch Abbildung 5)
Sind die Potenzialausgleichsverbindungen vollständig ausgeführt? (z. B. Überbrückung an Wasseruhr und Gasinnenleitung)
Sind Schutzleiter und Schutzleiteranschlüsse entsprechend den Errichtungsnormen gekennzeichnet?
Sind Schutzleiter und Außenleiter nicht miteinander verbunden oder verwechselt?
Sind Schutzleiter und Neutralleiter nicht miteinander verwechselt?
Sind für Schutzleiter und Neutralleiter die Festlegungen über Kennzeichnung, Anschlussstellen und Trennstellen eingehalten?
Schutzmaßnahmen mit Schutzleiter (Fortsetzung)
Können die Schutzkontakte der Steckvorrichtungen wirksam sein? (Ursachen, die zur Unwirksamkeit eines Schutzleiterkontaktes führen können, sind z. B. korrodierte, verschmutzte oder mit Farbe überzogene Schutzleiterkontakte, verbogene oder fehlende Schutzleiterkontakte)
Sind in Schutzleitern und PEN-Leitern keine Überstrom-Schutzeinrichtungen vorhanden?
Sind Schutzleiter und PEN-Leiter für sich allein nicht schaltbar?
Sind Schutzeinrichtungen, z. B. Überstrom-, Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen, Isolationsüberwachungseinrichtungen, Überspannungsableiter, in der nach den Errichtungsnormen getroffenen Auswahl vorhanden bzw. für den gegebenen Einsatzzweck geeignet?
Wurden die Schutzeinrichtungen auf die Betriebseigenschaften nachträglich installierter Verbraucher angepasst, z. B. RCD Typ B bei Einsatz nachträglich installierter Frequenzumrichter?
Schutzmaßnahmen ohne Schutzleiter
Sind bei Schutzkleinspannung (SELV), Funktionskleinspannung mit sicherer Trennung (PELV) und Schutztrennung die Stromquellen, die Leitungen und die übrigen Betriebsmittel in der nach den Errichtungsnormen getroffenen Auswahl noch vorhanden?
Sind Steckvorrichtungen von Betriebsmitteln, die für Schutzkleinspannung oder Funktionskleinspannung mit sicherer Trennung vorgesehen sind, nicht an andere Spannungsquellen anschließbar?
Sind bei Schutzkleinspannungsstromkreisen aktive Teile weder mit Erde, mit Schutzleitern oder mit aktiven Teilen anderer Stromkreise verbunden?
Sind bei Schutzkleinspannungsstromkreisen Körper nicht absichtlich mit Erde, mit dem Schutzleiter oder Körper anderer Stromkreise verbunden?
Sind bei Schutztrennung die aktiven Teile des Sekundärstromkreises weder mit einem anderen Stromkreis noch mit dem Erdpotenzial verbunden und auch von anderen Stromkreisen sicher getrennt?
Kann bei zwingend vorgeschriebener Schutztrennung nur ein Verbrauchsmittel angeschlossen werden?
Sind bei Schutztrennung mit mehr als einem Verbrauchsmittel die Körper durch ungeerdete, isolierte Potenzialausgleichsleiter untereinander verbunden?
Sind leitfähige berührbare Teile von schutzisolierten Betriebsmitteln nicht an den Schutzleiter angeschlossen?
Sind bei nichtleitenden Räumen die Körper so angeordnet, dass ein gleichzeitiges Berühren von zwei Körpern oder von einem Körper und einem leitfähigen Teil nicht möglich ist?
Anlagenschutz
Sind die vorhandenen Kabel, Leitungen und Stromschienen nach Strombelastbarkeit und Spannungsfall ausreichend dimensioniert?
Entsprechen die Schutz- und Überwachungseinrichtungen den Anforderungen und sind diese richtig ausgewählt und eingestellt?
Sind die Betriebsmittel unter Berücksichtigung der äußeren Einflüsse, beispielsweise der IP-Schutzart, richtig ausgewählt?
Ist die IP-Schutzart gewährleistet?
Sind die Leitungen ordnungsgemäß verlegt?
Sind alle elektrischen Verbindungen ordnungsgemäß ausgeführt?
Ist der Schutz gegen thermische Einflüsse erforderlich bzw. vorhanden?
Sind die Betriebsmittel gemäß den Festlegungen des Herstellers montiert, z. B. Einhaltung von Mindestabständen, Gebrauchslage, Umgebungstemperatur?
Sind die Maßnahmen zur Sicherstellung des Brandschutzes, z. B. Brandschottungen und andere Vorkehrungen gegen die Ausbreitung von Feuer, vorhanden und wirksam?
Sind Einrichtungen zur Unfallverhütung, z. B. Schutzvorrichtungen, Hilfsmittel und Sicherheitsschilder (hierzu gehören insbesondere: Hinweisschild "Nicht einschalten! Es wird gearbeitet.", Erdungs- und Kurzschließvorrichtung, Notbeleuchtung (ggf. tragbar), NH-Sicherungs-Aufsteckgriff mit Stulpe, Helm mit Gesichtsschutz) vorhanden und in einem ordnungsgemäßen Zustand?
Sind negative Veränderungen erkennbar?
Sind Anzeichen thermischer Überbeanspruchung erkennbar, z. B. Verfärbungen oder Verformungen?
Sind alle Abdeckungen vorhanden?
Sind Manipulationen erkennbar?
ccc_3578_as_4.jpgPraxistipp
In elektrischen Anlagen mit vorhandener Funktionserdung ist aufgrund der überwiegend durch elektronische Verbraucher hervorgerufenen "vagabundierenden" Ableitströme darauf zu achten, dass die Verbindung zwischen Funktions- und Schutzerdung zentral nur an einem Punkt erfolgt.

Gleiches gilt auch für die Verbindung von Schutzleiter (PE) und Neutralleiter (N).
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Abb. 4
Stromkreiskennzeichnung und zugehörige Dokumentationen einer elektrischen Unterverteilung

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Abb. 5
Schleifen von Schutzpotenzialausgleichsleitern (richtig/falsch)