DGUV Information 215-315 - Sicherheit bei Veranstaltungen und Produktionen - Besondere szenische Darstellungen

Online-Shop für Schriften

Jetzt bei uns im Shop bestellen

Jetzt bestellen

Anhang 1 - Vorgehensweise bei der individuellen Gefährdungsbeurteilung

Für besondere szenische Darstellungen ist eine individuelle Gefährdungsbeurteilung erforderlich. Hierfür hat sich die nachfolgend beschriebene Vorgehensweise etabliert. Sie ist ausgelegt auf risikobehaftete Vorgänge und deckt sich prinzipiell mit der Vorgehensweise, wie sie in anderen risikobehafteten Branchen (z. B. bei Feuerwehreinsätzen) verwendet wird.

Eine Gefährdungsbeurteilung besteht aus folgenden Schritten:

  1. 1.

    Ermittlung und Abgrenzung der besonderen szenischen Darstellungen, die individuell beurteilt werden müssen

  2. 2.

    Auswahl von fachlich geeigneten Personen für die Gefährdungsbeurteilung

  3. 3.

    Ermittlung der Gefährdungen

  4. 4.

    Bewertung des Risikos

  5. 5.

    Auswahl von fachlich und körperlich geeigneten Personen für die Darstellung

  6. 6.

    Ableitung von Schutzzielen

  7. 7.

    Auswahl, Umsetzung und Überprüfung der Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit

  8. 8.

    Dokumentation

  9. 9.

    Unterweisung auf Basis der Gefährdungsbeurteilung

  10. 10.

    Wirksamkeitskontrolle und regelmäßige Überprüfung

Schritt 1: Ermittlung und Abgrenzung der besonderen szenischen Darstellungen, die individuell beurteilt werden müssen

Zur Ermittlung der eventuellen Erfordernis einer zusätzlichen individuelle Gefährdungsbeurteilung kann die in Abschnitt 2.4 enthaltende Tabelle herangezogen werden. Wenn demzufolge eine zusätzliche, individuelle Gefährdungsbeurteilung notwendig ist, sind die aufgrund der Basis-Gefährdungsbeurteilung getroffenen Maßnahmen zu ergänzen.

Schritt 2: Auswahl von fachlich geeigneten Personen für die Gefährdungsbeurteilung

Die für die Durchführung der individuellen Gefährdungsbeurteilung erforderliche Fachkunde hängt von den zu erwartenden Gefährdungen ab. Hinzugezogen werden können z. B. Betriebsarzt/-ärztin, Fachkraft für Arbeitssicherheit, Sachverständige, Stunt Coordinator. Auch die Kreativen (Regisseure/Regisseurinnen, Redakteure/Redakteurinnen usw.) sind in die individuelle Gefährdungsbeurteilung miteinzubeziehen

Schritt 3: Ermittlung der Gefährdung

Der Begriff "Gefährdung" kennzeichnet das räumliche und zeitliche Zusammentreffen von Personen mit Gefahrenquellen und beschreibt den aufgrund dieses Zusammentreffens möglichen Gesundheitsschaden.

Die Ermittlung von Gefährdungen beinhaltet die systematische Bestandsaufnahme aller Möglichkeiten, bei denen Personen durch Gefahren Schaden nehmen können und kann anhand der Leitfrage "Was kann passieren?" durchgeführt werden.

Beispiele für außergewöhnliche veranstaltungs- und produktionsspezifische Gefährdungssituationen sind in der nachfolgenden Tabelle zusammengestellt:

Außergewöhnliche veranstaltungs- und produktionsspezifische Gefährdungssituationen

Tätigkeiten/szenische DarstellungenGefahr/Gefährdungen durch
Sturz, Ausrutschen, Abstürze bei Proben und Aufführungen
  • Stolpern, Ausrutschen im Bühnenbereich, bei Abgängen ins Dunkle

  • Stürze von Podesten, Aufstiegen etc., Absturz in Gräben etc.

