DGUV Information 203-043 - Beeinflussung von Implantaten durch elektromagnetische Felder

Online-Shop für Schriften

Jetzt bei uns im Shop bestellen

Jetzt bestellen

Anhang 5 BGI/GUV-I 511 - Bewertung der Störbeeinflussung

1 Vorgehensweise bei der Bewertung der Störbeeinflussung eines Herzschrittmachers durch das magnetische Feld unter Berücksichtigung individueller Implantateigenschaften

1.1 Herzschrittmacher mit unipolarer Elektrode

1.1.1 Magnetische Felder

Zur Bewertung einer Schrittmacherbeeinflussung anhand des zulässigen Spitzenwertes der magnetischen Feldstärke für einen implantierten Herzschrittmacher mit unipolarer Elektrode müssen die Herzschrittmacherkategorie, die Frequenz des magnetischen Feldes, die tatsächliche Schleifenfläche der Elektrode und die Exposition am Arbeitsplatz und im Aufenthaltsbereich des Herzschrittmacherträgers sowie die eingestellte Empfindlichkeit des Herzschrittmachers bekannt sein bzw. ermittelt, bestimmt und festgelegt werden.

Im Folgenden werden die Schritte für eine Bewertung der Störbeeinflussung erläutert.

Als wirksame Schleifenfläche wird die aus der Abbildung 1 dieses Anhangs ermittelte Fläche A = 74 cm2 der Bewertung zugrunde gelegt. Ferner wird angenommen, dass die elektrische Feldstärke vernachlässigbar ist, dass das magnetische Feld eine Frequenz von f = 50 Hz und die eingestellte Empfindlichkeit (gemäß Herzschrittmacherpass) einen Wert von 0,8 mV hat.

Schritt 1:Ermittlung des zulässigen Spitzenwertes der magnetischen Flussdichte nach E DIN VDE 0848-3-1

Zunächst wird der zulässige Spitzenwert der magnetischen Feldstärke bzw. der magnetischen Flussdichte gemäß Tabelle B.2 der E DIN VDE 0848-3-1 aus

CCC_1915_25

d.h. für eine effektive Schleifenfläche von A = 225 cm2 berechnet (siehe hierzu auch Abschnitt 1 dieses Anhangs). Werden für die Frequenz f = 50 Hz und E(t) = 0 eingesetzt, beträgt die magnetische Feldstärke H = 73 A/m. Das entspricht einer magnetischen Flussdichte von 91,7 µT.

Schritt 2:Berücksichtigung der tatsächlichen Schleifenfläche

Da die Störschwelle USS am Herzschrittmachereingang konstant ist, verhalten sich entsprechend dem Induktionsgesetz die magnetischen Flussdichten umgekehrt proportional zu den wirksamen Schleifenflächen. Die zulässige magnetische Flussdichte für die wirksame tatsächliche Schleifenfläche kann daher unter Berücksichtigung der Werte aus Schritt 1 wie folgt berechnet werden:

B^wirk
______
B^VDE - 225
=AVDE-225
______
Awirk

Für die tatsächlich wirksame Schleifenfläche einer unipolaren Herzschrittmacherelektrode aus dem Beispiel von A = 74 cm2 ergibt sich damit

B^wirk = B^VDE - 225 · AVDE - 225
______
Awirk
= 91 µT ·225 cm2
______
74 cm2
= 277 µT

mit

B^VDE - 225Magnetische Flussdichte gemäß Tabelle B.2 der E DIN VDE 0848-3-1
B^wirkZulässige magnetische Flussdichte für die tatsächlich wirksame Schleifenfläche
AVDE-225Schleifenfläche der Elektroden gemäß E DIN VDE 0848-3-1
AwirkTatsächlich wirksame Schleifenfläche der Elektroden (z.B. aus dem Röntgenbild)
Schritt 3:Berücksichtigung der Wahrnehmungsschwelle

Falls der auf einen Spitze-Spitze-Wert umgerechnete Wert der eingestellten Empfindlichkeit des Herzschrittmachers von dem Wert der Störschwelle USS nach E DIN VDE 0848-3-1, Tabelle B1 abweicht, ist die zulässige magnetische Flussdichte für die tatsächlich wirksame Schleifenfläche mit dem Faktor (USS, Empfindlichkeit/USS, Störschwelle) zu multiplizieren. Eine Umrechnung über diesen Faktor ist jedoch nur im Frequenzbereich von 20 Hz bis 650 Hz zulässig.

