DGUV Regel 103-009 - Wärmekraftwerke und Heizwerke

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Abschnitt 3 - 3 Organisatorische Maßnahmen zur Verhütung von Gefahren für Leben und Gesundheit

Soweit nicht anders bestimmt, richten sich die Festlegungen der nachfolgenden Abschnitte an Unternehmer und Versicherte.

3.1
Gefährdungsbeurteilungen

Verschiedene staatliche Vorschriften verpflichten den Betreiber von Wärmekraftwerken und Heizwerken, die mit Arbeiten, Arbeitsmitteln und Gefahrstoffen verbundenen Gefährdungen zu ermitteln, diese zu beurteilen und geeignete Schutzmaßnahmen festzulegen. Dieser Verpflichtung hat er durch Gefährdungsbeurteilungen nachzukommen.

Forderungen nach Gefährdungsbeurteilungen sind u. a. enthalten in § 5 Arbeitsschutzgesetz, § 3 Betriebssicherheitsverordnung und § 6 Gefahrstoffverordnung. Zu Gefährdungsbeurteilungen siehe auch Technische Regeln für Betriebssicherheit "Gefährdungsbeurteilung und sicherheitstechnische Bewertung" (TRBS 1111).

Geeignete Schutzmaßnahmen sind in der Rangfolge technischer, organisatorischer und persönlicher Maßnahmen zum Einsatz zu bringen. Die in der Gefährdungsbeurteilung festgelegten Schutzmaßnahmen sind hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zu überprüfen.

Die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilungen sind schriftlich festzuhalten. Abweichend von § 6 Arbeitsschutzgesetz ist es sinnvoll, diese Dokumentation auch in Betrieben mit weniger als 10 Beschäftigten durchzuführen.

Erfahrungsgemäß fördern schriftlich dokumentierte Gefährdungsbeurteilungen u.a. eine Verbesserung der betrieblichen Abläufe und die Qualität der Unterweisungen. Mit der schriftlichen Dokumentation kommt der Anlagenbetreiber seiner öffentlich-rechtlichen Nachweispflicht nach.

Bauliche, technische und organisatorische Änderungen sind durch eine überarbeitete oder neue Gefährdungsbeurteilung zu bewerten.

Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ist auch festzulegen, ob die bewerteten Tätigkeiten "gefährliche Arbeiten" im Sinne § 8 Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) sind.

Auf Grundlage der Ergebnisse aus der Gefährdungsbeurteilung hat der Unternehmer auch die erforderlichen Maßnahmen zur Ersten Hilfe und zur Rettung festzulegen.

3.2
Betriebsanweisungen

Der Unternehmer hat arbeitsplatz- und tätigkeitsbezogene Betriebsanweisungen zum sicheren Betreiben von Anlagen in einer für die Versicherten verständlichen Form und Sprache schriftlich aufzustellen. Die Betriebsanweisungen sind den Versicherten bekannt zu machen.

Betriebsanweisungen regeln das Verhalten an Arbeitsplätzen und bei Tätigkeiten zur Vermeidung von Unfall- und Gesundheitsgefahren. Sie können auch als Grundlage für Unterweisungen dienen. Grundlage für Betriebsanweisungen ist die Gefährdungsbeurteilung gemäß Arbeitsschutzgesetz, Betriebssicherheitsverordnung und Gefahrstoffverordnung.

Zur Ausführung von Betriebsanweisungen siehe auch Information "Sicherheit durch Betriebsanweisungen" (BGI 578).

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Abb. 3.2.1Betriebsanweisung gemäß § 7 GefStoffVAbb. 3.2.2Betriebsanweisung in Form einer Fachanweisung

3.3
Unterweisungen

Der Unternehmer hat die Versicherten vor der erstmaligen Aufnahme einer Tätigkeit und in regelmäßigen Abständen, mindestens einmal jährlich, über die mit der Tätigkeit verbundenen Gefährdungen und die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen zu unterweisen.

Die Verpflichtung zur Unterweisung ist geregelt in § 12 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und in § 4 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1). Zur Unterweisung gehört u.a. eine spezielle Information an der Arbeitsstelle über die jeweiligen örtlichen Besonderheiten. Bei sich ändernden Gefährdungen ist eine erneute Unterweisung durchzuführen.

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Abb. 3.3.1Unterweisungssituation vor Ort

Bei gefährlichen Arbeiten sind Unterweisungen in kürzeren Abständen oder vor jeder Aufnahme der Arbeit erforderlich.

