DGUV Information 250-010 - Eignungsuntersuchungen in der betrieblichen Praxis

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Abschnitt 1.2 - 2 Eignungsuntersuchung

Eignungsuntersuchungen (Tauglichkeitsuntersuchungen) dienen der Beantwortung der Frage, ob die vorhandenen physischen und psychischen Fähigkeiten und Potenziale der Beschäftigten erwarten lassen, dass die während der Beschäftigung zu erledigenden Tätigkeiten von ihnen ausgeübt werden können.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin für die Durchführung von Eignungsuntersuchungen grundsätzlich einen Arzt bzw. Ärztin seines Vertrauens bestimmen. Macht die beschäftigte Person begründete Bedenken etwa gegen die Fachkunde oder Unvoreingenommenheit des Arztes bzw. der Ärztin geltend, kann der Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin nach billigem Ermessen (§ 315 Abs. 1 BGB) verpflichtet sein, einen anderen Arzt bzw. Ärztin mit der Begutachtung zu beauftragen (vgl. BAG, Urteil vom 27.09.2012, 2 AZR 811/11). Bei der Ausübung billigen Ermessens sind die beiderseitigen Interessen objektiv gegeneinander abzuwägen.

Auch Eignungsuntersuchungen dürfen nur durchgeführt werden, wenn die betroffenen Beschäftigten in die Untersuchung einwilligen und sie hierdurch nicht unangemessen benachteiligt werden (§ 307 BGB, s. a. III). Unter der Voraussetzung der Verhältnismäßigkeit (s. u. III) kann sich für Beschäftigte eine Pflicht zum Nachweis ihrer Eignung aus unterschiedlichen Rechtsgrundlagen ergeben. Die Verletzung einer Pflicht zur Mitwirkung an einer Eignungsuntersuchung kann für Beschäftigte zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen (BAG Urteil vom 27. September 2012, 2 AZR 811/11), allerdings nur, wenn die Pflicht wirksam begründet worden ist.

Eignungsuntersuchungen können unterteilt werden in Untersuchungen vor Einstellung und Untersuchungen während des laufenden Beschäftigungsverhältnisses. Eignungsuntersuchungen werden auf Veranlassung des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin durchgeführt. Sie dienen vorrangig Arbeitgeberinteressen im Zusammenhang mit der Stellenbesetzung. In gefährdeten Bereichen können sie dem Schutz anderer Beschäftigter bzw. Dritter und zur Verhütung von Arbeitsunfällen dienen, insbesondere falls eine Gefährdung anderer Personen nicht anders, z. B. durch eine effektive technische oder organisatorische Maßnahme, vermieden werden kann. Bei Eignungsuntersuchungen festgestellte Eignungsmängel können dazu führen, dass die betroffenen Beschäftigten nicht weiter in ihrer angestammten Tätigkeit arbeiten können.

Aus § 7 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention" ergibt sich, dass der Unternehmer bzw. die Unternehmerin Beschäftigte, die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, mit dieser Arbeit nicht betrauen darf. Nach § 7 Abs. 1 DGUVVorschrift 1 (Befähigung für Tätigkeiten) hat der Unternehmer bzw. die Unternehmerin zudem bei der Übertragung von Aufgaben auf Versicherte je nach Art der Tätigkeiten zu berücksichtigen, ob die Versicherten befähigt sind, die für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Aufgabenerfüllung zu beachtenden Bestimmungen einzuhalten. Auch muss der Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin gemäß § 7 ArbSchG bei der Übertragung von Tätigkeiten auf Beschäftigte berücksichtigen, ob die Beschäftigten befähigt sind, die für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Aufgabenerfüllung zu beachtenden Bestimmungen und Maßnahmen einzuhalten.

Die allgemeinen Anforderungen des § 7 DGUV Vorschrift 1 als solche stellen jedoch keine Rechtsgrundlage für Eignungsuntersuchungen, sondern lediglich Eignungsvorbehalte dar (s. u. II 1a). Auch spezielle Unfallverhütungsvorschriften enthalten Eignungsvorbehalte, vgl. § 29 Abs. 1 Nr. 2 DGUV Vorschrift 52 und 53 "Krane" (bisher: BGV D 6 und GUV-V D 6), § 7 Abs. 1 Nr. 2 DGUV Vorschrift 68 und 69 "Flurförderzeuge" (bisher: BGV D 27 und GUV-V D 27), § 35 Abs. 1 Nr. 2 DGUV Vorschrift 70 und 71 "Fahrzeuge" (bisher: BGV D 29 und GUV-V D 29) und § 14 DGUV Vorschrift 49 "Feuerwehren" (bisher: GUV-V C 53), deren Überarbeitung durch die DGUV angestrebt wird. Untersuchungen sind nach derzeit geltendem Recht auch in diesen Unfallverhütungsvorschriften nicht ausdrücklich vorgeschrieben.

Eignungsuntersuchungen, die durch Gesetz oder Rechtsverordnung vorgeschrieben sind (s. u. II 1a), sorgen in der Praxis kaum für Unklarheiten und sind bekannt. Sie sind jedoch bislang nur für bestimmte Personengruppen geregelt (z. B. in der Fahrerlaubnisverordnung).

Zu individual- und kollektivrechtlichen Vereinbarungen über Eignungsuntersuchungen (s. u. II 1b) gibt es nur wenige arbeitsgerichtliche Urteile zu einigen Einzelfällen, so dass sich die Praxis nach wie vor mit zahlreichen offenen Fragen konfrontiert sieht. Die hier dargestellten Grundlagen für Eignungsuntersuchungen und die aufgeführten Beispiele sind daher zwar nach bestem Wissen ausgewählt, aber nicht in allen Aspekten gerichtlich bestätigt.