Für das Beispiel ergibt sich damit als zulässiger Spitzenwert der magnetischen Flussdichte:

B^zul. = B^wirk · USS, Empfindlichkeit
______
USS, Störschwelle
= 277 µT ·1,6 mV
______
1,3 mV
= 341 µT

mit

B^zul.Zulässiger Spitzenwert der magnetischen Flussdichte
B^wirkZulässige magnetische Flussdichte für die tatsächlich wirksame Schleifenfläche
USS, EmpfindlichkeitSpitze-Spitze Wert der eingestellten Empfindlichkeit des Herzschrittmachers
USS, StörschwelleStörschwelle nach E DIN VDE 0848-3-1
Schritt 4:Vergleich der zulässigen magnetischen Flussdichte mit den Messwerten

Der im Schritt 2 ermittelte zulässige Spitzenwert der magnetischen Flussdichte ist mit den ermittelten Spitzenwerten der Exposition an den Arbeitsplätzen und Aufenthaltsbereichen zu vergleichen. Zeigt der Vergleich, dass die an den Arbeitsplätzen und Aufenthaltsbereichen ermittelten Messwerte über dem zulässigen Spitzenwert der magnetischen Flussdichte liegen, ist eine Beeinflussung des Herzschrittmachers möglich. Es sind Maßnahmen zur Verhinderung einer Störbeeinflussung erforderlich.

1.1.2 Elektrische Felder

Bewertung der Störbeeinflussbarkeit anhand der zulässigen Spitzenwerte der elektrischen Feldstärke

Schritt 1:Ermittlung des zulässigen Spitzenwertes der elektrischen Feldstärke nach E DIN VDE 0848-3-1

Der zulässiger Spitzenwert der elektrischen Feldstärke wird anhand E DIN VDE 0848-3-1 Tabelle 2 B2 aus

CCC_1915_26

ermittelt. Für die Frequenz f = 50 Hz und H(t) = 0 beträgt der maximal zulässige Spitzenwert der elektrischen Feldstärke

ÊVDE - 225 = 5.840 V/m

Dieser Wert gilt für einen wirksamen Abstand zwischen Herzschrittmacher und Elektrodenspitze von

dVDE - 225 = 2 · r = 16,92 cm.

Der Abstand wird aus einer halbkreisförmigen Fläche berechnet, wirksame Induktionsfläche von 225 cm2, wie sie als maximal wirksame Induktionsfläche in der E DIN VDE 0848-3-1 zugrunde gelegt wird. Hinweis:

AVDE - 225 = r2 · π = 225 cm2.

CCC_1915_27
Schritt 2:Berücksichtigung des tatsächlichen wirksamen Elektrodenabstandes

Da die Störschwelle USS am Herzschrittmachereingang konstant ist, verhalten sich die elektrischen Feldstärken umgekehrt proportional zu den wirksamen Elektrodenabständen. Die zulässige elektrische Feldstärke für den tatsächlichen wirksamen Elektrodenabstand der Elektrode im Ventrikel (du-wirk = 15 cm) wird unter Berücksichtigung der Werte aus Schritt 1 wie folgt berechnet:

Êwirk
______
ÊVDE - 225
=dVDE - 225
______
du-wirk
Êwirk = EVDE - 225 · dVDE - 225
______
du-wirk
= 5.840 V/m ·16,96 cm
______
15 cm
= 6.603 V/m

mit

ÊVDE - 225Elektrische Feldstärke gemäß Tabelle B.2 der E DIN VDE 0848-3-1
ÊwirkZulässige elektrische Feldstärke für den tatsächlichen wirksamen Elektrodenabstand
dVDE - 225Elektrodenabstand gemäß E DIN VDE 0848-3-1
du-wirkTatsächlich wirksamer Elektrodenabstand (aus dem Röntgenbild, hier für die Elektrode im Ventrikel)

Für den tatsächlichen wirksamen Elektrodenabstand von d = 15 cm ergibt sich bei der Frequenz f = 50 Hz für eine unipolare Herzschrittmacherelektrode eine elektrische Feldstärke von 6.603 V/m.

Schritt 3:Berücksichtigung der Wahrnehmungsschwelle

Entsprechend Abschnitt 1.1.1 Schritt ist die zulässige elektrische Feldstärke für den tatsächlichen wirksamen Elektrodenabstand mit dem Faktor (USS, Empfindlichkeit/USS, Störschwelle) zu multiplizieren. Bei Berücksichtigung der am Herzschrittmacher eingestellten Wahrnehmungsschwelle beträgt der maximal zulässige Spitzenwert der elektrischen Feldstärke:

Êzul. = Êwirk · USS, Empfindlichkeit
______
USS, Störschwelle
= 6.603 V/m ·1,6 mV
______
1,3 mV
= 8.127 V/m

mit

Êzul.Zulässiger Spitzenwert der elektrischen Feldstärke
ÊwirkZulässige elektrische Feldstärke für den tatsächlichen wirksamen Elektrodenabstand
USS, EmpfindlichkeitSpitze-Spitze Wert der eingestellten Empfindlichkeit des Herzschrittmachers
USS, StörschwelleStörschwelle nach E DIN VDE 0848-3-1

