TRBA 200 - TR Biologische Arbeitsstoffe 200

Online-Shop für Schriften

Jetzt bei uns im Shop bestellen

Jetzt bestellen

Abschnitt 4 TRBA 200 - Fachkundeanforderungen für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung

(1) Die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung umfasst die sachgerechte Informationsbeschaffung, die Beurteilung der Gefährdungen durch die verwendeten oder vorkommenden Biostoffe sowie die Festlegung und Umsetzung der Schutzmaßnahmen. Die hierfür erforderliche Fachkunde muss nicht zwingend nur von einer Person abgedeckt werden. Es muss jedoch gewährleistet sein, dass alle Fachkundekomponenten berücksichtigt werden. Lässt der Arbeitgeber sich fachkundig beraten, weil er selbst nicht über alle geforderten Kenntnisse verfügt, ist in der Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung festzuhalten, wen er an der Gefährdungsbeurteilung beteiligt hat und wie die für die Fachkunde erforderlichen Komponenten (Abschnitt 3 Absatz 1) abgedeckt werden. Dies ist auch sicherzustellen, wenn mehrere Arbeitgeber für die Gefährdungsbeurteilung verantwortlich sind (Zusammenarbeit mehrerer Arbeitgeber gemäß § 8 ArbSchG).

(2) In den folgenden Abschnitten sind die Anforderungen an die Fachkunde für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung separat für die unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche aufgeführt. Bei Tätigkeiten mit Schutzstufenzuordnung werden die Fachkundeanforderungen schutzstufenbezogen zusammengefasst.

4.1
Anforderungen bei Tätigkeiten ohne Schutzstufenzuordnung

4.1.1
Tätigkeitsbereiche

(1) Tätigkeiten mit Biostoffen in Arbeitsbereichen, die nicht zu Laboratorien, der Versuchstierhaltung, der Biotechnologie oder Einrichtungen des Gesundheitsdienstes zählen, müssen keiner Schutzstufe zugeordnet werden. Hierzu gehören beispielsweise Tätigkeiten mit Biostoffen

  • in der Abwasser- und Abfallwirtschaft,

  • in der Land- und Forstwirtschaft,

  • im Rahmen von Reinigungsarbeiten,

  • bei Sanierungsarbeiten,

  • in Biogasanlagen,

  • in der Veterinärmedizin,

  • in Betrieben der Futter- und Nahrungsmittelproduktion einschließlich Schlachtbetrieben.

(2) Auch Tätigkeiten in der ambulanten Pflege müssen keiner Schutzstufe zugeordnet werden, da sie nicht in Einrichtungen des Gesundheitsdienstes im Sinne der BioStoffV ausgeübt werden. Diese Tätigkeiten - und damit auch die Gefährdungen - sind aber vergleichbar mit den Pflegetätigkeiten der Schutzstufen 1 und 2 in Einrichtungen des Gesundheitsdienstes. Deshalb finden die Regelungen des Abschnitts 4.3.1 auch Anwendung auf die ambulante Pflege.

4.1.2
Fachkundeanforderungen

(1) Folgende Anforderungen müssen erfüllt sein, um die Gefährdungsbeurteilung fachkundig durchzuführen:

  1. 1.

    Es sind ausreichende Kenntnisse der Arbeitsplatzsituation und Tätigkeiten nachzuweisen. Dies kann erreicht werden durch

    • ein abgeschlossenes tätigkeitsbezogenes Studium (mindestens Bachelor; für Tätigkeiten mit Biostoffen der Risikogruppen 3 oder 4 mindestens Master oder jeweils vergleichbares Niveau (siehe auch Deutscher Qualifikationsrahmen (DQR) [5]),

    • eine abgeschlossene branchentypische Ausbildung verbunden mit einschlägigen Tätigkeiten oder

    • eine mindestens zweijährige geeignete Berufserfahrung.

  2. 2.