  • Gehen über ungesicherte Verbindungsstege

  • fehlende Absicherungen gegen Absturz, die aufgrund des Bühnenbildes bzw. der Regie nicht möglich sind

  • nicht gesicherte Öffnungen (auch nur kurzfristig während der Bühnenumbauten)

  • fehlende Absturzsicherungen

  • nicht gekennzeichnete Absturzkanten

  • ungeeigneter (nicht elastischer/federnder/nachgiebiger) Untergrund

szenische Vorgänge mit Fahrzeugen
  • unkontrollierte Bewegungen durch Fahrfehler

  • nicht bestimmungsgemäß benutzte PSA gegen Absturz

Zusammenstöße von Personen, gespielte Tätlichkeiten, misslungene Bewegungsabläufe
  • Kampfszenen mit und ohne Requisiten

  • Sprünge, Überschläge, Drehbewegungen, tänzerische Bewegungen

  • Ausführen von extremen Bewegungen

  • plötzliche Bewegung nach langem Stehen, Knien oder ungünstigen Körperhaltungen

  • Enge, Gedränge, gegenläufige Bewegungen auf der Bühne

szenische Hinrichtungen
  • szenisches Erhängen von Personen (tatsächliches Erdrosseln, bzw. Wirbelsäulenverletzungen)

  • szenische Kreuzigung (Schädigung/Hängetrauma durch unnatürliche Körperposition)

  • szenisches Ertränken (tatsächliches Ertrinken)

Temperatureinwirkungen
  • Darstellung in unmittelbarer Nähe von kalten (z. B. flüssiger Stickstoff) oder heißen Stoffen (z. B. flüssiges Wachs)

optische Strahlung
  • Scheinwerfer (Blendung)

  • Einsatz von Laserstrahlung (Augenverletzungen)

  • LED-Licht (blue light hazard)

Brand, Explosion
  • Pyrotechnik (Verbrennungen)

Lärm
  • Abfeuern von Schusswaffen oder Zünden von Pyrotechnik (Knalltrauma)

Gase, Dämpfe, Stäube
  • Kostüme, Requisiten, Masken, die entsprechende Stoffe enthalten

  • Effekte, die Staub freisetzen

Sauerstoffmangel
  • Theaternebel (Inhaltsstoff CO2 verdrängt Sauerstoff in Bodennähe)

Einsatz von Tieren
  • Bissverletzungen, Tritte, Vergiftungen, Quetschungen, Zoonosen

Kampfszenen
  • gespielten Tätlichkeiten (Stürze, Treffer, Kopfverletzungen durch Niedergehen im Kampf)

  • Showringkampf

  • Kämpfe mit Hieb- und Stichwaffen (Schnitt- und Stichverletzungen)

Trendsportarten
  • Slackline, Verletzungen beim Misslingen und Herunterfallen

  • Einsatz von speziellen Sportgeräten (z. B. Stelzen, Poweriser)

Einsatz biologischer Materialien/von Tieren
  • z. B. Einsatz von Lycopodium, szenische Darstellungen mit Tieren (allergische Reaktionen)

szenische Darstellung im Wasser
  • Gefahr des Ertrinkens

  • Unterkühlung

szenische Darstellungen mit physischen Belastungen
  • Heben von Personen und Gegenständen auf der Bühne (sich verheben)

  • langes Stehen, einseitige Dauerbelastungen

  • körperliche Überbeanspruchung im Zusammenhang mit der künstlerischen Darbietung

  • Tragen von Kostümen, Rüstungen, etc. (Einengung)

  • körperliche Anforderungen durch die Choreografie

szenische Darstellungen mit psychische Belastungen
  • langes Hängen im Fluggeschirr

  • informatorische Anforderungen (Stress, Überforderung)

  • Konzentrationsanforderungen

  • Verantwortungsdruck (der Erfolg Anderer ist abhängig davon, die eigenen Aufgaben gut zu erfüllen, Verantwortung für das Gelingen des Ganzen)

  • überhöhte Erwartungen (eigene, seitens Kollegen/-innen, des Publikums, der Leitungskräfte des Theaters)

  • soziale Beziehungen

Schritt 4: Bewertung des Risikos

Für die in Schritt 3 ermittelten Gefährdungen ist zunächst das Risiko in der Ausgangssituation zu beurteilen, um danach angemessene Maßnahmen treffen zu können. Als Risiko (R) wird das Produkt aus der Wahrscheinlichkeit (W), dass ein Schaden eintritt, und des möglichen Schadensausmaßes/der Gefährlichkeit (G) bezeichnet. Die Eintrittswahrscheinlichkeit (W) wird in fünf Kategorien eingeteilt:

Eintrittswahrscheinlichkeit

WBeschreibung
5sehr wahrscheinlichOhne/ohne weitere Schutzmaßnahmen ist mit einem Schadenseintritt zu rechnen.
4wahrscheinlichEin Eintritt eines Schadenereignisses ist wahrscheinlicher als sein Ausbleiben.
3unwahrscheinlichEin Ausbleiben eines Schadenereignisses ist wahrscheinlicher als sein Eintritt.
2sehr unwahrscheinlichEin Ausbleiben eines Schadenereignisses ist deutlich wahrscheinlicher als sein Eintritt.
1mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossenMit einen Schadenseintritt ist nicht zu rechnen.

Das mögliche Schadensausmaß/die Gefährlichkeit (G) werden in fünf Kategorien eingestuft:

Risiko (R) = Wahrscheinlichkeit (W) · Gefährlichkeit (G); R = W · G

GBeschreibung
5katastrophale/tödliche VerletzungenTod, lebensgefährliche Verletzungen (z. B. Rückenmarksverletzungen, Amputation von Gliedmaßen, Schädelbruch mit Gehirnblutung, Polytrauma)
4schwere VerletzungenVerletzungen, die stationär versorgt werden müssen (z. B. komplizierte Knochenbrüche, stumpfe Bauchverletzung) Verletzungen, die irreversibel sind bzw. nicht ausheilen (z. B. Gelenkversteifung, Gehörschaden)
3mittelschwere VerletzungenVerletzungen, die ambulant versorgt werden müssen (z. B. Schnittverletzung, die genäht werden muss, Verstauchung)
2leichte VerletzungenBagatell-Verletzungen, die nicht ärztlich versorgt werden müssen
1keine erheblichen Verletzungenkeine oder nur minimale Verletzungen

Durch Multiplikation erhalten Sie die Risikomaßzahl R. Sie beziffert das Risiko.

Risikomatrix

ccc_3011_23.jpg

Das Risiko wird in drei Kategorien eingeteilt (rote, gelbe und grüne Bereiche). Aus der durch Analyse gewonnenen Differenzierung ergibt sich, ob Schutzmaßnahmen erforderlich sind und ob die besondere szenische Darstellung mit vertretbarem Restrisiko durchgeführt werden kann.

Risikokategorien

ccc_3011_24.jpg

Beispiel zur szenischen Darstellung mit Absturzgefahr:

Ein Schauspieler soll während einer szenischen Darstellung in ca. 2,80 m Höhe von einem Schrank auf eine Mauer übertreten und darauf laufen.
identifizierte GefahrGefahr besteht durch die schmale ca. 0,25 m breite Auftrittfläche, durch ein möglicherweise versehentliches Kantentreten, dortiges Weg- oder Umknicken und die daraus entstehende Absturzgefahr. Die Gefahr besteht im gesamten Bereich des Bewegungsablaufs.
Bestimmung der Wahrscheinlichkeit
W
unwahrscheinlich,
W = 3
Das Ausbleiben des Schadenereignisses ist wahrscheinlicher als sein Eintritt.
Beschreibung der Konsequenzen (Gefährlichkeit G)
G
schwere Verletzungen
G = 4
Verletzungen, die stationär versorgt werden müssen (z. B. komplizierte Knochenbrüche, stumpfe Bauchverletzungen) sowie Verletzungen, die irreversibel sind bzw. nicht ausheilen (z. B. Gelenkversteifung)
Risikomaßzahl R = W × GR = 3 × 4 = 12
daraus folgt: hohes Risiko
Risiko ist zwingend durch Schutzmaßnahmen zu minimieren. Ist das Risiko durch Schutzmaßnahmen nicht weiter minimierbar, kann die szenische Darstellung so nicht durchgeführt werden.

Aufgrund des ermittelten hohen Risikos kann die Darstellung nicht wie geplant stattfinden. Es sind weitere (Schutz-) Maßnahmen erforderlich.

Schritt 5: Auswahl von fachlich und körperlich geeigneten Personen für die Darstellung

Bei der Auswahl der Personen sind sowohl die körperlichen Voraussetzungen, die notwendige Geschicklichkeit bzw. das Beherrschen antrainierter Abläufe sowie die notwendigen Qualifikationen zu berücksichtigen.

