DGUV Information 207-206 - Tätigkeiten mit Desinfektionsmitteln im Gesundheitsdienst

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Abschnitt 2.1 - 2.1 Grundlagen der Desinfektion von Oberflächen

Ein Ziel dieses Kapitels ist die Förderung eines Dialogs (Abbildung 1) und der Zusammenarbeit zwischen Hygiene und Arbeitsschutz. Auf Grundlage des Infektionsschutzes ist die Aufgabe der Hygiene, Desinfektionsmittel mit der erforderlichen Wirksamkeit auszuwählen. Zu enthaltenen Gefahrstoffen in den Desinfektionsmitteln sowie Arbeitsschutzaspekten beraten die Arbeitsschutzexperten und -expertinnen, sie sind auch bei der Auswahl des Desinfektionsmittels und des anzuwendenden Verfahrens hinzuzuziehen. Daher ist von Vorteil, wenn beide Seiten eine gemeinsame Sprache sprechen und sich der unterschiedlichen Aufträge und Schwerpunkte in der Zielsetzung bewusstwerden. Es hat sich bewährt, dass in dieser Zusammenarbeit die Gefährdungsbeurteilung und die Entscheidungen über Reinigung und Desinfektion, über das Durchführungsintervall und über das anzuwendende Reinigungs- bzw. Desinfektionsmittel getroffen werden.

Die Desinfektionsmittel enthalten eine begrenzte Anzahl Wirkstoffe, obgleich sie unter vielen Handelsbezeichnungen in den Verkauf gebracht werden. Die Auswahl des Produkts bzw. des Verfahrens sollte gut auf alle Schutzgruppen - u.a. die Patienten und Patientinnen und die Beschäftigten - abgestimmt werden.

Das Ziel einer Desinfektion im Gesundheitsdienst ist die Reduktion der Keimlast in der Umgebung der Patienten und Patientinnen oder auf Oberflächen, die mit dem Patienten oder der Patientin in Kontakt kommen. Auch wenn Erreger ubiquitär vorkommen, sollten im Gesundheitsdienst die Erreger auf Oberflächen, die eine nosokomiale Erkrankung (Infektion in Zusammenhang mit einer medizinischen Maßnahme) verursachen, reduziert werden. In Abhängigkeit des Infektionsrisikos und dem Grad der Verschmutzung wird in einem Bereich eine Reinigung, eine Desinfektion bzw. desinfizierende Reinigung oder eine Reinigung mit anschließender Desinfektion durchgeführt.

Mit der Reinigung, der Entfernung von Verschmutzungen unter der Anwendung reinigungsverstärkender Zusätze, gelingt bereits eine 50-80%ige Entfernung der Erreger auf der Oberfläche. Mit der Desinfektion erzielt man eine Keimreduktion von 99 %. In Bereichen mit geringem Infektionsrisiko wie z. B. im Treppenhaus oder in Verwaltungsbereichen ohne Publikumsverkehr ist eine Reinigung ausreichend. Im Rahmen der Basishygiene oder der täglichen Routine ist eine Desinfektion oder desinfizierende Reinigung ausreichend. Bei Verunreinigungen von Oberflächen mit potenziell erregerhaltigem Material oder bei der Aufbereitung von Medizinprodukten geht der Desinfektion immer eine Reinigung voraus (siehe KRINKO-Empfehlung "Anforderungen an die Hygiene bei der Reinigung und Desinfektion von Flächen" und "Anforderungen an die Aufbereitung von Medizinprodukten").

Bei der Auswahl eines Desinfektionsmittels sollte ein breites Wirkungsspektrum (mindestens bakterizid, levurozid und begrenzt viruzid) ausgewählt und die Wirkmenge sowie die Anwendungshäufigkeit sollten geregelt werden. Neben der erworbenen Resistenz gegen Desinfektionsmittel sollte bei der Auswahl auch die natürliche Resistenz beachtet werden. Informationen zur Wirksamkeit stellt der Hersteller in den Produktinformationen zur Verfügung. Neben der Wirkungsweise (bakterizid, viruzid, sporozid etc.) werden auch die Konzentrationen und Einwirkzeiten (nach Testbedingungen der entsprechenden europäischen Normen z. B. Norm DIN EN 14885), die zum Erreichen einer gewünschten Wirkung eingehalten werden sollen, beschrieben.

ccc_3519_as_2.jpgResistente Krankenhauskeime
Krankenhauskeime werden als resistent gegen die herkömmlichen Antibiotika (d. h. Erreger mit Antibiotikaresistenzen oder sogenannte mulitresistente Erreger), mit denen sie behandelt werden, bezeichnet. Eine Auswirkung auf die Desinfektion hat diese ausgewiesene Resistenz nicht. Die Desinfektionsverfahren im Gesundheitsdienst werden so ausgewählt, dass Erreger auch mit Antibiotikaresistenzen, eliminiert werden. Die Resistenz gegenüber Desinfektion steht nicht in Zusammenhang mit der Resistenz gegen Antibiotika.