    Kompetenz im Arbeitsschutz - Voraussetzungen hierfür sind Kenntnisse der

    • relevanten Biostoffe und ihrer Eigenschaften (infektiös, toxisch, sensibilisierend; Einstufung, Übertragungswege bzw. Aufnahmepfade und mögliche Erkrankungen),

    • Arbeitsplätze und Tätigkeiten,

    • einschlägigen Rechtsgrundlagen (insbesondere ArbSchG, BioStoffV, Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) [6], einschlägige TRBA) und branchenspezifischen Vorschriften [7]

    sowie die Fähigkeit zur

    • Bewertung von Tätigkeitsabläufen und Expositionssituationen hinsichtlich der von den Biostoffen ausgehenden Gefährdungen und

    • Substitutionsprüfung sowie Ermittlung und Festlegung tätigkeitsbezogener Schutzmaßnahmen (technisch, organisatorisch und persönlich) sowie arbeitsschutzrelevanter Präventionsmaßnahmen.

(2) Über die erforderliche Kompetenz im Arbeitsschutz verfügen:

  • die Fachkraft für Arbeitssicherheit sowie der Betriebsarzt oder die Betriebsärztin, sofern in deren Aus- oder Fortbildung Kenntnisse über die in der betrachteten Branche spezifischen Gefährdungen durch Biostoffe sowie die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen erworben wurden,

  • der Arbeitgeber, wenn er ein alternatives Betreuungsmodell nach der Unfallverhütungsvorschrift DGUV Vorschrift 2 "Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit" [8] oder für die Bereiche Land-, Forstwirtschaft und Gartenbau ein alternatives Betreuungsmodell nach der Unfallverhütungsvorschrift VSG 1.2 "Sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Betreuung" der SVLFG [9] gewählt und die Maßnahmen zur Information und Motivation abgeschlossen, Kenntnisse über die in der betrachteten Branche spezifischen Gefährdungen durch Biostoffe sowie die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen erworben hat, sowie aktiv in das Betriebsgeschehen eingebunden ist,

  • sonstige Personen, die alle unter 4.1.2 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführten Arbeitsschutzkenntnisse auf andere Art - zum Beispiel im Rahmen des Studiums, der Ausbildung oder von Fortbildungsmaßnahmen - erworben haben.

4.2
Anforderungen bei Tätigkeiten mit Schutzstufenzuordnung in Laboratorien, in der Biotechnologie und in der Versuchstierhaltung

(1) Tätigkeiten in Laboratorien, in der Biotechnologie sowie in der Versuchstierhaltung müssen einer Schutzstufe zugeordnet werden (§ 5 BioStoffV).

(2) Bei Tätigkeiten mit Biostoffen mit einem möglichen doppelten Verwendungszweck (Missbrauchspotenzial) gemäß EU-Dual-Use-Verordnung Nr. (EU) 2021/821 [10] sind zudem gemäß Anhang II der BioStoffV ab der Schutzstufe 2 besondere Aspekte der Biosicherheit im Sinne von "Biosecurity" zu beachten. Derartige Biostoffe werden in der EU-Dual-Use-Verordnung als "human- und tierpathogene Erreger und Toxine" bezeichnet.

(3) Im Folgenden werden die Fachkundeanforderungen für diese Tätigkeitsbereiche schutzstufenbezogen zusammengefasst.

4.2.1
Tätigkeiten der Schutzstufe 1

(1) Bei Tätigkeiten der Schutzstufe 1 ist eine Infektionsgefährdung unwahrscheinlich, je nach eingesetzten Biostoffen bzw. bearbeitetem Material können aber unter bestimmten Rahmenbedingungen (z. B. Arbeitsbedingungen, Expositionen) Gefährdungen aufgrund sensibilisierender oder toxischer Wirkungen auftreten, die bei der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen sind.

(2) Folgende Anforderungen müssen erfüllt sein, um die Gefährdungsbeurteilung fachkundig durchzuführen:

  1. 1.