Schritt 6: Ableitung von Schutzzielen

Schutzziele beschreiben noch keine Maßnahmen, sondern legen den zu erreichenden Soll-Zustand fest. Dieser kann vielfach dem Vorschriften- und Regelwerk entnommen werden, beispielsweise in Form festgelegter Grenzwerte.

Bei der Auswahl der erforderlichen Schutzmaßnahmen kann man sich an dem für Spielplatzeinrichtungen und Kletterwände üblichen Sicherheitsniveau entsprechend einem Head Injury Criterion Wert (HIC) von 1000 als Maximalwert orientieren (zur Definition des HIC s. "Begriffe").

Vor der Suche nach Maßnahmen ist wichtig zu definieren, welches Ziel man erreichen will, denn nur wer sein Schutzziel kennt, kann passende Maßnahmen ergreifen. Zugleich verringert sich die Gefahr, Maßnahmen mit zu geringer ("Tropfen auf den heißen Stein") oder übertriebener ("mit Kanonen auf Spatzen schießen") Reichweite festzulegen.

Nach § 30 der Unfallverhütungsvorschrift "Veranstaltungs- und Produktionsstätten für szenische Darstellungen" sind Dekoration, Kostüme, Möbel, Requisiten und Effekte so auszuführen und müssen so beschaffen sein, dass bei bestimmungsgemäßem Gebrauch Verletzungen sowie gesundheitliche Schädigungen vermieden werden.

Die Bewertung des Risikos vor der Realisierung von szenischen Vorgängen muss im Regelfall zum Ergebnis haben, dass es gering (siehe Risikomatrix, grüner Bereich) ist.

ccc_3011_25.jpg
Abb. 18 Gefahrenquelle

Schritt 7: Auswahl, Umsetzung und Überprüfung der Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit

Jede besondere szenische Darstellung ist mit einem Risiko verbunden. Es ist notwendig zu ermitteln, welches Risiko als noch akzeptabel angesehen werden kann. Dieses akzeptable Risiko wird als Grenzrisiko bezeichnet. Die Differenz zwischen dem festgestellten Risiko und dem akzeptablen Restrisiko bestimmt die zusätzlich erforderlichen Schutzmaßnahmen:

Die Beseitigung der Gefahrenquelle - damit die Reduzierung der Gefährdung - steht dabei an oberster Stelle. Nur wenn dies nicht möglich ist, soll das Wirksamwerden der Gefahrenquelle durch technische, organisatorische Maßnahmen, den Gebrauch einer geeigneten Persönlichen Schutzausrüstung und erst zuletzt durch sicherheitsgerechtes Verhalten des Einzelnen minimiert werden. Die Auswahl geeigneter Maßnahmen orientiert sich an der so genannten Maßnahmenhierarchie (siehe Abbildung unten).

Es sind vorrangig die Maßnahmen zu treffen, die weit oben in der Maßnahmenhierarchie liegen, da diese am wirksamsten sind. Anfallende Kosten für die Umsetzung dieser Maßnahmen sind nachrangig gegenüber einem wirksamen Schutz der mitwirkenden Personen.

Bei der Festlegung von Maßnahmen ist zu berücksichtigen, dass sich eventuell neue Gefährdungen als "Nebenwirkung" der Maßnahmen ergeben können. Diese neuen Risiken sind ebenfalls zu beurteilen. So würde z. B. der Einsatz von PSA gegen Absturz neue Gefährdungen mit sich bringen, die wiederum weitere Maßnahmen erfordern - so etwa die Organisation der möglicherweise notwendigen Rettung einer abgestürzten und in der PSA hängenden Person.

Auch die in Abschnitt 2.8 beschriebenen Notfallmaßnahmen sind festzulegen.

Sind Maßnahmen ausgewählt, muss festgelegt werden:

  • Bis wann sind die einzelnen Maßnahmen umzusetzen?

  • Wer führt die Maßnahmen durch?

  • Ist bis zur Umsetzung der Maßnahmen eine Übergangslösung (z. B. organisatorische Maßnahme) erforderlich?

  • Muss die Tätigkeit bis dahin sogar eingestellt werden, da das ermittelte Risiko zu hoch ist?