1.2 Herzschrittmacher mit bipolarer Elektrode

1.2.1 Magnetische Felder

Die Bewertung der Störbeeinflussung eines Herzschrittmachers mit bipolarer Elektrode erfolgt entsprechend der im Anhang 5, Abschnitt 1.1.1 beschriebenen Vorgehensweise. Aufgrund der wesentlich geringeren wirksamen Schleifenfläche sind die für Herzschrittmacher mit unipolarer Elektrode ermittelten Werte mit einem Elektrodenfaktor für das magnetische Feld zu multiplizieren. Der Elektrodenfaktor wird wie folgt bestimmt:

efb-mag = π
___
2
·L
__
d
= 1,57 ·L
__
d
efb-mag = 1,57 · (Wurzel)Awirk · 2π
_______________
d

mit

efb-magElektrodenfaktor magnetisches Feld
LLänge entsprechend dem Umfang des Halbkreises, dessen Fläche der ermittelten wirksamen Schleifenfläche eines Herzschrittmachers mit unipolarer Elektrode entspricht, in cm
dLänge des Ring zu Tip-Abstandes der bipolaren Elektrode in cm
AwirkTatsächlich wirksame Schleifenfläche bei unipolarer Elektrode in cm2
CCC_1915_28
Umfang Halbkreis = L =s · π
______
2
= (Wurzel)Awirk · 2 · π
sDurchmesser der halbkreisförmigen Fläche, berechnet aus der wirksamen Induktionsfläche
LLänge entsprechend dem Umfang des Halbkreises, dessen Fläche der ermittelten wirksamen Schleifenfläche eines Herzschrittmachers mit unipolarer Elektrode entspricht, in cm

1.2.2 Elektrische Felder

Die Bewertung der Störbeeinflussung erfolgt entsprechend der im Anhang 5, Abschnitt 1.1.2 beschriebenen Vorgehensweise. Da bei bipolaren Elektroden das elektrische Feld nur über den Ring zu Tip-Abstand in den Schrittmacher eingekoppelt wird, sind die für Herzschrittmacher mit unipolarer Elektrode ermittelten Werte mit einem Elektrodenfaktor für das elektrische Feld zu multiplizieren. Der Elektrodenfaktor wird wie folgt bestimmt:

efb-el = du-wirk
______
db-wirk

mit

efb-elElektrodenfaktor für das elektrische Feld
du-wirkTatsächlich wirksamer Elektrodenabstand bei unipolarer Elektrode
db-wirkTatsächlich wirksamer Elektrodenabstand bei bipolarer Elektrode

1.3 Mehrkanalige Systeme

Bei Schrittmachergeräten mit mehreren Elektroden treten Störspannungen zwischen den einzelnen Eingängen auf, die unabhängig von den verwendeten Elektroden oder der Programmierung des Schrittmachers sind. Die Spannung zwischen den Kanälen ist bei einer dominanten äußeren:

  • elektrischen Feldstärke (B (t) = 0) das Produkt aus dem Spitzenwert der inneren elektrischen Feldstärke Ei (siehe Anhang 4 Gleichung 2) multipliziert mit der Differenz der wirksamen Abstände der Elektroden aus dem Röntgenbild in Anhang 4, Bild 1.

UKe = Êi · dD

mit

UKeSpitzenwert der influenzierten elektrischen Spannung zwischen den Eingängen eines mehrkanaligen Schrittmachers in V
EiSpitzenwert der inneren elektrische Feldstärke
dDDifferenz der wirksamen Abstände der Elektroden
  • magnetischen Feld (E (t) = 0) das Produkt aus der Kreisfrequenz ω, dem Spitzenwert der magnetischen Flussdichte B und der Differenz der wirksamen Schleifenflächen der Elektroden aus dem Röntgenbild Anhang 4 Bild 1.

UKm = ω · B^ · AD

mit

UKmSpitzenwert der induzierten elektrischen Spannung zwischen den Eingängen eines mehrkanaligen Schrittmachers in V
ωKreisfrequenz
BSpitzenwert der magnetischen Flussdichte
ADDifferenz derwirksamen Schleifenflächen zwischen zwei angeschlossenen Elektroden

Eine Bewertung der Spannungen UKe und UKm ist derzeit nicht möglich, da hierfür keine Grenzwerte vorliegen. Daher kann momentan nur eine Bewertung nach den Abschnitten 1.1 und 1.2 für jede einzelne Elektrode vorgenommen werden.