    Eine geeignete Berufsausbildung und Berufserfahrung, nachgewiesen durch:

    • den Abschluss eines Studiengangs der Lebens- oder Naturwissenschaften (mindestens Bachelor oder vergleichbares Niveau), der Human-, Veterinär- oder Zahnmedizin oder eines Ingenieurstudiums mit biowissenschaftlichen Komponenten

    oder

    • den Abschluss einer staatlich anerkannten Ausbildung als Biologisch-technischer Assistent oder Assistentin (BTA), Medizinisch-technischer Assistent oder Assistentin (MTA) oder einer anderen geeigneten Ausbildung für die jeweiligen Tätigkeiten in Laboratorien oder der Biotechnologie

    oder

    • den Abschluss einer staatlich anerkannten Ausbildung als Tierpfleger oder Tierpflegerin der Fachrichtung Forschung und Klinik

    und eine mindestens zweijährige Tätigkeit im Labor oder in der Versuchstierhaltung oder in der Biotechnologie.

  2. 2.

    Kompetenz im Arbeitsschutz - Voraussetzungen hierfür sind, Kenntnisse der

    • relevanten Biostoffe und ihrer Eigenschaften (infektiös, sensibilisierend oder toxisch; Einstufung, Übertragungswege bzw. Aufnahmepfade und mögliche Erkrankungen),

    • Schutzmaßnahmen (technische, organisatorische und persönliche) bei Auftreten dieser Biostoffe,

    • Arbeitsplätze und Tätigkeiten,

    • einschlägigen Rechtsgrundlagen, insbesondere ArbSchG, BioStoffV, einschlägige TRBA, ArbMedVV, ggf. das Gesetz zur Regelung der Gentechnik - Gentechnikgesetz (GenTG) [11] sowie die GenTSV [11a]

    sowie die Fähigkeit zur

    • Bewertung von Tätigkeitsabläufen und Expositions-situationen hinsichtlich der von den Biostoffen ausgehenden Gefährdungen und

    • Ermittlung und Festlegung branchenspezifischer Schutzmaßnahmen (technisch, organisatorisch und persönlich),

    • Festlegung der erforderlichen arbeitsschutzrelevanten Präventionsmaßnahmen,

    • Ermittlung und Festlegung von geeigneten Maßnahmen zur Inaktivierung, Sterilisation, Desinfektion und Abfallentsorgung.

(3) Über die erforderliche Kompetenz im Arbeitsschutz verfügen:

  • die Fachkraft für Arbeitssicherheit sowie der Betriebsarzt oder die Betriebsärztin, sofern in deren Aus- oder Fortbildung Kenntnisse über in der betrachteten Branche spezifischen Gefährdungen durch Biostoffe sowie die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen erworben wurden,

  • der Arbeitgeber, wenn er ein alternatives Betreuungsmodell nach der Unfallverhütungsvorschrift DGUV Vorschrift 2 "Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit" wählt, Kenntnisse über die in der betrachteten Branche spezifischen Gefährdungen durch Biostoffe sowie die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen erworben hat und aktiv in das Betriebsgeschehen eingebunden ist,

  • Arbeitgeber oder sonstige Personen (z. B. Beauftragte für die Biologische Sicherheit), die die erforderlichen Arbeitsschutzkenntnisse auf andere Art - zum Beispiel im Rahmen des Studiums, der Ausbildung oder einer Fortbildungsmaßnahme - erworben haben.

4.2.2
Tätigkeiten der Schutzstufe 2

(1) Bei Tätigkeiten der Schutzstufe 2 und höher stehen in diesen Tätigkeitsbereichen die Infektionsgefährdungen im Vordergrund.

(2) Folgende Anforderungen müssen erfüllt sein, um die Gefährdungsbeurteilung fachkundig durchzuführen:

  1. 1.

    Eine geeignete Berufsausbildung und Berufserfahrung, nachgewiesen durch:

    • den Abschluss eines Studiengangs der Lebens- oder Naturwissenschaften (mindestens Bachelor oder vergleichbares Niveau), der Human- oder Veterinär- oder Zahnmedizin oder eines Ingenieurstudiums mit biowissenschaftlichen Komponenten

    und

    • eine mindestens zweijährige Tätigkeit im Labor oder in der Versuchstierhaltung oder in der Biotechnologie sowie praktische Erfahrung mit Tätigkeiten in der Schutzstufe 2.

  2. 2.

