DGUV Information 203-081 - Arbeiten an Rohbiogasleitungen Handlungshilfe für die Gefährdungsbeurteilung

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Abschnitt 3.2 - 3.2 Eigenschaften und gesundheitsschädigende Wirkungen der Hauptbestandteile und Begleitstoffe von Rohbiogas

Im Folgenden werden die Eigenschaften und Wirkungen der wichtigsten Komponenten und Begleitstoffe von Rohbiogas beschrieben. Gesundheitsschädliche Wirkungen können bei Arbeiten an Rohbiogasleitungen auch von den verwendeten Hilfsstoffen ausgehen (z. B. Flusssäure zum Beizen von Edelstahlschweißnähten).

3.2.1
Gefahrstoffe
Methan (CH4)

Methan ist ein geruchloses Gas, leichter als Luft und hochentzündlich. Methan kann mit Luft eine explosionsfähige Atmosphäre bilden. Der explosionsfähige Bereich von Methan liegt zwischen 4,4 Vol.-% und 16,5 Vol.-%. Liegt die Konzentration in diesem Bereich, kann eine wirksame Zündquelle (z. B. mechanischer Funken, elektrischer Einschaltfunke) das Gas-Luft-Gemisch zur Explosion bringen. Bei höheren Konzentrationen besteht akute Erstickungsgefahr durch Sauerstoffverdrängung.

Kohlendioxid (CO2)

Der Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) von Kohlendioxid liegt bei 9.100 mg/m3 bzw. 5.000 ml/m3 (ppm), das entspricht 0,5 Vol.-%. Kohlendioxid ist ein geruchloses Gas und schwerer als Luft. Ab etwa 1 Vol.-% treten erste Gesundheitsbeschwerden auf (Reizung der Schleimhäute, Atembeschleunigung). Ab etwa 5 Vol.-% treten Kopfschmerzen und Schwindel auf, bei höheren Konzentrationen beschleunigter Herzschlag, Blutdruckanstieg, Atemnot und Bewusstlosigkeit. Konzentrationen von 8 Vol.-% und mehr führen innerhalb von 30 bis 60 Minuten zum Tod. Bei unkontrollierter Freisetzung von Rohbiogas in den Arbeitsbereich ist aufgrund des hohen Anteils von Kohlendioxid im Rohbiogas immer mit der Überschreitung des AGW zu rechnen. Bei höheren Konzentrationen besteht akute Erstickungsgefahr durch Sauerstoffverdrängung.

Schwefelwasserstoff (H2S)

Schwefelwasserstoff entsteht beim Abbau schwefelhaltiger und proteinreicher Gärsubstrate. Der AGW für Schwefelwasserstoff beträgt 7,1 mg/m3 bzw. 5 ml/m3 (5 ppm). Schwefelwasserstoff ist ein nach faulen Eiern riechendes Gas und schwerer als Luft. Der typische Geruch des Schwefelwasserstoffes kann nur bei geringen Konzentrationen wahrgenommen werden - durch eine Betäubung der Geruchsrezeptoren geht der Geruchsinn ab etwa 100 ppm verloren. Ab 50 ppm können Reizungen des Atemtraktes auftreten. Schwerste Lungenschäden treten ab 250 ppm auf, ab 500 ppm ist mit Bewusstlosigkeit und Tod durch Vergiftung zu rechnen. Sofern Schwefelwasserstoff im Rohbiogas nachgewiesen wurde, ist bei unkontrollierter Freisetzung immer mit dem Überschreiten des AGW zu rechnen. Deutlich vor Erreichen der UEG von Schwefelwasserstoff besteht bereits Vergiftungsgefahr.

Ammoniak (NH3)

Ammoniak ist ein - selbst in verdünnter Form - stechend riechendes Gas. Ammoniak ist leichter als Luft. Der AGW für Ammoniak liegt bei 14 mg/m3 bzw. 20 ml/m3 (ppm). Gasförmiges Ammoniak kann vor allem über die Atmung aufgenommen werden. Dabei wirkt es durch Reaktion mit Feuchtigkeit stark ätzend auf die Schleimhäute. Auch die Augen werden durch die Einwirkung von Ammoniak stark gereizt.

Das Erreichen der unteren Explosionsgrenze sowie die Vergiftungsgefahr infolge höherer Konzentration (größer 500 ppm) sind im Hinblick auf den in Tabelle 1 angeführten Konzentrationsbereich zu vernachlässigen.

Der Anteil an Ammoniak im Rohbiogas wird durch den pH-Wert beeinflusst. Bei pH-Werten bis 7,5 sind in der Regel keine höheren Ammoniakkonzentrationen zu erwarten.

Insbesondere bei einer Vergärung von Substraten mit hohen Stickstoffgehalten und einem pH-Wert > 8 besteht die Gefahr einer hohen Ammoniakkonzentration (Überschreitung des AGW). Beispiele für Substrate mit hohem Stickstoffgehalt sind: Reststoffe aus der Kartoffelverarbeitung und Hefeerzeugung, Geflügeltrockenkot, Tierblut, tierische Nebenprodukte. Weitere Informationen zu den aufgeführten Gefahrstoffen finden sich in der Gestis-Stoffdatenbank (siehe Anhang 2, Punkt 5 Weitere Informationsquellen).

3.2.2
Biologische Arbeitsstoffe

Im Kondensat der Rohbiogasleitung können biologische Arbeitsstoffe - d. h. Mikroorganismen wie Bakterien, Viren und Pilze sowie Endotoxine - vorhanden sein.

Bei Arbeiten an Rohbiogasleitungen können Beschäftigte durch Kontakt mit Kondensat oder Verunreinigungen (z. B. Schaumeinbruch) in Rohrleitungen und gasführenden Anlagenteilen gegenüber biologischen Arbeitsstoffen exponiert sein. Diese sind in der Regel der Risikogruppe 1 und 2 nach Biostoffverordnug zugeordnet.

Die Aufnahme biologischer Arbeitsstoffe ist einerseits über die Haut möglich (z. B. Schürfwunden, Schnittverletzungen, vorgeschädigte Haut), andererseits besteht auch die Möglichkeit der inhalativen Aufnahme sowie der Aufnahme über den Verdauungstrakt (z. B. mangelnde Hygiene vor der Nahrungsaufnahme).

Des Weiteren besteht die Gefahr der Verschleppung biologischer Arbeitsstoffe über verschmutzte Arbeitskleidung, PSA und Arbeitsmittel in nicht kontaminierte Bereiche.