Gefährliche Arbeiten können z.B. sein:

  • Arbeiten in engen Räumen und Behältern,

  • Arbeiten an Druck führenden und Gefahrstoff führenden Leitungen,

  • Feuer-/Heißarbeiten (z.B. Schweißen, Schneiden, Trennschleifen) in Bekohlungsanlagen.

Der Unternehmer hat sich davon zu überzeugen, dass die Versicherten die Unterweisungen verstanden haben.

Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass Inhalt und Zeitpunkt von Unterweisungen dokumentiert werden.

Zur Verpflichtung des Unternehmers beim Einsatz von Fremdfirmen siehe §§ 8, 9 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) sowie §§ 5, 6 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention (BGV/GUV-V A1).

3.4
Festlegung von Verantwortlichkeiten

Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass das Bedienen und Instandhalten von unterwiesenem Fachpersonal oder unter dessen Leitung und Aufsicht durchgeführt wird. Er hat die Zuständigkeiten für diese Aufgaben einschließlich der Weisungsbefugnisse festzulegen.

Unter Fachpersonal werden Personen verstanden, die durch ihre Berufsausbildung, Berufserfahrung und ihre zeitnahe berufliche Tätigkeit über die erforderlichen Fachkenntnisse zum Betrieb der Anlagen oder Anlagenteile verfügen.

Der Unternehmer hat für das Betreiben von Anlagen Anlagenverantwortliche schriftlich zu benennen. Die Verantwortungsbereiche der Anlagenverantwortlichen müssen eindeutig voneinander abgegrenzt sein.

Die schriftliche Benennung eines Anlagenverantwortlichen kann z.B. erfolgen durch eine schriftliche Beauftragung im Einzelfall oder durch Regelungen in Arbeitsverträgen, Stellenbeschreibungen oder Organisationsplänen, ggf. in Verbindung mit Schichtplänen.

Der Unternehmer hat die Verantwortlichkeiten für das Zusammenwirken von Anlagenverantwortlichen und Arbeitsverantwortlichen festzulegen.

3.5
Einsatz von Auftragnehmern

Neben eigenen Mitarbeitern werden auch Mitarbeiter von Fremdfirmen eingesetzt. Für diese gelten die gleichen Anforderungen. Das Zusammenspiel zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer zieht sich durch verschiedene Stufen.

Nähere Ausführungen zum Einsatz von Auftragnehmern sind u.a. im VGB-Standard 023 "Sichere Zusammenarbeit/Auftragnehmer und Auftraggeber in der Energiewirtschaft" enthalten.

3.5.1
Auswahl von Auftragnehmern

Der Unternehmer hat mit der Durchführung von Arbeiten nur Firmen zu beauftragen, die über die erforderlichen Fachkenntnisse verfügen. Bei der Auswahl ist die Qualität des Arbeits- und Gesundheitsschutzes der Auftragnehmer mit zu berücksichtigen.

Bei der Auswahl der Auftragnehmer können z.B. Präqualifikationsverfahren und Zertifizierungen herangezogen werden.

3.5.2
Maßnahmen vor Aufnahme der Arbeiten durch Auftragnehmer

Der Unternehmer hat den Auftragnehmer vor Aufnahme der Tätigkeiten hinsichtlich der betriebsspezifischen Gefährdungen und Besonderheiten zu unterrichten und am Einsatzort einzuweisen.

Hinsichtlich der Pflichten des Kraftwerkbetreibers als Auftraggeber gegenüber Auftragnehmern siehe auch § 8 Arbeitsschutzgesetz sowie § 6 Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1).

Der Unternehmer sollte seine Informationen den Verantwortlichen der Auftragnehmer vor Ort schriftlich aushändigen. Die Auftragnehmer sollten schriftlich verpflichtet werden, die erhaltenen Informationen an ihre eigenen Beschäftigten und an Subunternehmen weiterzugeben.

Der Unternehmer hat sich je nach Art der Tätigkeit zu überzeugen, dass die Beschäftigten der Auftragnehmer einschließlich der beauftragten Subunternehmen bzgl. der betriebsspezifischen Gefährdungen und Besonderheiten unterwiesen wurden.

Zu den Besonderheiten zählen z.B. Betriebs- und Baustellenordnungen, Alarmpläne und Notfallpläne.