    Kompetenz im Arbeitsschutz - Voraussetzungen hierfür sind Kenntnisse der

    • relevanten Biostoffe und ihrer Eigenschaften (infektiös, sensibilisierend oder toxisch; Einstufung, Übertragungswege bzw. Aufnahmepfade und mögliche Erkrankungen),

    • Arbeitsplätze und Tätigkeiten,

    • Schutzmaßnahmen (technische, organisatorische und persönliche) bei Auftreten dieser Biostoffe,

    • einschlägigen Rechtsgrundlagen (insbesondere ArbSchG, BioStoffV, ArbMedVV, einschlägige TRBA - insbesondere die TRBA 100 "Schutzmaßnahmen für Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in Laboratorien" für den Bereich Laboratorien [12] bzw. die TRBA 120 "Versuchstierhaltung" für den Bereich Versuchstierhaltung [13], die AMR 6.5 [29], ggf. das GenTG sowie die GenTSV [11, 11a], das Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen - Infektionsschutzgesetz (IfSG) [14], die Verordnung über das Arbeiten mit Tierseuchenerregern - Tierseuchenerregerverordnung (TierSeuchErV) [15])

    sowie die Fähigkeit zur

    • Bewertung von Tätigkeitsabläufen und Expositions-situationen hinsichtlich der von den Biostoffen ausgehenden Gefährdungen,

    • Prüfung der Substitutionsmöglichkeiten (bezogen auf Biostoffe, Arbeitsverfahren und Arbeitsmittel),

    • Anwendung des Minimierungsgebotes,

    • Zuordnung der durchzuführenden Tätigkeiten zu gezielten und nicht gezielten Tätigkeiten sowie zur erforderlichen Schutzstufe,

    • Ermittlung und Festlegung der erforderlichen Schutzmaßnahmen (technische, organisatorische und persönliche Schutzmaßnahmen) nach dem Stand der Technik,

    • Überwachung der Funktion und Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen,

    • Festlegung von Sofortmaßnahmen bei Unfällen oder Zwischenfällen sowie Auswertung von Unfallursachen,

    • Ermittlung erforderlicher medizinischer Präventionsmaßnahmen,

    • Ermittlung und Festlegung von geeigneten Maßnahmen zur Inaktivierung, Sterilisation, Desinfektion und Abfallentsorgung,

    • Festlegung der erforderlichen arbeitsschutzrelevanten Hygienemaßnahmen.

(3) Über die erforderliche Kompetenz im Arbeitsschutz verfügen:

  • die Fachkraft für Arbeitssicherheit sowie der Betriebsarzt oder die Betriebsärztin, sofern in deren Aus- und Fortbildung Kenntnisse über spezifische Gefährdungen im jeweiligen Einsatzgebiet erworben wurden,

  • Personen (z. B. Beauftragte für die Biologische Sicherheit), die die erforderlichen Arbeitsschutzkenntnisse im Rahmen des Studiums, der Ausbildung oder einer Fortbildungsmaßnahme erworben haben.

(4) Bei Tätigkeiten mit Biostoffen der Risikogruppe 2 mit einem möglichen doppelten Verwendungszweck ("dual use" Potenzial) sind Aspekte der biologischen Sicherheit (Biosecurity) zu berücksichtigen, einschließlich der Verhinderung von Verlust und Missbrauch der Biostoffe. Anhang II der BioStoffV, in dem auf die Verordnung (EU) Nr. 2021/821 verwiesen wird, ist zu beachten.

4.2.3
Tätigkeiten der Schutzstufen 3 oder 4

(1) Aufgrund der hohen Gefährdung sind für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten der Schutzstufe 3 oder 4 besondere Anforderungen an die Fachkunde zu stellen. Deshalb ist der Arbeitgeber verpflichtet, sich von einer zu benennenden fachkundigen Person beraten zu lassen, es sei denn, es finden ausschließlich Tätigkeiten mit Biostoffen der Risikogruppe 3, die mit (**) gekennzeichnet sind, statt. Schwerpunkt bei der Gefährdungsbeurteilung ist neben der strikten Vermeidung einer Exposition der Beschäftigten auch die konsequente Aufrechterhaltung von Einschließungsmaßnahmen, um ein Entweichen hochpathogener Biostoffe zu verhindern.

