DGUV Information 207-002 - Sicherheit und Gesundheit an ausgelagerten Arbeitsplätzen Hilfestellungen zur Zusammenarbeit von Werkstätten für behinderte Menschen und Anbietern von ausgelagerten Arbeitsplätzen

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Abschnitt 1 - 1 Einführung, Anwendungsbereich

Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) sind nach § 219 Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) Einrichtungen zur Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Arbeitsleben und zur Eingliederung in das Arbeitsleben. Eine der Aufgaben einer WfbM ist es, den Übergang geeigneter Personen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch geeignete Maßnahmen zu fördern. Ein möglichst breites Angebot an Berufsbildungs- und Arbeitsplätzen steht hierfür zur Verfügung u.a. auch ausgelagerte Arbeitsplätze auf dem allgemeinen, dem sogenannten ersten Arbeitsmarkt. Diese Forderung ergibt sich auch aus § 5 Werkstattverordnung (WVO).

In ausgelagerten Arbeitsplätzen erfahren WfbM-Beschäftigte eine den Bedingungen des allgemeinen Arbeitslebens nahekommende berufliche Rehabilitation in einem Unternehmen außerhalb der Werkstatt. Ein Bestandteil dieser Rehabilitation ist die Einbindung der WfbM-Beschäftigten in die Organisations- und Ablaufstruktur des aufnehmenden Betriebes.

Hierbei ist zu beachten, dass Menschen mit Behinderung auch auf einem ausgelagerten Arbeitsplatz den Status als WfbM-Beschäftigte behalten. Ein Anspruch gegenüber der WfbM auf berufliche Bildung, Begleitung, Förderung, Assistenz und Hilfestellung besteht weiterhin. Das gilt unabhängig davon, ob der Arbeitsplatz zeitlich befristet oder dauerhaft ausgelagert ist.

Durch ihren rehabilitativen Charakter grenzt sich die Beschäftigung von WfbM-Beschäftigten auf ausgelagerten Arbeitsplätzen grundsätzlich von der Arbeitsnehmerüberlassung nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) ab. Wegen ihres besonderen Status gelten WfbM-Beschäftigte nicht als Arbeitnehmer. Das AÜG findet deshalb keine Anwendung 1).

Nach Auffassung des Fachbereichs Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege sollen ausgelagerte Arbeitsplätze dauerhaft keine sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze verdrängen, vernichten oder in Konkurrenz dazu treten. Sie stellen ein zusätzliches Angebot dar.

Die Rahmenbedingungen und Schnittstellen, unter denen die Tätigkeiten auf einem ausgelagerten Arbeitsplatz erfolgen, sind stets durch einen schriftlichen Vertrag zwischen der Werkstatt und dem aufnehmenden Betrieb zu regeln. Auf dem ausgelagerten Arbeitsplatz behält die WfbM die Pflichten der betrieblichen Sicherheit und Gesundheit gegenüber dem Menschen mit Behinderung. Parallel hat auch der aufnehmende Betrieb Pflichten bezüglich betrieblicher Sicherheit und Gesundheit gegenüber WfbM-Beschäftigten. Die Zuständigkeit für die Umsetzung dieser Pflichten ist im Vertrag oder durch eine zusätzliche schriftliche Arbeitsschutzvereinbarung festzulegen.

Unterschiedliche Erwartungen und fehlende Kenntnisse über die jeweils andere Einrichtung - einerseits WfbM und andrerseits aufnehmender Betrieb - bringen im Alltag oftmals Schwierigkeiten und Probleme mit sich.

Für ausgelagerte Arbeitsplätze gilt das gleiche wie für die Arbeit im Unternehmen insgesamt:

  • nur wenn ausgelagerte Arbeitsplätze sorgfältig organisiert und vorbereitet sind, haben die Arbeitsverhältnisse einen Nutzen für beide Seiten,

  • nur wenn WfbM-Beschäftigte auf den ausgelagerten Arbeitsplätzen in geeigneter Weise in die Maßnahmen der betrieblichen Sicherheit und Gesundheit eingebunden werden, können sie effektiv und sicher arbeiten.

In dieser Information finden Sie Kriterien und Hilfen,

  • was beim Einsatz von WfbM-Beschäftigten auf ausgelagerten Arbeitsplätzen zu berücksichtigen und zu beachten ist

und

  • wie WfbM-Beschäftigte auf ausgelagerten Arbeitsplätzen sicher und effektiv in die bestehenden Betriebsabläufe des aufnehmenden Betriebs eingebunden werden können.

Bevor ausgelagerte Arbeitsplätze eingerichtet werden können, müssen sich beide Vertragsparteien über die Notwendigkeit von beschützenden und individuell zugeschnittenen Rahmenbedingungen einig werden. Die Einbindung der Verantwortlichen beider Vertragsparteien ist zu gewährleisten.

