DGUV Regel 101-601 - Branche Rohbau

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Abschnitt 3.6 - 3.6 Gerüstbau

Gerüste sind eines der am häufigsten verwendeten Arbeitsmittel im Rohbau. Es wird zwischen Arbeits- und Schutzgerüsten unterschieden. Arbeitsgerüste schaffen für die auszuführenden Arbeiten sichere und geeignete Arbeitsplätze mit sicherem Zugang. Schutzgerüste sichern als Fang- oder Dachfanggerüste Personen gegen den tieferen Absturz oder dienen als Schutzdach, z.B. gegen herabfallende Gegenstände unter anderem für Personen, Maschinen und Geräte. Die Gerüstbauart wird nach dem Tragsystem (Stand-, Hänge-, Ausleger-, Konsolgerüst) und der Ausführungsart (Stahlrohrkupplungs-, Rahmen-, Modulgerüst) unterschieden. Im Gerüstbau werden ständig wechselnde Tätigkeiten an hochgelegenen Arbeitsplätzen ausgeführt. Damit verbunden sind Gefährdungen durch Absturz von Personen.

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Abb. 114 Montage eines Fassadengerüstes

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Abb. 115 Ein Gerüst ist vor der Verwendung auf offensichtliche Mängel zu überprüfen

ccc_3531_03.jpgRechtliche Grundlagen
  • Betriebssicherheitsverordnung

  • DGUV Vorschrift 38 und 39 "Bauarbeiten" (bisher BGV C22 und GUV-V C22)

  • Technische Regel für Betriebssicherheit TRBS 2121- 1 "Gefährdungen von Personen durch Absturz- Bereitstellung und Benutzung von Gerüsten"

ccc_3531_04.jpgWeitere Informationen
  • DGUV Information 201-011 "Handlungsanleitung für den Umgang mit Arbeits- und Schutzgerüsten" (bisher BGI/GUV-I 663)

  • Baustein-Merkheft der BG BAU Abrufnr. 408: Gerüstb

  • DIN EN 12811 Temporäre Konstruktionen für Bauwerke"

  • DIN EN 12812 "Traggerüste - Anforderungen, Bemessung und Entwurf"

  • DIN 4420-1 "Arbeits- und Schutzgerüste - Teil 1: Schutzgerüste - Leistungsanforderungen, Entwurf, Konstruktion und Bemessung"

  • DIN 4420-3 "Arbeits- und Schutzgerüste - Teil 3: Ausgewählte Gerüstbauarten und ihre Regelausführungen"

  • DIN EN 397 "Industrieschutzhelme"

ccc_3531_32.jpgGefährdungen

Achten Sie bei dem Auf-, Um- und Abbau von Gerüsten insbesondere auf die folgenden Gefährdungen:

  • Gerüstmängel aufgrund unzureichender Organisation

  • Absturz an Außen-, Innen- und Stirnseiten

  • Verlust der Standsicherheit des Gerüsts

  • herabfallende Gegenstände

  • Stolpern und Rutschen bei unebenen oder glatten Laufflächen

  • Stromschlag bei Arbeiten in der Nähe von elektrischen Freileitungen

  • Einflüsse durch elektromagnetische Strahlung bei Arbeiten in der Nähe von Sendeanlagen

  • schweres, wiederholtes Heben und Tragen (kann z.B. zur Erkrankung des Muskel- Skelettsystems führen)

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Abb. 116 Gerüstaufbau mit systemgebundenem Seitenschutz

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Abb. 117 Ergonomischer Transport von Gerüstbauteilen

ccc_3531_33.jpgMaßnahmen

Gegen diese und weitere Gefährdungen sind, abhängig von der Gefährdungsbeurteilung, folgende Maßnahmen zu treffen:

