DGUV Information 201-021 - Sicherheitshinweise für Arbeiten im Gleisbereich von Eisenbahnen

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Abschnitt 3.2 - 3.2 Unternehmerpflichten bei der Arbeitsvorbereitung

Der Unternehmer, der Arbeiten im Gleisbereich bzw. in der Nähe des Gleisbereichs ausführen möchte, muss zunächst beurteilen, ob bei diesen Arbeiten Gefährdungen durch den Bahnbetrieb (d. h. durch Schienenfahrzeuge oder Fahrleitungsanlage) entstehen können (1. Teil der Gefährdungsbeurteilung). Dazu ist die Frage zu beantworten, ob Beschäftigte, Maschinen oder Geräte durch den geplanten Arbeitsablauf, durch vorhersehbares oder unbedachtes Verhalten, durch Maßnahmen, die bei Störungen ergriffen werden müssen oder auf dem Weg zur Arbeitsstelle - auch unbeabsichtigt - in den Gleisbereich bzw. in die Nähe von unter Spannung stehenden Teilen der Fahrleitungsanlage (vgl. Kap. 4) hineingeraten können. Wird diese Frage bejaht, müssen die Arbeiten vom Unternehmer bei der für den Bahnbetrieb zuständigen Stelle rechtzeitig angezeigt werden (Bringschuld des Unternehmers). Der BzS sind auch Arbeiten anzuzeigen, die nicht im Auftrag des Bahnbetreibers ausgeführt werden sollen.

Die Anzeigepflicht gilt auch dann, wenn die wesentlichen Arbeiten außerhalb des Gleisbereichs erfolgen, jedoch mit dem Hineingeraten in den Gleisbereich gerechnet werden muss, vgl. folgende Beispiele:

  • Liegt eine Arbeitsstelle außerhalb des Gleisbereichs, ist aber nur durch Queren von Betriebsgleisen zu erreichen (z. B. Arbeiten an einem Fahrleitungsmast oder in einem für Fahrten gesperrten Gleis, das zwischen nicht gesperrten Gleisen liegt), muss der Unternehmer erkennen, dass hierfür Sicherungsmaßnahmen erforderlich sind. Dies kann z. B. eine kurzzeitige Gleissperrung oder die Begleitung der Arbeitskräfte durch Sicherungspersonal sein.

  • Bei Vortrieben unter Gleisanlagen sind Sicherungsmaßnahmen für Arbeiten und Verkehrswege im Gleisbereich erforderlich, vgl. Kap. 12.4.

  • Bei Arbeiten auf Bahnsteigen können sich die Beschäftigten im Gleisbereich des Bahnsteiggleises befinden, vgl. Kap. 12.9. Sicherungsmaßnahmen sind erforderlich.

  • Beim Einbau von Weichen, die an einem Montageplatz zusammengebaut und z. B. per Schienenkran zur Einbaustelle gebracht werden (Abb. 3-2), muss die Sicherung zum Schutz vor Zugfahrten in benachbarten Gleisen auch für den Transportweg zwischen Montageplatz und Einbaustelle eingerichtet sein.

  • Bei Arbeiten zur Vegetationspflege kann die Gefahr bestehen, unbeabsichtigt in den Gleisbereich hineinzugeraten (vgl. Kap. 12.10) oder den Schutzabstand zu unter Spannung stehenden Teilen der Fahrleitungsanlage (vgl. Kap. 4 und 12.2) zu unterschreiten. Deshalb sind Sicherungs-/Sicherheitsmaßnahmen zu treffen.

Erst durch diese Anzeige kann die BzS das Sicherungsverfahren anhand einer Risikobewertung auswählen (2. Teil der Gefährdungsbeurteilung, vgl. Kap. 2.) und das Verfahren zur detaillierten Planung der Sicherungsmaßnahmen in Gang setzen (3. Teil der Gefährdungsbeurteilung) sowie die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen zur Abwendung von elektrischen Gefährdungen bei Arbeiten in der Nähe von Fahrleitungsanlagen und von in Fahrschienen auftretenden Rückströmen festlegen (vgl. Kap. 4).