Für medizinische Einrichtungen wie z. B. Krankenhäuser, Rehabilitationseinrichtungen oder Pflegeeinrichtungen sind die Organisationsstrukturen und die personellen Anforderungen an die Hygiene nach Infektionsschutzgesetz (IfSG) und zusätzlichen länderspezifischen Hygieneverordnungen gesetzlich klar definiert. Die KRINKO-Empfehlung "Personelle und organisatorische Voraussetzungen zur Prävention nosokomialer Infektionen" gibt dazu detaillierte Informationen. Beispielsweise unterliegen ambulante Pflegedienste und Arztpraxen nicht den länderspezifischen Hygieneverordnungen für medizinische Einrichtungen und somit gibt es keine entsprechenden Regelungen auf gesetzlicher Ebene. Diesen Betrieben dienen zur Unterstützung länderspezifische Rahmenhygienepläne, Vorschriften der kassenärztlichen Vereinigungen (KV) sowie die KRINKO-Empfehlung "Infektionsprävention im Rahmen der Pflege und Behandlung von Patienten mit übertragbaren Krankheiten" sowie "Infektionsprävention in Heimen". Hier besteht die Herausforderung darin, mit deutlich weniger personellen Ressourcen eine vergleichbare Leistung zu erbringen (Tabelle 1, S. 14). Gerade in Betrieben, die nicht gesetzlich verpflichtet sind, Hygienefachpersonal zu beschäftigen, werden die Arbeitsschutzexperten und -expertinnen wie Betriebsärztinnen und Betriebsärzte sowie Fachkräfte für Arbeitssicherheit mit hygienerelevanten Fragestellungen konfrontiert. Gegebenenfalls ist es dabei sinnvoll, eine externe Beratung hinzuziehen.

Tabelle 1
Personelle Anforderungen Hygiene und Arbeitsschutz

Personelle Anforderungen Hygiene
  • Festlegung in der Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) des Robert Koch-Instituts "Personelle und organisatorische Voraussetzungen zur Prävention nosokomialer Infektionen"

  • Anzahl der Hygienefachkräfte und Krankenhaushygieniker/innen ergibt sich aus der Größe der Einrichtung

Hygienefachkraft (HFK)Staatliche Anerkennung zur/zum Gesundheits- und Krankenpfleger/in mit mindestens dreijähriger Berufserfahrung und einer Weiterbildung zur Hygienefachkraft
Krankenhaushygieniker/-in (KHH)Facharzt/-ärztin für Hygiene und Umweltmedizin oder klinischer Facharzt/-ärztin mit curricularer Weiterbildung Krankenhaushygiene oder Facharzt/-ärztin für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie
Hygienebeauftragte/r Arzt/ÄrztinFacharztqualifikation in klinischem Zuständigkeitsbereich als Facharzt/-ärztin mit Weisungsbefugnis als Multiplikator/-in in einzelnen Zuständigkeitsbereichen
Hygienebeauftragte Person in der PflegeStaatliche Anerkennung zur/zum Gesundheits- und Krankenpfleger/-in mit mehrjähriger Berufserfahrung als Multiplikator/-in
Personelle Anforderungen Arbeitsschutz
Betriebsarzt/-ärztin (BA)Facharzt/-ärztin für Arbeitsmedizin oder Arzt/Ärztin mit Zusatzbezeichnung Betriebsmedizin
Fachkraft für Arbeitssicherheit (Sifa)Betriebliche/r Berater/-in mit Ausbildung zur Fachkraft für Arbeitssicherheit

Bei der Auswahl eines Desinfektionsmittels sind neben der Wirkungsweise auch der Anwendungsbereich, Arbeitsschutzaspekte (Ersatzstoffe, Ersatzverfahren, Schutzmaßnahmen) und Umweltaspekte (Umweltpersistenz, Abbaumöglichkeiten und Toxizität der Abbauprodukte) zu berücksichtigen. Da es für einige Bereiche bereits etablierte Alternativen zur chemischen Desinfektion gibt, müssen diese gemäß § 6 GefStoffV auch bei der Erstellung und Aktualisierung von Gefährdungsbeurteilungen, Hygieneplänen und Unterweisungsmaterial berücksichtigt werden. Für die richtige Auswahl ist somit die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Akteuren und Akteurinnen von Hygiene und Arbeitsschutz (Abbildung 2) förderlich.

Die Abwägung zwischen Reinigung und Desinfektion der Fläche ist eine elementare Entscheidung bei der Erstellung des Reinigungs- und Desinfektionsplans. Die Erstellung dieses Plans erfolgt durch das Hygieneteam in Abstimmung mit dem Arbeitsschutz, im Anschluss erfolgt die Festlegung der einzusetzenden Desinfektionsverfahren und Desinfektionsmittel. Die Auswahloptionen zwischen Desinfektionsmitteln sind in der Arbeitswirklichkeit oft durch Rahmenverträge mit Herstellern oder Dienstleistungsunternehmen deutlich eingeschränkt. Dies befreit die beteiligten Akteure und Akteurinnen aus Hygiene und Arbeitsschutz nicht davon, den Einsatz der vertraglich geregelten Desinfektionsmittel kritisch zu prüfen. Nach Legitimation des Reinigungs- und Desinfektionsplans wird dieser in der Einrichtung gültig. Diese Pläne werden regelmäßig auch kurzfristig an sich ändernde Erfordernisse oder Verfügbarkeiten wie Lieferverzögerungen angepasst und sind wie eine Arbeitsanweisung formuliert. Der Hygieneplan stellt nach IfSG den übergeordneten Regelplan dar, durch die Hygienekommission wird dieser Plan erstmalig sowie nachfolgende Änderungen genehmigt.

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Abb. 2
Zusammenarbeit von Hygiene und Arbeitsschutz