Organisation
Legen Sie die Verantwortung und Aufgaben Ihrer Beschäftigten für die Baustelle fest und sorgen Sie für deren Qualifikation (z.B. fachkundige Person während der Gerüstbauarbeiten bzw. zur Prüfung befähigte Person als Prüfer/in für das fertiggestellte Gerüst). Sorgen Sie dafür, dass die erforderlichen Unterlagen (z.B. Aufbau- und Verwendungsanleitung des Gerüstsystems, Montageanweisung) und alle notwendigen Gerüstmaterialien auf der Baustelle vorhanden sind. Nach der Erstellung des Gerüstes sind die Ergebnisse der Prüfung zu dokumentieren (am besten in Form eines Prüfprotokolls) und mindestens drei Monate über die Standzeit des Gerüstes hinaus aufzubewahren.

ccc_3531_11.jpgEin Prüfprotokoll für Ersteller/innen von Gerüsten finden Sie im Baustein F 705 der BG BAU. Eine Checkliste für die Benutzer/innen von Gerüsten finden Sie im Baustein F 706 der BG BAU.

Absturzsicherung
Sorgen Sie durch technische (t) oder nachrangig personenbezogene (p) Schutzmaßnahmen dafür, dass die Gefährdung durch Absturz von Personen so gering wie möglich gehalten wird, z.B.:

  1. (t)

    Gerüste mit systemgebundenem Seitenschutz (siehe Abbildung 116)

  2. (t)

    vorlaufender Seitenschutz oder

  3. (p)

    persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA)

Beachten Sie, dass für besondere Gerüstbausituationen (z. B. bei Fassadenversprüngen, Gitterträgermontage) die Verwendung spezieller PSAgA erforderlich sein kann. Diese PSAgA besteht aus Auffanggurt mit Rückenösenverlängerung und Verbindungsmittel mit Falldämpfer sowie Systemlängen zwischen 2,50 m und 2,80 m. Bei der Verwendung von PSAgA sind weitere Maßnahmen (z.B. gesonderte Gefährdungsbeurteilung, geeignete Anschlagpunkte, spezielle Unterweisung, Rettungskonzept) notwendig.

Standsicherheit
Sorgen Sie dafür, dass der Auf-, Ab- und Umbau des Gerüstes gemäß der objektbezogenen Montageanweisung unter Einhaltung der Aufbau- und Verwendungsanleitung erfolgt und die Verankerungen und Aussteifungen dem Baufortschritt folgend eingebaut werden.

Schutz vor herabfallenden Gegenständen
Unterweisen Sie Ihre Beschäftigten, dass Gerüstbauteile nicht abgeworfen werden dürfen und dass bei Gerüstbauarbeiten Schutzhelme zu tragen sind.

ccc_3531_36.jpgIm Gerüstbau hat sich die Verwendung von Schutzhelmen mit 4-Punkt-Kinnriemen aus dem Bergsport, die zusätzlich nach DIN EN 397 zertifiziert wurden, bewährt.

Verkehrswege
Sorgen Sie dafür, dass die Verkehrswege und Laufflächen sicher begehbar sind, z.B. Gerüstbeläge in der obersten Lage sicher eingehangen, Durchstiegsklappen geschlossen, Hindernisse entfernt und Verkehrswege von Schnee und Eis beräumt sind.

Schutz vor Stromschlag
Klären Sie mit Ihrem Auftraggeber bzw. dem Versorgungsunternehmen ab, welche Maßnahmen bei Unterschreitung der vorgeschriebenen Sicherheitsabstände zu elektrischen Freileitungen zu ergreifen sind.

Schutz vor elektromagnetischer Strahlung
Klären Sie mit Ihrem Auftraggeber, Ihrer Auftraggeberin bzw. dem Netzbetreiber ab, welche Sicherheitsmaßnahmen bei Arbeiten in der Nähe von Sendeanlagen vorzunehmen sind.

Ergonomie
Reduzieren Sie das manuelle Heben und Tragen von Gerüstbauteilen (siehe Abbildung 117).

ccc_3531_36.jpgEs empfiehlt sich, auch bei Gerüsthöhen von unter 8 m, Bauaufzüge zum Vertikaltransport der Gerüstbauteile zu verwenden.

