DGUV Information 204-022 - Erste Hilfe im Betrieb

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Abschnitt 5.3 - 5.3 Mittel zur Ersten Hilfe

Erfolg und Qualität der Ersten Hilfe hängen vielfach davon ab, dass die richtigen Mittel zur Ersten Hilfe eingesetzt werden.

Rechtsgrundlagen:
§ 25 Abs. 2 der DGUV Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention"
§ 3 der Arbeitsstättenverordnung mit Abschnitt 4.3 des Anhangs zu § 3 Abs. 1
Technische Regel für Arbeitsstätten-Regel ASR A4.3 "Erste-Hilfe-Räume, Mittel und Einrichtungen zur Ersten Hilfe"
§§ 35h, 61 Abs. 1 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO)
Berg(polizei)verordnungen

Zu den Mitteln zur Ersten Hilfe zählen Erste-Hilfe-Material (z. B. Verbandmaterial, Hilfsmittel, Rettungsdecke) sowie gemäß Gefährdungsbeurteilung erforderliche medizinische Geräte (z. B. Automatisierter externer Defibrillator, Beatmungsgerät) und Arzneimittel (z. B. Antidot), die zur Ersten Hilfe benötigt werden.

Weder die DGUV Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention" noch die Arbeitsstättenverordnung bestimmen, welches und wie viele Mittel zur Ersten Hilfe im Einzelnen in den Betrieben oder bei der Arbeit bereitzustellen sind. Die Aussagen der Regel zu § 25 der DGUV Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention" und die Technische Regel für Arbeitsstätten ASR A4.3 Erste-Hilfe-Räume, Mittel und Einrichtungen zur Ersten Hilfe enthalten konkrete Vorgaben, die sich jedoch nur auf das Erste-Hilfe-Material erstrecken. Auch in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung ist festgelegt, welches Erste-Hilfe-Material in Kraftfahrzeugen mitzuführen ist.

Darüber hinaus ist es Pflicht des Unternehmers oder der Unternehmerin, auf der Grundlage einer Gefährdungsbeurteilung über Art, Menge und Aufbewahrungsorte der vorzuhaltenden Mittel zur Ersten Hilfe zu befinden. Dabei ist zu beachten, dass die notwendigen Mittel zur Ersten Hilfe bei einem Unfall unmittelbar griffbereit sein müssen. Art und Menge sowie Aufbewahrungsorte der Mittel zur Ersten Hilfe richten sich nach der Betriebsgröße, den vorhandenen betrieblichen Gefahren, der Ausdehnung und Struktur des Betriebes, der Tätigkeit, der Qualifikation des Erste-Hilfe-Personals, dem Organisationsgrad des betrieblichen Rettungswesens, der Aufgabenteilung unter den Ersthelfern bzw. Ersthelferinnen, den Betriebssanitätern bzw. -sanitäterinnen und dem zum Einsatz kommenden ärztlichen Personal, der Zusammenarbeit mit außerbetrieblichen Rettungseinheiten, insbesondere dem öffentlichen Rettungsdienst. Es ist zu überlegen, ob an einzelnen Gefahrenpunkten Erste-Hilfe-Material deponiert werden muss oder ob es unter Umständen der Sache nach zulässig ist, das Erste-Hilfe-Material zentral zu deponieren. Der Unternehmer oder die Unternehmerin hat auch zu bedenken, dass er bzw. sie für die betriebsfremden Rettungseinheiten solche Hilfsmittel und Antidote vorzuhalten hat, über die diese nicht verfügen, weil es sich um betriebsspezifische Gefährdungen handelt.

Das Erste-Hilfe-Material muss für die Helfer, für deren Gebrauch es gedacht ist, leicht zugänglich aufbewahrt werden. Zu diesem Zweck müssen die Aufbewahrungsorte entsprechend der Technischen Regel für Arbeitsstätten ASR A1.3 "Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung" gekennzeichnet sein. Das Material muss nicht nur nach Verbrauch ergänzt und bei Unbrauchbarkeit (z. B. Heftpflaster) sowie nach Ablauf des Verfalldatums (z. B. steriles Verbandmaterial, Augenspülflüssigkeit) erneuert werden, sondern auch den anerkannten technischen, medizinischen und hygienischen Regeln entsprechen, d. h. dass altes Material, an dessen Stelle nach heutigen Erkenntnissen neue Mittel getreten sind, ersetzt werden muss. Die Verpflichtung, Mittel zur Ersten Hilfe für die Helfer bereitzuhalten, schließt die Sorgfaltspflicht ein, insbesondere medizinische Geräte und Instrumente sowie Antidote nicht in unbefugte Hände geraten zu lassen.

