DGUV Information 204-022 - Erste Hilfe im Betrieb

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Abschnitt 7.2 - 7.2 Erforderlichkeit

Erhöhten Anforderungen an die Erste Hilfe in Betrieben mit erhöhten Unfallgefahren soll Rechnung getragen werden.

Rechtsgrundlagen:
§ 27 der DGUV Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention"

7.2.1 Voraussetzungen

Die Zahl der in einer örtlich begrenzten Unternehmenseinheit (Betrieb/Baustelle) gewöhnlich anwesenden Versicherten und das dort zu beobachtende Unfallgeschehen sind maßgeblich dafür, ob in Unternehmen ein oder mehrere Betriebssanitäter oder -sanitäterinnen zur Verfügung stehen müssen. Die Zahl der anwesenden Versicherten bezieht sich auf die Betriebsstätte als örtlich abgegrenzte, nach Aufgabenbereich und Organisation eigenständige, wenn auch nicht rechtlich selbstständige Unternehmenseinheit. Einem Hauptbetrieb benachbart liegende Betriebseinheiten sind diesem zuzurechnen, wenn eine zeitnahe Versorgung durch Betriebssanitäter oder -sanitäterinnen gewährleistet ist. Im Außendienst tätige Personen sind bei der Zahl der anwesenden Versicherten nicht mit einzubeziehen. Für die dem Hauptbetrieb nicht zuzurechnenden Betriebsstätten ist eine eigene Bewertung vorzunehmen. Dies gilt nicht nur für auf Dauer bestehende Einheiten, sondern auch für vorübergehend eingerichtete Arbeitsstätten, z. B. Baustellen.

Bei der Feststellung der Zahl der Versicherten kommt es nicht auf die Betriebsart, insbesondere nicht darauf an, ob z. B. nur ein Teil der Belegschaft in der Produktion tätig ist und ein anderer Teil zur kaufmännischen Verwaltung zählt. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der DGUV Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention" ist in einem Betrieb mit gewöhnlich mehr als 250, aber nicht mehr als 1500 anwesenden Versicherten zu prüfen, ob nach dem betrieblichen Unfallgeschehen ein oder mehrere Betriebssanitäter oder -sanitäterinnen einsatzbereit zur Verfügung stehen müssen. Sind im Betrieb gewöhnlich mehr als 1500 Versicherte anwesend, so muss sich nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der DGUV Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention" grundsätzlich mindestens ein Betriebssanitäter oder eine -sanitäterin unter ihnen befinden. Nach § 27 Abs. 2 der vorstehend genannten Unfallverhütungsvorschrift kann von einem Betriebssanitäter bzw. einer -sanitäterin abgesehen werden, wenn nachgewiesen wird, dass nach dem Unfallgeschehen der Einsatz nicht erforderlich ist. Auch hier kann dies - ebenso wie in § 26 Abs. 1 der vorstehend genannten Unfallverhütungsvorschrift bei der Reduzierung der Ersthelfer oder Ersthelferinnen - nur im Einvernehmen mit dem Unfallversicherungsträger erfolgen.

Auf Baustellen mit gewöhnlich mehr als 100 anwesenden Versicherten hat der Unternehmer oder die Unternehmerin nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der vorstehend genannten Unfallverhütungsvorschrift stets mindestens einen Betriebssanitäter oder eine -sanitäterin vorzuhalten. Dies gilt auch dann, wenn er oder sie nach § 27 Abs. 1 Satz 2 der vorstehend genannten Unfallverhütungsvorschrift zur Erfüllung der zu erbringenden Bauleistung einzelne Arbeiten an andere Unternehmen vergibt und die gleichzeitig Beschäftigten zusammen mehr als 100 anwesende Versicherte ergeben.

Für Betriebe mit höchstens 250 und Baustellen mit höchstens 100 anwesenden Beschäftigten fordert § 27 der DGUV Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention" keinen Betriebssanitäter oder -sanitäterin. Das Unternehmen muss aber auch in diesen Fällen nach § 24 Abs. 1 der vorstehend genannten Unfallverhütungsvorschrift zu prüfen, ob die Erste Hilfe erst mit einem Betriebssanitäter oder einer -sanitäterin sichergestellt werden kann, da diese Unfallverhütungsvorschrift wie alle Unfallverhütungsvorschriften nur Mindestanforderungen enthält. Ist zum Beispiel aufgrund des Standortes, der Art des Betriebes oder der auftretenden Unfälle zur Überbrückung der Zeit bis zum Eintreffen des öffentlichen Rettungsdienstes die Versorgung von Verletzten durch einen Betriebssanitäter oder eine -sanitäterin angezeigt, muss auch in kleineren Unternehmen ein solcher bzw. eine solche bestellt werden. In einem solchen Fall kann die Aufsichtsperson des Unfallversicherungsträgers zur Abwendung besonderer Unfall- oder Gesundheitsgefahren die Anwesenheit einer im Betriebssanitätsdienst ausgebildeten Person anordnen. Dies wäre zum Beispiel in einem Betrieb der Fall, bei dem gleichartige Bedingungen herrschen wie zum Beispiel auf einer Baustelle mit 120 Beschäftigten.

7.2.2 Unfallgeschehen

Art, Schwere und Zahl der zu beobachtenden Unfälle im Betrieb definieren das Unfallgeschehen. Eine Regel, die angibt, bei welcher Zahl der Unfälle ein Betriebssanitäter oder eine -sanitäterin vorzuhalten ist, lässt sich nicht aufstellen. Die Beurteilung der Frage muss stets im Einzelfall vorgenommen werden. Dabei sind nicht nur die Zahl der Beschäftigten sowie Art und Umfang des Unfallgeschehens zu berücksichtigen, sondern auch die Erreichbarkeit des Unfallortes, die Anbindung an das Netz des öffentlichen Rettungsdienstes und der sonstige Aufgabenbereich des Betriebssanitäters bzw. der -sanitäterin.