3.5.3
Maßnahmen während der Arbeiten durch Auftragnehmer

Der Unternehmer hat sich davon zu überzeugen, dass die Beschäftigten der Auftragnehmer sich entsprechend den Informationen des Auftraggebers über die betriebsspezifischen Gefährdungen und Besonderheiten verhalten.

3.6
Systematische Durchführung von Arbeiten

Alle Arbeiten an und in Anlagen sind mit dem Anlagenverantwortlichen abzustimmen.

Zum Schutz gegen mögliche Gefährdungen ist festzulegen, für welche Arbeiten ein Freigabeverfahren erforderlich ist.

Die Durchführung eines Freigabeverfahrens ist z.B. erforderlich bei:

  • Arbeiten an Anlagen, in denen Medien unter Druck stehen oder die heiße Medien führen, sofern eine Freisetzung dieser Medien während der Arbeiten nicht ausgeschlossen werden kann,

  • Arbeiten an Anlagen die Gefahrstoffe enthalten, sofern eine Freisetzung der Gefahrstoffe während der Arbeiten nicht ausgeschlossen werden kann,

  • Arbeiten in Behältern, Silos und engen Räumen [siehe Regel "Behälter, Silos und enge Räume Teil 1: Arbeiten in Behältern, Silos und engen Räumen" (BGR 117-1)],

  • Arbeiten in Anlagen mit einer gesundheitsgefährdenden Atmosphäre oder in denen Sauerstoffmangel bestehen kann,

  • Arbeiten an und in der Nähe von elektrischen Anlagen,

  • Schweiß-, Schneid-, Löt- und Trennschleifarbeiten,

  • Arbeiten in brand- und explosionsgefährdeten Bereichen,

  • Arbeiten an Fördereinrichtungen und Bekohlungs- sowie Auftauanlagen,

  • Begehen von Anlagen zur Rauchgasreinigung (z.B. Elektrofilter, Rauchgaskanäle),

  • Begehen von Müllbunkerbereichen.

3.6.1
Arbeiten mit Freigabeverfahren

Mit Arbeiten, die ein Freigabeverfahren erforderlich machen, darf erst begonnen werden, nachdem

  • der Anlagenverantwortliche die anlagenspezifischen Sicherheitsmaßnahmen festgelegt,

  • deren Ausführung überprüft, die anlagenspezifischen persönlichen Schutzausrüstungen vorgegeben sowie den Arbeitsverantwortlichen eingewiesen und die Arbeitsstelle freigegeben hat

    und

  • der Arbeitsverantwortliche die Versicherten an der Arbeitsstelle eingewiesen und den Einsatz persönlicher Schutzausrüstungen unter Berücksichtigung der durchzuführenden Arbeiten festgelegt und überprüft hat.

    Zu den anlagenspezifischen Sicherheitsmaßnahmen für Instandhaltungsarbeiten in Rauchgaswäschern und für Schweiß-, Schneid-, Löt-, Auftau- und Trennschleifarbeiten zählen z.B. die Maßnahmen des vorbeugenden und abwehrenden Brandschutzes.

Der Anlagenverantwortliche hat sich vor dem Aufheben von Sicherheitsmaßnahmen vom Arbeitsverantwortlichen den ordnungsgemäßen Abschluss der Arbeiten schriftlich bestätigen zu lassen.

Zum ordnungsgemäßen Abschluss der Arbeiten gehört die Feststellung, dass sich niemand mehr in Bereichen befindet, in denen durch die Aufhebung der anlagenbezogenen Sicherheitsmaßnahmen eine Gefahr besteht.

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Abb. 3.6.1.1Der Anlagenverantwortliche kontrolliert den Arbeitsverantwortlichen vor Ort.
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Abb. 3.6.1.2Beispielhaftes Ablaufschema für ein Freigabeverfahren
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3.6.2
Arbeiten ohne Freigabeverfahren

Von der Durchführung eines Freigabeverfahrens kann abgesehen werden bei Arbeiten, die zum bestimmungsgemäßen Betrieb der Anlage gehören, soweit eine Gefährdung von Personen oder eine Beeinträchtigung der Anlagensicherheit nicht zu erwarten ist.

Hierzu gehören z.B.:

  • routinemäßige Inspektions- und Wartungsarbeiten,

  • Nachziehen von Rohrverschraubungen und Stopfbuchsen mit den dazu bestimmten Werkzeugen,

  • Werkstatt- und Laborarbeiten,

  • routinemäßige Probenahmen,

  • Wartungsarbeiten an Leuchten.