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Abb. 3-2: Beim Transport vorgefertigter Weichenteile mit einem Schienenkran ist die gesamte Länge zwischen Montageplatz und Einbaustelle in die Sicherung einzubeziehen.

Der Unternehmer, der Arbeiten im Gleisbereich ausführen möchte, gibt alle wesentlichen Informationen an die BzS:

  • Art, Ort und Zeitdauer der Arbeiten, auch die tägliche Arbeitszeit,

  • Arbeitsumfang (z. B. Personenzahl, Arbeitstage, Schichtlängen, Anzahl der Arbeitsgruppen bzw. "Bauspitzen"),

  • Arbeitsstellenlänge, die gesichert werden muss,

  • Arbeitsstellenbreite (gemessen ab Achse Arbeitsgleis in Richtung Nachbargleis), vgl. z. B. Abb. 3-4,

  • Angaben zu vorbereitenden und nachlaufenden Tätigkeiten,

  • Angaben über Wege zur und von der Arbeitsstelle,

  • Angaben zu wandernden Arbeitsstellen,

  • genaue Lage des Arbeitsbereichs (wird ausschließlich neben Gleisen gearbeitet oder sind Arbeiten im Gleis erforderlich?),

  • kurzzeitiger Aufenthalt im Nachbargleis (z. B. zum Messen des Gleisabstands),

  • Abstand zwischen Arbeitsbereich und Betriebsgleis,

  • Räumzeit (vgl. Kap. 6.),

  • Einsatz von Maschinen (Art, Anzahl, Arbeitsbereich, Störschallpegel),

  • Einsatz von Seitenläufern bei Fließbandmaschinen, erforderliche Arbeitsraumbreite und Sicherheitsraum für Seitenläufer,

  • Angaben zum Auf- und Abrüsten und zur Bereitstellung von Maschinen,

  • Angaben zum Einsatz von Hebezeugen und zum Bewegen schwerer Lasten, die in den Gleisbereich hineingeraten können und eine Gleissperrung erfordern (z. B. Versetzen einer Großflächenschalung für einen Brückenpfeiler).

Für Arbeitsstellen in Gleisbereichen der DB sind diese Angaben auf der ersten Seite des Sicherungsplans zu machen (vgl. [25]). Sollten die dort nachgefragten Angaben für die Beurteilung der Baustellensituation nicht ausreichen, sind weitere für die Sicherung wesentliche Angaben vom Unternehmer per Beiblatt mitzuteilen.

Weiterhin sind Angaben des Unternehmers über Arbeiten in der Nähe unter Spannung stehender Teile der Fahrleitungsanlage erforderlich, auch mit Baumaschinen (Anmerkung: diese Angaben sind z. Zt. bei der DB auf der Seite 1 des Sicherungsplans nicht berücksichtigt, vgl. [25]).

Arbeiten mehrere Unternehmen zusammen, müssen die Sicherungsmaßnahmen zum Schutz vor den Gefahren des Bahnbetriebs aufeinander abgestimmt sein (BGV/GUV-V A 1 § 6 [11]).

Bei der zu sichernden Arbeitsstellenlänge müssen auch Bewegungen innerhalb der Baustelle sowie Wege für das Personal zur Arbeitsstelle berücksichtigt werden, wenn diese im Bereich von Betriebsgleisen verlaufen.

Der Abstand zwischen Gleis und Arbeitsbereich ist wesentlich für die Entscheidung, ob zwischen Arbeitsbereich und Betriebsgleis eine Feste Absperrung (FA) angeordnet werden kann (Abb. 2-2, 2-5). Dabei müssen z. B. das Ausschwenken von Maschinenkomponenten und der Lastentransport berücksichtigt werden (z. B. Heben von Schienen, Rohren oder Bewehrungsstahl).