7.2.2.1 Art der Unfälle

Vergiftungen, Verätzungen, Verbrennungen und auch Verletzungen durch Einwirken elektrischen Stroms stellen vielfach erhöhte Anforderungen an die Helfer und Helferinnen. In diesen Fällen ist es notwendig, dass der Ersthelfer oder die Ersthelferin so früh wie möglich von einem höher qualifizierten und routinierteren Helfer bzw. einer Helferin abgelöst wird.

7.2.2.2 Schwere der Unfälle

Auch bei schweren Unfällen, insbesondere Notfällen mit Störung einer lebenswichtigen Körperfunktion wie Atmung und Kreislauf, kommt es auf einen frühzeitigen Einsatz des professionellen Rettungsdienstes an. Bis die Einheiten des öffentlichen Rettungsdienstes am Notfallort eintreffen, vergehen in der Regel 10 bis 15 Minuten. Die Wartezeit kann durch Einsatz von Betriebssanitätern oder -sanitäterinnen besser überbrückt werden als allein durch Ersthelfer bzw. Ersthelferinnen.

7.2.2.3 Zahl der Unfälle

Die absolute Zahl der Unfälle - der meldepflichtigen und der nicht meldepflichtigen - spricht für die Bestellung eines Betriebssanitäters bzw. einer -sanitäterin. Die Erfahrung des Sanitätsdienstes verbürgt eine höhere Qualität der Ersten Hilfe. Die Dokumentation der Erste-Hilfe-Leistungen gemäß § 24 Abs. 6 der DGUV Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention", die Kontrolle der Meldepflicht nach § 28 Abs. 2 sowie die Entscheidung nach § 24 Abs. 4 der vorstehend genannten Unfallverhütungsvorschrift werden zentralisiert. Schließlich werden die Ersthelfer oder Ersthelferinnen nicht immer wieder von ihrer eigentlichen betrieblichen Tätigkeit abgezogen; der Betriebsablauf wird weniger gestört.

Ergibt sich unter einem oder mehreren dieser Gesichtspunkte, dass mit einem Betriebssanitätsdienst eine wirksamere Versorgung von Verletzten gewährleistet ist, so hat das Unternehmen einen solchen einzurichten. In großen Unternehmen ist darüber hinaus zu prüfen, ob ein Betriebssanitäter oder die -sanitäterin ausreicht.

7.2.3 Einsatzbereitschaft

Die Erste Hilfe als einzige betriebliche Tätigkeit des Betriebssanitäters oder der -sanitäterin wird sie arbeitsmäßig nur in Betrieben mit einer sehr großen Beschäftigtenzahl und einem entsprechenden Unfallgeschehen auslasten. In der Regel kann daher die Erste Hilfe nicht deren alleinigen Aufgabenkreis darstellen. Vielfach dürfte die Erste Hilfe deswegen als betriebliche Nebentätigkeit einzustufen sein. Betriebssanitäter oder -sanitäterinnen, die für die Erste-Hilfe-Leistung in jedem Fall einsatzbereit sein müssen, können nur mit Arbeiten befasst werden, die ihre jederzeitige Unterbrechung zulassen. Die Anbindung der Aufgaben des betrieblichen Sanitätsdienstes an die werksärztliche Abteilung oder die Werkfeuerwehr führt zu erheblichen Vorteilen. Um eine schnelle Versorgung Verletzter sicherzustellen, dürfte es vielfach erforderlich sein, mehrere Betriebsangehörige betriebssanitätsdienstlich ausbilden zu lassen und sie gleichsam als höherqualifizierte Ersthelfer bzw. Ersthelferinnen dezentral im Betrieb einzusetzen.

7.2.4 Zahl und Qualifikation

§ 27 der DGUV Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention" stellt hinsichtlich der Zahl der Betriebssanitäter bzw. -sanitäterinnen eine Mindestforderung dar. Es ist deswegen nicht ausreichend, dass Unternehmen eine Person betriebssanitätsdienstlich haben ausbilden lassen oder eine solche eingestellt haben; diese muss auch im Betrieb anwesend sein. Krankheits- und Urlaubszeiten müssen bei der Bemessung der Zahl berücksichtigt werden. Darüber hinaus ist stets von einer größeren Anzahl auszugehen, wenn die Betriebssanitäter oder -sanitäterinnen bei geringerer Anzahl die auf sie zukommenden Aufgaben nicht erfüllen können. In Schichtbetrieben ist jeweils für jede Schicht gesondert zu prüfen, inwieweit Betriebssanitäter oder -sanitäterinnen erforderlich sind.

Der Unternehmer bzw. die Unternehmerin hat auch zu prüfen, ob für den Betriebssanitäter oder die -sanitäterin die Grundausbildung für den Sanitätsdienst gemäß § 27 Abs. 3 der vorstehend genannten Unfallverhütungsvorschrift den Anforderungen, die das betriebliche Unfallgeschehen an ihn bzw. sie stellt, genügt oder ob der Betriebssanitäter oder die -sanitäterin nicht besser eine höhere Qualifikation, wie Notfall/Rettungssanitäter bzw. -sanitäterin oder Rettungsassistent bzw. -assistentin, haben sollte.