DGUV Information 250-011 - Leitfaden für Betriebsärztinnen und -ärzte zur arbeitsmedizinischen Vorsorge und Eignung der Beschäftigten bei Tätigkeiten im Abwasserbereich

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Abschnitt 6 - 6 Arbeitsmedizinische Vorsorge

Vorsorge nach Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV)

Der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin haben nach § 3 Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) auf der Grundlage der Gefährdungsbeurteilung für eine angemessene arbeitsmedizinische Vorsorge zu sorgen.

Diese Verordnung wird durch Arbeitsmedizinische Regeln (AMR) konkretisiert.

Pflichtvorsorge ist bei bestimmten besonders gefährlichen Tätigkeiten zu veranlassen. Pflichtvorsorge muss vor Aufnahme der Tätigkeit und anschließend in der AMR 2.1 festgelegten regelmäßigen Zeitabständen veranlasst werden. Nach § 4 Abs. 2 ArbMedVV darf der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin eine Tätigkeit nur ausüben lassen, wenn die Beschäftigten an der Pflichtvorsorge teilgenommen haben.

Angebotsvorsorge ist bei bestimmten gefährlichen Tätigkeiten anzubieten. Angebotsvorsorge muss vor Aufnahme der Tätigkeit und anschließend in der AMR 2.1 festgelegten regelmäßigen Zeitabständen angeboten werden.

Wunschvorsorge hat der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin den Beschäftigten auf ihren Wunsch auf der Grundlage des § 11 Arbeitsschutzgesetz und unbeschadet der Pflichten aus anderen Rechtsvorschriften zu ermöglichen, es sei denn, aufgrund der Beurteilung der Arbeitsbedingungen und der getroffenen Schutzmaßnahmen ist nicht mit einem Gesundheitsschaden zu rechnen.

Im Folgenden werden Anlässe für arbeitsmedizinische Vorsorge nach dem Anhang zur ArbMedVV aufgelistet. Diese Liste ist nicht abschließend.

Lärm

Bei Tätigkeiten

  • an maschinellen Anlagen, wie z. B. Zentrifugen, Verdichter, Motoren und Pumpen,

  • in Werkstätten,

  • mit lärmintensiven Arbeitsgeräten, wie z. B. Winkelschleifer und Bohrhammer,

  • mit Geräten zur Grünpflege, wie z. B. Freischneider und Rasenmäher,

ist für die Beschäftigten von einer Überschreitung des oberen Auslösewertes auszugehen. Für diesen Personenkreis ist eine Pflichtvorsorge gemäß Teil 3 Abs. 1 Satz 3 des Anhanges zur ArbMedVV erforderlich.

Ergibt sich aus der Gefährdungsbeurteilung nur eine Überschreitung des unteren Auslösewertes ist die Angebotsvorsorge anzubieten.

Die Vorsorge kann entsprechend dem DGUV Grundsatz für arbeitsmedizinische Untersuchungen G 20 "Lärm" durchgeführt werden.

Lastenhandhabung/Arbeiten in erzwungenen Körperhaltungen

Angebotsvorsorge ist bei Tätigkeiten mit wesentlich erhöhten körperlichen Belastungen, die mit Gesundheitsgefährdung für das Muskel-Skelett-System verbunden sind, erforderlich. Z. B.:

  • Lastenhandhabung beim Heben, Halten, Tragen, Ziehen oder Schieben von Lasten,

  • Arbeiten in erzwungenen Körperhaltungen im Knien oder vergleichbaren Zwangshaltungen (Anhang Teil 3 Abs. 2 Satz 4 ArbMedVV). Zwangshaltungen können bei Arbeiten in Kanälen und Schächten sowie bei Instandsetzungsarbeiten gegeben sein.

Hinweise sind in der AMR 13.2 "Tätigkeiten mit wesentlich erhöhten körperlichen Belastungen mit Gesundheitsgefährdungen für das Muskel-Skelett-System" enthalten. Die Vorsorge kann nach dem DGUV Grundsatz 46 "Belastungen des Muskel- und Skelettsystems einschließlich Vibrationen" durchgeführt werden.