Der vom Unternehmer anzugebende Maschinenstörschallpegel ist die maßgebliche Eingangsgröße, um bei der Projektierung automatischer Warnsysteme den erforderlichen Signalpegel der Warnsignalgeber und deren maximal zulässigen Abstand bzw. auch zusätzliche einzelne Starktonhörner zu planen, Abb. 2-13, 3-3, 3-4. In Deutschland eingesetzte Warnsignalgeber erreichen Signalpegel zwischen 106 und 126 dB(A). Der Signalpegel nimmt akustischen Gesetzmäßigkeiten entsprechend mit dem Abstand von der Signalquelle ab (um jeweils 6 dB(A) bei Abstandsverdopplung), muss aber den Störschallpegel am Ohr des Beschäftigten um mindestens 3 dB(A) überschreiten. Eine Gleisbaumaschine mit hohem Störschallpegel verdeckt die Warnsignale, wenn das Warnsystem nicht richtig projektiert wurde. Vor Arbeitsbeginn ist in jedem Fall eine Wahrnehmbarkeitsprobe (Maschinen unter Volllast) durchzuführen.

Bei der "akustischen Planung" können "Grundstörschallpegel" von z. B. 90, 95 oder 97 dB(A) bei einem Abstand der Warngeber untereinander von 30 m durch die ortsfeste Warnsignalgeberkette (126 dB(A)) abgedeckt werden. Die übrigen Geräuschspitzen müssen separat berücksichtigt werden, z. B.:

  • langsam und kontinuierlich wandernde Störschallquellen von Maschinen ohne fest installierte Warnanlage (z. B. Stopfmaschine),

  • schnell und diskontinuierlich wandernde Störschallquellen, z. B. Schotterplaniermaschine oder Zweiwegebagger (Geräuschpegel abhängig von Anbaugerät und Arbeitszyklus),

  • von Hand versetzte Störschallquellen, die kontinuierlich bewegt werden (z. B. Schraubmaschine) oder nur zeitweise und punktuell auftreten (z. B. Trennschleifmaschine).

Für diese Geräuschquellen können mobil aufgesetzte funkgesteuerte Signalgeber oder zusätzlich in die Warngeberkette integrierte und von Hand zu versetzende Signalgeber genutzt werden. Auch für diese Signalgebereinsätze ist eine akustische Projektierung erforderlich, damit die Signalwahrnehmbarkeit gewährleistet werden kann.

Gleisgebundene Großmaschinen, die sich kontinuierlich langsam fortbewegen (Bettungsreinigungsmaschinen, Planumsverbesserungsmaschinen, Gleisumbauzüge), haben planmäßige Arbeitsplätze außen neben der Maschine auch auf der Mittelkernseite. Verteilt über die Maschinenlänge treten mehrere Punkte mit Geräuschspitzen auf (z. B. Räumkette, Schotterauswurf, Schwellenaufnahme). Die Maschinen können mit maschineneigenen fest installierten Warnanlagen ausgestattet werden. Im Netz der DB ist dies verbindlich vorgeschrieben [33]. Bei der Arbeitsbreite ist der Arbeitsraum für den seitlich mitgehenden Maschinenbediener (Seitenläufer) zu berücksichtigen.

Bei handgeführten Maschinen muss für die Festlegung der Arbeitsbreite auch der seitlich erforderliche Bewegungsraum berücksichtigt werden, der vom Unternehmer festzulegen ist, Abb. 2-2.

Für Gleisbauarbeiten nachts und im Tunnel muss eine ausreichende Beleuchtung vorgesehen werden: gemäß Technischer Regel für Arbeitsstätten ASR 3.4 (4/2011) [9] beträgt der Mindestwert der Beleuchtungsstärke für die Gleisbauarbeiten 50 lx.

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Abb. 3-3: Bei Schienentrennungen wurden Störschallpegel bis zu 114 dB(A) gemessen. Die erforderliche persönliche Schutzausrüstung muss getragen werden (für das Signalhören geeigneter Gehörschutz, Schutzbrille, Kopfschutz, die Warnweste ist geschlossen zu tragen). Für die hier gezeigte Arbeitsposition ist das Nachbargleis zu sperren.
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Abb. 3-4: Bei gleisgebundenen Großmaschinen wurden Störschallpegel bis zu 110 dB(A) gemessen. Die Arbeitsbreite setzt sich zusammen aus der Maschinenbreite und der Breite des Arbeitsraums für den Seitenläufer. Bei Gefahr durch von der Maschine herabfallende oder umherfliegende Gegenstände wie z. B. Schottersteine ist Kopfschutz zu tragen.