(2) Insbesondere sind bei Tätigkeiten mit Biostoffen der Risikogruppe 3 und 4 mit einem möglichen doppelten Verwendungszweck ("dual use" Potenzial) Aspekte der biologischen Sicherheit (Biosecurity) zu berücksichtigen (siehe auch Positionspapier des ABAS "Biosecurity aus Sicht des Arbeitsschutzes - Bewertung der Schnittstellen" [16]). Ein Verlust und Missbrauch der Biostoffe ist zu verhindern. Anhang II der BioStoffV, in dem auf die Verordnung (EU) Nr. 2021/821 verwiesen wird, ist zu beachten. Im Hinblick auf die Fachkunde erfordert die Verwendung derartiger Biostoffe spezifische Kenntnisse für die Beurteilung ihrer Eigenschaften und in Bezug auf erforderliche Sicherungsmaßnahmen.

(3) Folgende Anforderungen müssen erfüllt sein, um die Gefährdungsbeurteilung fachkundig durchzuführen:

  1. 1.

    Eine geeignete Berufsausbildung sowie Berufserfahrung, nachgewiesen durch:

    • den Abschluss eines Studiums (mindestens Master, Diplom oder vergleichbares Niveau) der Lebenswissenschaften, der Human- oder Veterinärmedizin oder den Abschluss eines naturwissenschaftlichen (Fach-) Hochschul- oder Universitätsstudiums mit mikrobiologischen Inhalten

    und

    • eine mindestens zweijährige Tätigkeit in der Schutzstufe 2 oder höher im Labor, in der Versuchstierhaltung oder in der Biotechnologie,

    und

    • dokumentierte praktische Erfahrung mit Tätigkeiten in der Schutzstufe 3 oder 4.

  2. 2.

    Kompetenz im Arbeitsschutz, insbesondere zu Tätigkeiten der Schutzstufe 3 - Voraussetzungen hierfür sind Kenntnisse der

    • relevanten Biostoffe und ihrer Eigenschaften (infektiös, sensibilisierend oder toxisch; Einstufung, Übertragungswege bzw. Aufnahmepfade und mögliche Erkrankungen),

    • Arbeitsplätze und Tätigkeiten,

    • Schutzmaßnahmen (technische, organisatorische und persönliche) bei Auftreten dieser Biostoffe,

    • sicherheitstechnischen Voraussetzungen,

    • Funktionsweise sicherheitstechnisch relevanter Einrichtungen und Arbeitsgeräte,

    • Elemente von Arbeitsschutzmanagementsystemen und der Risikokommunikation,

    • einschlägigen Rechtsgrundlagen (insbesondere ArbSchG, BioStoffV, einschlägige TRBA - insbesondere die TRBA 100 im Bereich Laboratorien bzw. TRBA 120 im Bereich Versuchstierhaltung, ArbMedVV - insbesondere AMR 6.5, Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln - Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) [17], ggf. das GenTG sowie die GenTSV, das IfSG, die TierSeuchErV), zum außerbetrieblichen Transport [30]

    sowie die Fähigkeit zur

    • Bewertung von Tätigkeitsabläufen und Expositions-situationen hinsichtlich der von den Biostoffen ausgehenden Gefährdungen,

    • Prüfung der Substitutionsmöglichkeiten (bezogen auf Biostoffe, Arbeitsverfahren und Arbeitsmittel),

    • Anwendung des Minimierungsgebotes,

    • Zuordnung der durchzuführenden Tätigkeiten zu gezielten und nicht gezielten Tätigkeiten sowie zur erforderlichen Schutzstufe,

    • Ermittlung, Festlegung und Wirksamkeitsprüfung der erforderlichen Schutzmaßnahmen (technische, organisatorische und persönliche Schutzmaßnahmen, insbesondere Persönliche Schutzausrüstung) nach dem Stand der Technik,

    • Beurteilung und Festlegung geeigneter Sicherungsmaßnahmen, z. B. im Hinblick auf Zugangs- und Zugriffsbeschränkung, Datensicherheit oder Personal,

    • Erstellung von Arbeitsanweisungen,

    • Festlegung von Sofortmaßnahmen bei Unfällen oder Zwischenfällen sowie Auswertung von Unfallursachen,

    • Erstellung eines innerbetrieblichen Notfallplans sowie eines Konzepts zur Gefahrenabwehr,

    • Ermittlung erforderlicher medizinischer Präventionsmaßnahmen,

    • Ermittlung und Festlegung von geeigneten Maßnahmen zur Inaktivierung, Sterilisation, Desinfektion und Abfallentsorgung,

    • Festlegung der erforderlichen arbeitsschutzrelevanten Hygienemaßnahmen.

