DGUV Information 203-077 - Thermische Gefährdung durch Störlichtbögen Hilfe bei der Auswahl der persönlichen Schutzausrüstung

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Abschnitt 3.1 - 3.1 Bewertungsphasen

Im Rahmen der Beurteilung der Arbeitsbedingungen, die vom Unternehmer nach § 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) [2] und DGUV Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention" [3] durchzuführen ist, muss eine Gefährdungsbeurteilung vorgenommen werden.

Eine sinnvolle Vorgehensweise im Hinblick auf die thermischen Auswirkungen eines Störlichtbogens ist in dem Ablaufdiagramm in Abb. 3-1 dargestellt.

Die einzelnen Phasen der Risikobewertung sind:

Phase 1: Besteht prinzipiell die Gefahr der Störlichtbogenexposition von Personen?

Für die konkrete Arbeitssituation wird abgeschätzt, ob mit dem Entstehen eines Störlichtbogens gerechnet werden muss. Dabei sollten zum Beispiel der Aufbau, der Zustand und das Alter der Anlage, die beabsichtigte Tätigkeit, die Qualifikation der ausführenden Personen und Erfahrungswerte z. B. aus dem eigenen Unternehmen mitberücksichtigt werden.

Kommt man hier zu dem Ergebnis, dass keine Gefahr der Störlichtbogenexposition von Personen besteht, so ist auch keine PSAgS erforderlich.

Phase 2: Erste Bewertung der Störlichtbogenenergie des Tätigkeits- bzw. Arbeitsplatzbereichs. Ist eine Berechnung erforderlich?

Kann die Entstehung eines Störlichtbogens nicht ausgeschlossen werden, so gibt es Arbeits- oder Tätigkeitsbereiche in denen die zu erwartende Störlichtbogenenergie so gering ist, dass mit keiner Gefährdung durch die thermischen Auswirkungen zu rechnen ist.

Im Anwendungsbereich (Kapitel 1) dieser DGUV Information ist deshalb festgelegt, dass auf eine PSAgS in den folgenden Fällen verzichtet werden kann:

  • Bei Arbeiten an Mess-, Steuer- und Regelungsanlagen mit vorgelagerten Stromkreisabsicherungen bis 25 A.

  • Bei Arbeiten an Stromkreisen mit Nennspannungen bis 400 V mit vorgelagerter Absicherung bis einschließlich 63 A, wenn handelsübliche Arbeitskleidung bestehend aus langärmeliger Oberbekleidung und langer Hose getragen wird.

  • Bei Arbeiten an Stromkreisen mit Nennspannungen bis 400 V AC und einem Kurzschlussstrom < 1 kA. (Ein solcher Lichtbogen brennt nicht stabil und erlischt unmittelbar wieder.) Trifft einer der genannten Anwendungsfälle zu, ist keine PSAgS oder Berechnung erforderlich.

Phase 3: Berechnungsverfahren anwenden:

Lichtbogenenergie WLB, und Schutzpegel der PSAgS WLBSermitteln!

In dieser Phase wird das in Kapitel 4 beschriebene Berechnungsverfahren zur Auswahl der PSAgS angewandt.

Im Ergebnis sind 4 verschiedene Fälle möglich:

  • WLB < WLB min

    Die zu erwartende Lichtbogenenergie ist kleiner als der Mindestwert von 50 kJ, bei dessen Überschreitung man eine Hautverbrennung bei direkter Exposition nicht ausschließen kann (WLB min ). Das bedeutet, dass keine PSAgS notwendig ist.

  • WLBWLBS_APC 1

    Die zu erwartende Lichtbogenenergie ist kleiner als der Schutzpegel WLBS einer PSAgS der Klasse APC 1. Eine PSAgS der Störlichtbogenschutzklassen APC 1 oder APC 2 bietet dann ausreichenden Schutz vor den thermischen Auswirkungen eines Störlichtbogens.