Atemschutz

Falls sich aus der Gefährdungsbeurteilung die Notwendigkeit des Tragens von Atemschutzgeräten ergibt, wird bei Geräten der Gruppen 2 und 3 Pflichtvorsorge oder bei Geräten der Gruppe 1 Angebotsvorsorge erforderlich (Teil 4 Abs. 1 Satz 1 bzw. Teil 4 Abs. 2 Satz 2 des Anhanges zur ArbMedVV). Diese können nach dem DGUV Grundsatz 26 "Atemschutzgeräte" durchgeführt werden.

Diese Vorsorge ist gemäß AMR 14.2 "Einteilung von Atemschutzgeräten in Gruppen" nicht vorgesehen für Fluchtgeräte und Selbstretter, die Personen ausschließlich für Flucht und Selbstrettung tragen und deren Gerätegewicht maximal 5 kg beträgt.

Infektionsgefährdung (Teil 2 Abs. 1 Satz 3 Buchstaben i und m des Anhanges zur ArbMedVV)

Hepatitis-A-Virus

Bei Tätigkeiten mit regelmäßigem Kontakt zu fäkalienhaltigem Abwässern oder mit fäkalienkontaminierten Gegenständen ist eine Pflichtvorsorge hinsichtlich Hepatitis-A-Virus angezeigt.

Von Zecken übertragene Krankheiten

Bei regelmäßigen Tätigkeiten in niederer Vegetation besteht eine Gefährdung durch von Zecken auf den Menschen übertragbare Krankheiten, wobei derzeit nur Borreliose und FSME bedeutsam sind.

Zecken können überall in Deutschland mit Borrelien infiziert sein. Bei bestehender Gefährdung ist eine Pflichtvorsorge der Beschäftigten erforderlich.

Für die Gefahr einer Infektion durch den von Zecken übertragenen Krankheitserreger der FSME sind Endemiegebiete beschrieben (s. RKI). Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber haben bei bestehender Gefährdung eine Pflichtvorsorge zu veranlassen.

Weitere Infektionserkrankungen

Regional und von Jahr zu Jahr unterschiedlich ausgeprägt kann z. B. das Hantavirus auftreten, das durch Ausscheidungen von Nagetieren übertragen wird.

Gegebenenfalls ist im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge ein Impfangebot (Hepatitis-A, FSME) zu unterbreiten. Ein Infektionsschutz gegen Tetanus (Wundstarrkrampf) durch eine Impfung ist grundsätzlich zu empfehlen (AMR 6.5 "Impfungen als Bestandteil der arbeitsmedizinischen Vorsorge bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen").

Bei Tätigkeiten mit Infektionsgefährdung kann als Instrument der arbeitsmedizinischen Vorsorge der DGUV Grundsatz 42 "Tätigkeiten mit Infektionsgefährdung" angewendet werden.

Feuchtarbeit (Anhang Teil 1 Abs. 1 Satz 2a bzw. Abs. 2 Satz 2e ArbMedVV)

Bei Feuchtarbeit von regelmäßig 4 Stunden und mehr pro Tag resultiert für diesen Personenkreis eine Pflichtvorsorge, bei Feuchtarbeit von regelmäßig mehr als 2 Stunden eine Angebotsvorsorge. Zur Feuchtarbeit zählt auch das Tragen von feuchtigkeitsdichten Schutzhandschuhen. Die einzelnen Tragezeiten von Handschuhen werden zu einem Gesamtschichtwert addiert.

Diese Vorsorge kann nach dem DGUV Grundsatz 24 "Hauterkrankungen" durchgeführt werden.

Gefahrstoffe

Gefahrstoffe, die in Teil 1 des Anhanges zur ArbMedVV aufgelistet sind, treten im Abwasserbereich entweder gar nicht auf oder die Einhaltung der Arbeitsplatzgrenzwerte ist typischerweise gegeben. Die Exposition gegenüber dem in der Liste aufgeführten Gefahrstoff Schwefelwasserstoff, der bei Faulungsprozessen entsteht, ist bei Einhaltung der Schutzmaßnahmen gemäß DGUV Regel 3 und 103-004 "Arbeiten in umschlossenen Räumen von abwassertechnischen Anlagen" gering.

Sollte sich aus der Gefährdungsbeurteilung eine andere Einschätzung ergeben, ist ggf. die entsprechende Vorsorge nach der ArbMedVV durchzuführen.