(4) Fachkraft für Arbeitssicherheit, Betriebsarzt oder Betriebsärztin und ggf. weitere Personen (z. B. Beauftragte für die Biologische Sicherheit, Betriebstechniker) decken in der Regel Teilaspekte der erforderlichen Arbeitsschutzkompetenz ab und können insoweit zur Beratung bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung hinzugezogen werden.

4.3
Anforderungen bei Tätigkeiten mit Schutzstufenzuordnung in Einrichtungen des Gesundheitsdienstes sowie bei Tätigkeiten in der ambulanten Pflege

Tätigkeiten mit Biostoffen in Einrichtungen des Gesundheitsdienstes werden ebenfalls Schutzstufen zugeordnet. Tätigkeiten in der ambulanten Pflege dagegen müssen nach der Biostoffverordnung keiner Schutzstufe zugeordnet werden, da sie laut Begriffsbestimmung nicht in Einrichtungen des Gesundheitsdienstes (§ 2 Absatz 14 BioStoffV) durchgeführt werden. Aufgrund der Vergleichbarkeit der Pflegetätigkeiten in beiden Bereichen, wird die ambulante Pflege aber in Abschnitt 4.3.1 miterfasst.

4.3.1
Tätigkeiten der Schutzstufe 1 oder 2 und Tätigkeiten in der ambulanten Pflege

(1) In vielen Arbeitsbereichen des Gesundheitsdienstes finden Tätigkeiten der Schutzstufe 1 und 2 nebeneinander statt. Die Fachkundeanforderungen für diese beiden Schutzstufen werden deshalb zusammengefasst. Bei Tätigkeiten der Schutzstufe 1 ist eine Infektionsgefährdung unwahrscheinlich; bei Tätigkeiten der Schutzstufe 2 muss mit einer Infektionsgefährdung gerechnet werden.

(2) Folgende Anforderungen müssen erfüllt sein, um die Gefährdungsbeurteilung fachkundig durchzuführen:

  1. 1.

    Eine geeignete Berufsausbildung sowie Berufserfahrung, nachgewiesen:

    1. a)

      in Krankenhäusern, in der stationären Pflege, Hospizen und Arztpraxen durch:

      • ein abgeschlossenes Medizinstudium oder

      • eine abgeschlossene Ausbildung in der Krankenpflege oder Fachaltenpflege,

      • eine abgeschlossene Ausbildung in einem Gesundheitsfachberuf, z. B. Operations-technischer Assistent oder Operationstechnische Assistentin,

    2. b)

      in Reha-Einrichtungen, in der ambulanten Pflege und in sonstigen Einrichtungen des Gesundheitswesens durch:

      • eine Ausbildung nach Nummer 1a) oder

      • den Abschluss einer staatlich anerkannten branchentypischen Ausbildung, z. B. Physiotherapeut oder Physiotherapeutin, Logopäde oder Logopädin

      und

      • eine mindestens zweijährige Tätigkeit in dem erlernten Beruf.

  2. 2.

    Kompetenz im Arbeitsschutz - Voraussetzungen hierfür sind Kenntnisse der

    • relevanten Biostoffe und ihrer Eigenschaften (infektiös, sensibilisierend oder toxisch; Einstufung, Übertragungswege bzw. Aufnahmepfade und mögliche Erkrankungen),

    • Schutzmaßnahmen (technisch, organisatorisch und persönlich) beim Auftreten dieser Biostoffe,