Nach den Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG), des Arbeitssicherheitsgesetzes (ASiG) sowie der DGUV Vorschrift 1 sind für WfbM-Beschäftigte auf ausgelagerten Arbeitsplätzen folgende Pflichten für die Sicherstellung der betrieblichen Sicherheit und Gesundheit zu erfüllen:

  • Delegation der Arbeitgeberpflichten,

  • Sicherheitstechnische Betreuung (Fachkraft für Arbeitssicherheit),

  • Betriebsärztliche Betreuung (Betriebsärztin oder Betriebsarzt),

  • Beurteilung der Arbeitsbedingungen (Gefährdungsbeurteilung),

  • Beseitigung bzw. Minimierung von Gesundheitsgefahren,

  • Anweisung, Unterweisung sowie Kontrollen,

  • Bereitstellung von Persönlicher Schutzausrüstung (PSA),

  • Sicherstellung der Ersten-Hilfe,

  • Regelungen für das Vorgehen nach einem Arbeits-/Wegeunfall.

Daher muss die entsendende WfbM zusammen mit dem aufnehmenden Betrieb durch organisatorische Regelungen und Absprachen dafür sorgen, dass die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit auch auf Außenarbeitsplätzen gewährleistet ist. Insbesondere für die Beurteilung der Arbeitsbedingungen an den ausgelagerten Arbeitsplätzen und die hieraus abzuleitenden Maßnahmen sind sowohl die WfbM als auch der aufnehmende Betrieb zuständig.

Hilfreich ist die Benennung einer verantwortlichen Patin oder eines verantwortlichen Paten für die WfbM-Beschäftigte oder den WfbM-Beschäftigten im aufnehmenden Betrieb. Diese Patenschaft fordert ein hohes Maß an sozialer Kompetenz und Verantwortungsbewusstsein im Betrieb. Die Paten sollten sowohl menschlich als auch fachlich geeignet und motiviert sein, sich beim Einsatz von WfbM-Beschäftigten auf die besonderen Anforderungen des "Neuen" einzulassen. Zudem sind Paten mit Weisungsbefugnis auszustatten, um ihrer Verantwortung gerecht werden zu können.

Da der Anspruch der WfbM-Beschäftigten auf berufliche Bildung, Begleitung, Förderung, Assistenz und Hilfestellung gegenüber der WfbM bestehen bleibt, ist von dort aus eine angemessene Betreuung durch Fachkräfte während der Beschäftigung auf dem ausgelagerten Arbeitsplatz erforderlich.

Für dieses Tätigkeitsfeld haben sich viele Berufsbezeichnungen etabliert, die aber nicht bundeseinheitlich verwendet werden. Üblich sind hier zurzeit Bezeichnungen wie

  • Jobcoach,

  • Integrationsbegleiterin, Integrationsbegleiter

  • Integrationsassistentin, Integrationsassistent

  • Arbeitsassistentin, Arbeitsassistent

  • Praxisbegleiterin, Praxisbegleiter oder

  • Integrationsberaterin, Integrationsberater.

Im Folgenden wird der Einfachheit halber von der Integrationsbegleitung 2) gesprochen.

Eine enge Zusammenarbeit zwischen WfbM und aufnehmenden Betrieb bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung ist unerlässlich. Insbesondere ein Austausch zwischen Integrationsbegleitung und den Paten soll gewährleistet sein, um im Vorwege für gute Rahmenbedingungen zu sorgen und bei erkennbaren Schwierigkeiten im Rahmen der Beschäftigung, rechtzeitig notwendige Maßnahmen abstimmen zu können. In der Regel besitzt der Personenkreis der Integrationsbegleitung zu wenige Fachkenntnisse auf dem Gebiet der Arbeitssicherheit. Eine bundesweit einheitliche Ausbildung existiert bisher nicht. Erforderliche Kenntnisse in der betrieblichen Sicherheit und Gesundheit müssen derzeit in Eigenregie erworben werden. Hierbei hat sich die enge Zusammenarbeit mit den Arbeitsschutzexperten (Fachkraft für Arbeitssicherheit und Betriebsärztin oder Betriebsarzt ) der WfbM und des aufnehmenden Betriebes bewährt.

Die folgenden Dokumente und Checklisten sollen bei der Einrichtung ausgelagerter Arbeitsplätze und der Vertragsgestaltung bzw. der Arbeitsschutzvereinbarung unterstützen. Adressat sind die Verantwortlichen in der WfbM und in den aufnehmenden Betrieben. Die Inhalte sind nicht abschließend und können bzw. sollen jeweils individuell an die Gegebenheiten angepasst werden.

Inhalt der Dokumente sind neben rechtlichen Informationen auch Hilfen

  • zur Bedarfsermittlung,

  • zur Festlegung von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten,

  • zu Fragen der Arbeitsgestaltung,

  • zu Unterweisungen sowie

  • zu Vertragsinhalten bzw. der Arbeitsschutzvereinbarung.

Weiterhin unterstützen die Dokumente eine nachträgliche Auswertung eines Einsatzes der bzw. des WfbM-Beschäftigten auf dem ausgelagerten Arbeitsplatz, um diese Beschäftigungsmöglichkeiten im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) ständig zu optimieren.

Siehe hierzu: fachliche Weisungen Arbeitsüberlassungsgesetz (Anlage zur Weisung 201703005) gültig ab 01.04.2017, Ziffer 1.1.5 (Besondere Fallgestaltung) Absatz 14. Zu finden unter: https://con.arbeitsagentur.de/prod/apok/ct/dam/download/documents/FW-AUeG_ba016586.pdf

Die Behindertenrechtskonvention (BRK) benutzt den Begriff Integration nicht mehr und spricht nur noch von Inklusion.