3.6.1 Traggerüst- und Schalungsbau

Traggerüste und Schalungen sind vorübergehend errichtete Baukonstruktionen, die der Stützung von Massivtragwerken in Beton- und Stahlbetonbauweise sowie Mauerwerksbau dienen, bis diese eine ausreichende Tragfähigkeit erreicht haben.

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Abb. 118 Wandschalung mit Treppenturm als Verkehrsweg

ccc_3531_32.jpgGefährdungen

Zusätzlich zu den Gefährdungen beim Gerüstbau sind beim Traggerüstbau folgende weitere Gefährdungen zu beachten:

  • Gefährdung Dritter auf Grund fehlender Abstimmung/Koordination

  • Absturz

    1. 1.

      an Bauwerksaußenseiten und nach innen in Verlegerichtung auf horizontalen Schalungen

    2. 2.

      bei der Errichtung der Konsolebenen an vertikalen Schalungen

    3. 3.

      beim Zugang zu den Traggerüsten oder Stütztürmen bzw. den Arbeitsplätzen an vertikalen Schalungen.

  • Getroffen werden durch unkontrolliert bewegte Schalungs- und Traggerüstbauteile beim Krantransport infolge von Windkräften

  • Umsturz von Schalungs- und Traggerüstbauteilen infolge von mangelhaftem Auf- und Abbau sowie Lagerung

ccc_3531_33.jpgMaßnahmen

Neben den Maßnahmen beim Gerüstbau sind beim Traggerüstbau, abhängig von Ihrer Gefährdungsbeurteilung, folgende weitere Maßnahmen zu treffen:

Koordination
Stimmen Sie sich mit anderen Unternehmen bezüglich der Vermeidung gegenseitiger Gefährdungen ab, wenn Ihre Tätigkeit zeitlich und örtlich mit denen anderer Unternehmen auf der Baustelle zusammenfällt.

ccc_3531_36.jpgEs ist erforderlich, dass die beteiligten Unternehmen für die Vermeidung gegenseitiger Gefährdungen auf der Baustelle eine weisungsbefugte Person bestimmen.

Absturzsicherung
Stellen Sie durch technische oder nachrangig personenbezogene Maßnahmen (PSAgA) sicher, dass die Gefährdung durch Absturz von Personen so gering wie möglich gehalten wird.

  1. 1.

    An den Bauwerksaußenkanten sind bereits vor der Montage des Traggerüstes Absturzsicherungen vorhanden oder es werden Schalungssysteme mit integrierten Absturzsicherungen verwendet. Zur Vermeidung des Absturzes nach innen sind vorzugsweise Schalungssysteme zu verwenden, die von der darunterliegenden Ebene aus montiert werden.

  2. 2.

    Verwenden Sie vorzugsweise vertikale Schalungen mit bereits am Boden vormontierten Konsolgerüsten einschließlich Belag und Seitenschutz.

  3. 3.

    Treppentürme, innenliegende oder mit Rückenschutz gesicherte Leiteraufstiege und Plattform- oder Podestleitern sind sichere Zugänge.

  4. 4.

    Sorgen Sie dafür, dass Ihre Beschäftigten bei der Verlegung von Schalungselementen von der Schalungsebene aus (z. B. beim Flexsystem) neben der kollektiv wirkenden Absturzsicherung (z. B. Seitenschutz oder Gerüst) an den Gebäudeaußenkanten auch gegen möglichen Absturz nach Innen gesichert sind, z. B. durch PSAgA.

Sicherer Kraneinsatz
Unterweisen Sie Ihre Beschäftigten, dass die Transportarbeiten einzustellen sind, wenn bei auftretenden Windkräften das am Kran hängende Bauteil nicht mehr sicher geführt werden kann.