Nachdem die Maßnahmen definiert worden sind, muss eine Überprüfung stattfinden. Ziel der Überprüfung ist die Feststellung, ob unter Berücksichtigung der Maßnahmen das Restrisiko tatsächlich unter das vorher definierte Grenzrisiko gesenkt wird.

Für diese Überprüfung wird eine Wiederholung von Schritt 4 der Gefährdungsbeurteilung (Risikobewertung) empfohlen unter Berücksichtigung der definierten Maßnahmen, konkret: eine vorausschauende (prospektive) Wirkungskontrolle durchzuführen. Dabei verändern sich i. d. R. die Wahrscheinlichkeit oder die Gefährlichkeit und damit das Risiko. Falls die Risikobewertung ergibt, dass das Risiko durch die Maßnahmen nicht hinreichend minimiert wird, müssen andere, auch ergänzende Maßnahmen getroffen werden. Andernfalls kann die besondere szenische Darstellung nicht stattfinden.

Die Umsetzung und Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen ist durch die für die besondere szenische Darstellung verantwortliche Person (vgl. Abschnitt "Organisation und Verantwortung") zu überprüfen. Das bedeutet, dass bei Proben und der szenischen Darstellung laufend eine Wirksamkeitskontrolle der Schutzmaßnahmen zu erfolgen hat.

ccc_3011_26.jpg
Abb. 19 Maßnahmenhirarchie

Beispiel:

Beispiel zur Festlegung von Schutzmaßnahmen bei szenischer Darstellung mit Absturzgefahr:

Ein Schauspieler soll während einer szenischen Darstellung in ca. 2,80 m Höhe von einem Schrank auf eine Mauer übertreten und darauf laufen (Fortsetzung des Beispiels)
Risikomaßzahl R = W · GR = 3 · 4 = 12
daraus folgt: hohes Risiko
Risiko ist zwingend durch Schutzmaßnahmen zu minimieren. Ist das Risiko durch Schutzmaßnahmen nicht weiter minimierbar, kann die szenische Darstellung so nicht durchgeführt werden.
Schutzmaßnahmen
Auswirkung auf Wahrscheinlichkeit (W) oder auf Gefährlichkeit (G)
Technische Maßnahmen:
Der Untergrund des Aufprall- und Sicherheitsbereiches wird mit nachgebendem Material ausgestattet (G).
Im möglichen Fallbereich befinden sich keine verletzungserschwerenden Gegenstände oder Aufbauten (G).
Der Auftrittsbereich wird mit rutschhemmenden Materialien ausgestattet (W).
Die Absturzkanten werden für den Darsteller sichtbar gekennzeichnet (W).
Organisatorische Maßnahmen:
Vor Beginn der Proben bekommt der Schauspieler ausreichend Zeit eingeräumt, um sich mit Laufweg und Absturzkanten vertraut zu machen (W).
Erste szenische Proben finden nur bei Arbeitslicht statt (W).
Die Darstellung wird ausreichend geprobt, d. h. so oft, bis sie wiederholt fehlerfrei und sicher durchgeführt werden kann (W).
Blendung durch Scheinwerfer wird vermieden (W).
Ersthelfer steht bereit (G).
Personenbezogene Maßnahmen:
Persönliche Eignung wird vom Betriebsarzt festgestellt (W). Der Darsteller wird vor der ersten Probe unterwiesen (W).
Der Darsteller wird darauf hingewiesen, dass er bei eingeschränkter Tagesform die szenische Darstellung nicht durchführen darf (W). Bei Veränderung der Aufbauten finden Wiederholungen der Unterweisungen statt (W).
Der Darsteller trägt Schuhe (z. B. Sicherheitsschuhe) bei welchen die Anforderung an die Rutschhemmung nachgewiesen/erfüllt ist (W). Das Kostüm besteht aus eng anliegender Kleidung, die die Bewegungen nicht behindert (W).