    • Arbeitsplätze und Tätigkeiten,

    • einschlägigen Rechtsgrundlagen (insbesondere ArbSchG, BioStoffV, TRBA - insbesondere TRBA 250 "Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege" [18], ArbMedVV - insbesondere AMR 6.5, IfSG, Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) [19], Krankenhaushygieneverordnungen der Bundesländer (Med-HygVO der Länder) [20])

    sowie die Fähigkeit zur

    • Bewertung von Tätigkeitsabläufen und Expositions-situationen hinsichtlich der von den Biostoffen ausgehenden Gefährdungen,

    • Ermittlung und Festlegung der erforderlichen Schutzmaßnahmen (technische, organisatorische und persönliche Schutzmaßnahmen, insbesondere Persönliche Schutzausrüstung) nach dem Stand der Technik,

    • Anwendung des Minimierungsgebotes,

    • Festlegung von Sofortmaßnahmen bei Unfällen oder Zwischenfällen sowie Auswertung von Unfallursachen,

    • konzeptionellen Planung und praktischen Umsetzung von Maßnahmen zur Reduzierung von Nadelstichverletzungen,

    • Ermittlung erforderlicher medizinischer Präventionsmaßnahmen,

    • Ermittlung und Festlegung von geeigneten Maßnahmen zur Inaktivierung, Sterilisation, Desinfektion und Abfallentsorgung,

    • Festlegung der erforderlichen Hygienemaßnahmen.

(3) Über die erforderliche Kompetenz im Arbeitsschutz verfügen:

  • die Fachkraft für Arbeitssicherheit sowie der Betriebsarzt oder die Betriebsärztin, sofern in deren Aus- oder Fortbildung Kenntnisse über spezifische Gefährdungen im jeweiligen Einsatzgebiet erworben wurden,

  • der Arbeitgeber, wenn er ein alternatives Betreuungsmodell nach der Unfallverhütungs-vorschrift DGUV Vorschrift 2 "Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit" wählt, Kenntnisse über die in der betrachteten Branche spezifischen Gefährdungen durch Biostoffe sowie die zu ergreifenden Arbeitsschutzmaßnahmen erworben hat und aktiv in das Betriebsgeschehen eingebunden ist,

  • sonstige Personen, die die erforderlichen Arbeitsschutzkenntnisse auf andere Art - zum Beispiel im Rahmen des Studiums, der Ausbildung oder einer Fortbildungsmaßnahme - erworben haben.

4.3.2
Tätigkeiten der Schutzstufe 3

(1) Aufgrund der erhöhten Infektionsgefährdung sind für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten der Schutzstufe 3 höhere Anforderungen an die Fachkunde zu stellen.

(2) Folgende Anforderungen müssen erfüllt sein, um die Gefährdungsbeurteilung fachkundig durchzuführen:

  1. 1.

    Eine geeignete Berufsausbildung sowie Berufserfahrung, nachgewiesen durch:

    • ein abgeschlossenes Studium der Humanmedizin

    und

    • eine mindestens zweijährige Tätigkeit in dem erlernten Beruf.

  2. 2.

    Kompetenz im Arbeitsschutz, insbesondere zu Tätigkeiten der Schutzstufe 3 - Voraussetzungen hierfür sind Kenntnisse der

    • relevanten Biostoffe und ihrer Eigenschaften (Einstufung, Übertragungswege und mögliche Erkrankungen),

    • Schutzmaßnahmen (technisch, organisatorisch und persönlich) beim Auftreten dieser Biostoffe,

    • Arbeitsplätze und Tätigkeiten,

    • einschlägigen Rechtsgrundlagen (insbesondere ArbSchG, BioStoffV, TRBA - insbesondere TRBA 250, ArbMedVV - insbesondere AMR 6.5, IfSG, BetrSichV, KRINKO-Empfehlungen, Med-HygVO der Länder)

    sowie die Fähigkeit zur

    • Bewertung von Tätigkeitsabläufen und Expositions-situationen hinsichtlich der von den Biostoffen ausgehenden Gefährdungen,

    • Zuordnung der durchzuführenden Tätigkeiten zur erforderlichen Schutzstufe,

    • Ermittlung und Festlegung der erforderlichen Schutzmaßnahmen insbesondere im Hinblick auf notwendige räumliche Trennung und Persönliche Schutzausrüstung für Tätigkeiten der Schutzstufe 3,

    • Festlegung der Zutrittsregelungen,

    • Festlegung von Sofortmaßnahmen bei Unfällen oder Zwischenfällen sowie Auswertung von Unfallursachen,

    • konzeptionellen Planung und praktischen Umsetzung von Maßnahmen zur Reduzierung von Nadelstichverletzungen,

    • Ermittlung erforderlicher arbeitsschutzrelevanter Präventionsmaßnahmen,

    • Ermittlung und Festlegung von geeigneten Maßnahmen zur Inaktivierung, Sterilisation, Desinfektion und Abfallentsorgung.