Standsicherheit
Sorgen Sie dafür, dass die für eine sichere Montage bzw. Demontage notwendigen Unterlagen, wie die Aufbau- und Verwendungsanleitung des Herstellers und erforderlichenfalls auch die objektbezogene Montageanweisung des Erstellers auf der Baustelle vorhanden sind. Achten Sie darauf, dass in diesen Unterlagen u.a. Angaben zu den Aussteifungen, Abstützungen und Verankerungen sowie zum sicheren Absenken enthalten sind.

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Abb. 119 Montage einer Deckenschalung mit Schalwagen von unten

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Abb. 120 Schaltisch mit integriertem Seitenschutz

3.6.2 Konsolgerüste

Konsolgerüste sind Konstruktionen, deren Beläge auf Konsolen liegen, die am Bauwerk oder dem Traggerüst befestigt sind. Sie können sowohl aus Einzelkonsolen, die mit Belag, Seitenschutz und Aussteifung komplettiert werden müssen, als auch aus konfektionierten Konsolbühnen mit bereits integriertem Belag und Seitenschutz bestehen.

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Abb. 121 Wandschalung mit Konsolgerüst

ccc_3531_32.jpgGefährdungen

Zusätzlich zu den Gefährdungen beim Gerüst- und Traggerüstbau achten Sie insbesondere auf folgende Gefährdungen:

  • ungeeignete Auswahl oder nicht bestimmungsgemäße Verwendung des Konsolgerüstes,

  • Absturz bei der Montage, Demontage und beim Umsetzen von Konsolgerüsten bzw. Konsolbühnen,

  • Verlust der Standsicherheit infolge mangelhafter Montage (z.B. Verankerung, Überbrückung von Wandöffnungen, unterdimensioniertes Gerüstmaterial).

ccc_3531_33.jpgMaßnahmen

Neben den Maßnahmen beim Gerüst- und Traggerüstbau sind bei der Erstellung und Nutzung von Konsolgerüsten, abhängig von Ihrer Gefährdungsbeurteilung, folgende weitere Maßnahmen zu treffen:

Organisation
Prüfen Sie vor der Auswahl eines Konsolgerüstes die Möglichkeit des Einsatzes eines Standgerüstes. Sollte dies nicht möglich sein, beachten Sie bei der Auswahl des Konsolgerüstes die konkreten örtlichen Gegebenheiten (z.B. Verankerungsmöglichkeit, Wandöffnungen) sowie die spätere Verwendung (z.B. Dachfanggerüst, Abstützung von Schalungen). Verwenden Sie vorrangig vorkonfektionierte Konsolbühnen. Konstruktionen mit Einzelkonsolen sind zu vermeiden.

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Abb. 122 Konsolgerüst an Stützen-Riegel-Konstruktion

Absturzsicherung
Minimieren Sie die Absturzgefährdung bei der Montage und Demontage:

  1. 1.

    Organisieren Sie eine weitestgehende Vormontage in Bodennähe und stellen Sie eine Kranbarkeit der Konstruktion sicher. Dies gilt insbesondere für Konstruktionen mit Einzelkonsolen.

  2. 2.

    Ergibt die Gefährdungsbeurteilung, dass persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz (PSAgA) verwendet werden müssen, erstellen Sie dafür eine Betriebsanweisung. Gehen Sie insbesondere auf folgende Punkte ein:

    • Festlegung der Anschlageinrichtungen der PSAgA

    • Sicherer Zugang auf die Konsolbühnen

    • Montageablauf (ein Aufenthalt auf der Konsolbühne von Personen während des Versetzens ist nicht gestattet)

Montageanweisung
Berücksichtigen Sie in Ihrer Montageanweisung die baulichen Gegebenheiten, z.B. die Verankerungsmöglichkeiten und die Überbrückung von Wandöffnungen.

ccc_3531_36.jpgAchten Sie bei der Montage der ersten, bzw. Demontage der letzten Konsolbühne darauf, dass diese gefahrlos betreten und verlassen werden kann, z.B. über Gebäudeöffnungen.

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Abb. 123 a+b Hinweis zum sicheren Montageablauf