  • WLBWLBS_APC 2

    Die zu erwartende Lichtbogenenergie ist kleiner als der Schutzpegel WLBS einer PSAgS der Klasse APC 2. Eine PSAgS der Störlichtbogenschutzklassen APC 2 bietet dann ausreichenden Schutz vor den thermischen Auswirkungen eines Störlichtbogens.

  • WLB > WLBS_APC x

    Die zu erwartende Lichtbogenenergie ist größer als der Schutzpegel WLBS_APC x (Störlichtbogenschutzklassen APC 1 oder APC 2) der zur Verfügung stehenden PSAgS. In diesem Fall muss mit Phase 4 fortgefahren werden.

Phase 4: Weitere Maßnahmen zur Reduzierung der Lichtbogenenergie und der Wahrscheinlichkeit von Verletzungen durch Störlichtbögen umsetzen

Weitere Maßnahmen zur Reduzierung der Lichtbogenenergie und der Wahrscheinlichkeit von Verletzungen durch Störlichtbögen müssen umgesetzt werden.

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Abb. 3-1
Ablaufdiagramm Risikobewertung (Dieses Flussdiagramm ist ebenfalls auf der Ausklappseite des Umschlags abgebildet.)

Hinweise zu möglichen Maßnahmen sind in Kapitel 5 "Hinweise zur praktischen Umsetzung" beschrieben.

Anschließend muss die Gefährdungsbeurteilung ab Phase 3 erneut durchgeführt werden. Sollten keine weiteren Maßnahmen zur Reduzierung der Lichtbogenenergie und der Wahrscheinlichkeit von Verletzungen durch Störlichtbögen mehr möglich sein, muss mit Phase 5 fortgefahren werden.

Phase 5: Eintrittswahrscheinlichkeit und Verletzungsschwere einer Störlichtbogenverletzung nach Anwendung der getroffenen Maßnahmen abschätzen; Restrisiko bewerten und entscheiden (Risikomatrix)

Ist der Schutzpegel WLBS der vorhandenen PSAgS geringer als die in Phase 3 ermittelte Lichtbogenenergie WLB, kann die Gefährdungsbeurteilung um die Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeit einer Personenverletzung erweitert werden. Damit kann eine Risikoeinschätzung vorgenommen werden.

Ausgangspunkt für die Risikoeinschätzung in der Phase 4 sollte immer die genaue Berechnung der zu erwartenden Lichtbogenenergie in Phase 3 sein, nicht die dort ebenfalls mögliche Worst-Case-Abschätzung auf der Grundlage von Richt- oder Extremwerten.

Zu bewerten ist dabei das Restrisiko einer Verletzung durch Störlichtbogeneinwirkung nach Anwendung der jeweils getroffenen Maßnahmen gegen das Auftreten oder die Auswirkungen von Störlichtbögen.

Dieses Restrisiko ergibt sich aus der Kombination von

  • erwarteter Schwere einer Verletzung und der

  • Eintrittswahrscheinlichkeit dieser Verletzung jeweils nach Berücksichtigung der getroffenen Maßnahmen.

Eine Hilfestellung zur Festlegung der erwarteten Schwere einer Verletzung und der Eintrittswahrscheinlichkeit dieser Verletzung gibt Anhang 4 dieser DGUV Information.

Verwendung der Risikomatrix

Bei Anwendung der Risikomatrix (Abb. 3-2) sind die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Verletzung und die Schwere einer möglichen Verletzung durch Störlichtbogeneinwirkung - jeweils nach Berücksichtigung der getroffenen Maßnahmen - einzusetzen.

Entsprechend dem Ablaufdiagramm Risikobeurteilung (Abb. 3-1) sind bei Einstufung in die Kategorie "Rot" weitere Maßnahmen (Phase 4) zu treffen und zu bewerten oder die Arbeiten dürfen nur im freigeschalteten Zustand aller relevanten Anlagenteile durchgeführt werden.

Benachbarte unter Spannung stehende Anlagenteile sind abzudecken oder abzuschranken.

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Abb. 3-2
Risikomatrix: Verletzungsrisiko nach Anwendung der getroffenen Maßnahmen