(3) Fachkraft für Arbeitssicherheit sowie Betriebsarzt oder Betriebsärztin und ggf. weitere Personen (z. B. Beauftragte für die Biologische Sicherheit, Betriebstechniker) decken in der Regel Teilaspekte der erforderlichen Arbeitsschutzkompetenz ab und können insoweit zur Beratung bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung hinzugezogen werden.

4.3.3
Tätigkeiten der Schutzstufe 4 (Sonderisolierstationen)

(1) Aufgrund der hohen Gefährdung sind für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten der Schutzstufe 4 besondere Anforderungen an die Fachkunde zu stellen, und der Arbeitgeber ist verpflichtet, sich von der benannten fachkundigen Person beraten zu lassen. Schwerpunkt ist hier nicht nur die Vermeidung einer Exposition der Beschäftigten. Vielmehr liegt das Augenmerk auch darauf zu verhindern, dass andere Personen infiziert werden und hochpathogene Biostoffe in die Umwelt gelangen.

(2) Folgende Kompetenzen sind erforderlich, um die Gefährdungsbeurteilung fachkundig durchzuführen:

  1. 1.

    Eine geeignete Berufsausbildung sowie Berufserfahrung, nachgewiesen durch:

    • die Qualifikation zum Facharzt oder zur Fachärztin für medizinische Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie oder Facharzt oder Fachärztin für Innere Medizin oder für Kinder- und Jugendmedizin, mit geeigneten spezifische Fortbildungen

    oder

    • die Qualifikation zum Facharzt oder zur Fachärztin mit der Berechtigung zum Führen der Zusatzbezeichnung "Tropenmedizin" bzw. "Infektiologie"

    sowie

    • eine unmittelbar zuvor liegende mindestens fünfjährige fachärztliche Tätigkeit.

  2. 2.

    Kompetenz im Arbeitsschutz, insbesondere zu Tätigkeiten der Schutzstufe 4 - Voraussetzungen hierfür sind Kenntnisse

    • hinsichtlich Aufbau und Betrieb einer Sonderisolierstation, insbesondere zu sicherheitstechnischen Aspekten und Einrichtungen,

    • der einschlägigen Rechtsgrundlagen (insbesondere die speziellen Anforderungen für eine Sonderisolierstation nach Anhang 1 der TRBA 250, ferner ArbSchG, BioStoffV, ArbMedVV - insbesondere AMR 6.5, IfSG)

    sowie die Fähigkeit zur

    • konzeptionellen Planung des Betriebs einer Sonderisolierstation,

    • Entwicklung von Managementkonzepten für den Behandlungsbereich, z. B. zur Inbetriebnahme vor Behandlungsbeginn, zur Betriebsorganisation während der Behandlung und nach Behandlungsende,

    • konzeptionellen Planung und Festlegung von geeigneten Maßnahmen zur Inaktivierung, Sterilisation, Desinfektion und Abfallentsorgung sowie zur Dekontamination von Persönlicher Schutzausrüstung,

    • Festlegung von Sofortmaßnahmen bei Unfällen oder Zwischenfällen sowie Auswertung von Unfallursachen,

    • Entwicklung von Schulungs- und Trainingskonzepten.

(3) Fachkraft für Arbeitssicherheit sowie Betriebsarzt oder Betriebsärztin und ggf. weitere Personen (z. B. Beauftragte für die Biologische Sicherheit, Betriebstechniker) decken in der Regel Teilaspekte der erforderlichen Arbeitsschutzkompetenz ab und können insoweit zur Beratung bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung hinzugezogen werden.