Beispiel:

Beispiel:

Beispiel zur erneuten Bewertung des Risikos unter Berücksichtigung der vorgesehenen Schutzmaßnahmen zur prospektiven (vorausschauenden) Wirksamkeitskontrolle:

Bestimmung der Wahrscheinlichkeit unter Berücksichtigung der Schutzmaßnahmen
W
sehr unwahrscheinlich,
W = 2
Das Ausbleiben des Schadenereignisses ist deutlich wahrscheinlicher als sein Eintritt.
Beschreibung der Konse-quenzen (Gefährlichkeit G) unter Berücksichtigung der Schutzmaßnahmen
G
mittelschwere Verletzungen
G = 3
Verletzungen, die ambulant versorgt werden müssen (z. B. Schnittverletzung, die genäht werden muss, Verstauchung)
Risikomaßzahl R = W × GR = 2 × 3 = 6
daraus folgt: mittleres Risiko
Risiko ist durch (weitere) Schutzmaßnahmen zu minimieren. Ist das Risiko durch Schutzmaßnahmen nicht weiter minimierbar, kann die szenische Darstellung nur bei Beachtung besonderer Sorgfalt durchgeführt werden.

Falls keine weiteren Schutzmaßnahmen möglich sind, kann das mittlere Risiko toleriert werden und die szenische Darstellung kann unter Beachtung besonderer Sorgfalt stattfinden.

Schritt 8: Dokumentation

Das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung sowie die festgelegten Maßnahmen und das Ergebnis ihrer Überprüfung (Wirksamkeitskontrolle) sind zu dokumentieren.

Die Dokumentation dient auch als Basis für die regelmäßige Unterweisung der Beschäftigten, die über Gefahren und festgelegte Maßnahmen aufzuklären sind.

Eine Dokumentationshilfe für die individuelle Gefährdungsbeurteilung wurde als Anhang A.2 eingefügt. Diese kann auch in elektronischer Form genutzt werden (z. B. mit einem Tabellenkalkulationsprogramm).

Schritt 9: Unterweisung auf Basis der Gefährdungsbeurteilung

Damit die sorgfältig ermittelten Maßnahmen in der Praxis von allen Beteiligten umgesetzt und gelebt werden können, müssen die mitwirkenden Personen entsprechend unterwiesen werden. Die festgelegten Notfallmaßnahmen sind zwingend Bestandteil der Unterweisung. Wichtiger Teil jeder Unterweisung ist - neben der Theorie - die praktische Einübung der Maßnahmen.

Die Unterweisung muss erforderlichenfalls wiederholt werden, mindestens einmal im Jahr erfolgen und ist zu dokumentieren.

Schritt 10: Wirksamkeitskontrolle und regelmäßige Überprüfung

Die Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt den Ist-Zustand zum Zeitpunkt der Ermittlung. Da sich dieser Zustand verändern kann (z. B. durch Änderungen der Rahmenbedingungen, der Arbeitsmittel, der Szenerie), muss die Gefährdungsbeurteilung regelmäßig überprüft und erforderlichenfalls nach demselben Schema aktualisiert werden. Gleichzeitig erfolgt durch regelmäßige Überprüfung der Gefährdungsbeurteilung eine Kontrolle, ob die festgelegten Schutzmaßnahmen tatsächlich umgesetzt wurden und wirksam sind (retrospektive Wirksamkeitskontrolle). Fragestellungen einer retrospektiven Wirksamkeitskontrolle sind z. B.:

  • Sind noch alle Schutzeinrichtungen vorhanden?

  • Werden die organisatorischen Regelungen noch immer von allen befolgt?

  • Wird die persönliche Schutzausrüstung weiterhin konsequent getragen?

  • Sind Vorkommnisse aufgetreten/bekannt geworden, die einen Handlungsbedarf erkennen lassen?

  • Sind zusätzliche Notfallmaßnahmen erforderlich?

  • Ist eine Wiederholung der Unterweisung erforderlich?

Beispiele für Gefährdungsbeurteilungen

Es ist keine weitergehende, individuelle Gefährdungsbeurteilung erforderlich.

Beispiel 1: Worst-Case Betrachtung (vgl. Abschnitt 2.4)

ccc_3011_27.jpg

Beispiel 2: Individuelle Gefährdungsbeurteilung (entspricht Zusammenfassung der szenischen Darstellung von S. 39 ff.)

ccc_3011_28.jpg

Beispiel 3: Individuelle Gefährdungsbeurteilung, Spezialist erforderlich

ccc_3011_29.jpg

Eine weitergehende, individuelle Gefährdungsbeurteilung unter Einbeziehung eines Spezialisten, z. B. Stuntman, ist nach dem Schema des Beispiels 2 zu erstellen.

Beispiel 4: Individuelle Gefährdungsbeurteilung

ccc_3011_30.jpg