5.3.1 Erste-Hilfe-Material

Zum Erste-Hilfe-Material gehören das Verbandmaterial, entsprechende Hilfsmittel sowie die Rettungsdecke.

Verbandmaterial dient zum Stillen von Blutungen, dem Verbinden von Wunden oder zum Fixieren verletzter Körperteile.

Zum Verbandmaterial gehören insbesondere Heftpflaster, Mullbinden, Wundschnellverbände, Fingerverbände, Verbandpäckchen, Fixierbinden, Dreiecktücher.

Nach dem geltenden Medizinproduktegesetz muss Verbandmaterial eine CE-Kennzeichnung tragen. Ist ein Verfalldatum angegeben, verbietet das Medizinproduktegesetz unter Androhung eines Bußgeldes die weitere Anwendung nach Ablauf des Verfalldatums. Das Verfalldatum reicht bei handelsüblichen Verbandmaterialien bis 20 Jahre.

Das Erste-Hilfe-Material ist so aufzubewahren, dass es vor schädigenden Einflüssen (z.B. Verunreinigungen, Nässe, hohe Temperaturen) geschützt, aber jederzeit leicht zugänglich ist. Das Erste-Hilfe-Material ist nach Verbrauch, bei Unbrauchbarkeit (z.B. Verschmutzung, Beschädigung) oder nach Ablauf des Verfalldatums zu ergänzen bzw. zu ersetzen.

Das Erste-Hilfe-Material wird in Verbandkästen oder anderen geeigneten Behältnissen (z.B. Rucksäcke, Taschen, Schränke) vom Handel angeboten. Erste-Hilfe-Material soll auf die Arbeitsstätte so verteilt sein, dass es von ständigen Arbeitsplätzen höchstens 100 m Wegstrecke oder höchstens ein Stockwerk entfernt ist. Die DGUV Regel 100-001 "Grundsätze der Prävention" empfiehlt in Abschnitt 4.7.2 als geeignet:

  1. 1.

    den kleinen Verbandkasten nach DIN 13 157 und

  2. 2.

    den großen Verbandkasten nach DIN 13 169.

Zum Inhalt der Verbandkästen siehe Anhang 1 "Erste-Hilfe-Material".

In Abhängigkeit von der Betriebsart und Zahl der Versicherten gelten für die Ausstattung mit Verbandkästen folgende Richtwerte:

BetriebsartZahl der VersichertenKleiner VerbandkastenGroßer *) Verbandkasten
Verwaltungs- und Handelsbetriebe1-50**)
51-3001
ab 301
für je 300 weitere Versicherte zusätzlich ein großer Verbandkasten
2
Herstellungs-, Verarbeitungs- und vergleichbare Betriebe1-20**)
21-1001
ab 101 für je 100 weitere Versicherte zusätzlich ein großer Verbandskasten2
Baustellen und baustellenähnliche Einrichtungen1-10**)
11-501
ab 51
für je 50 weitere Versicherte zusätzlich ein großer Verbandkasten
2

Beide Verbandkästen unterscheiden sich nicht in der Art des Erste-Hilfe-Materials, sondern nur in der Menge. Zwei kleine ersetzen einen großen. Sie sind nach aktuellen Erkenntnissen in der Notfallmedizin für den betrieblichen Bereich konzipiert worden. Sie entsprechen nicht dem im öffentlichen Verkehr in den Kraftfahrzeugen mitzuführenden Kraftwagen-Verbandkasten nach DIN 13 164 und können den Kraftwagen-Verbandkasten deshalb nicht ersetzen. Für den rein innerbetrieblichen Verkehr ist allerdings der kleine Verbandkasten nach DIN 13 157 zu empfehlen.

Für Tätigkeiten im Außendienst, insbesondere für die Mitführung von Erste-Hilfe-Material in Werkstattwagen und Einsatzfahrzeugen, kann auch der Kraftwagen-Verbandkasten nach DIN 13 164 verwendet werden.

5.3.2 Medizinische Geräte und Instrumente

Neben dem Erste-Hilfe-Material können auf Basis der Gefährdungsbeurteilung in Abstimmung mit dem Werks- bzw. Betriebsarzt oder der Betriebsärztin medizinische Geräte und Instrumente notwendig sein. Zu den medizinischen Geräten und Instrumenten zählen insbesondere:

  • Guedeltubus/Larynx-Tubus

  • Intubationsbesteck

  • Sauerstoffmasken

  • Beatmungsbeutel oder -geräte

  • Sauerstoffflaschen mit medizinischem Sauerstoff

  • Automatisierter Externer Defibrillator (AED), siehe 5.3.3

  • Absauggeräte mit Absaugkatheter

  • Infusionslösung

  • Einmal-Infusionsbesteck mit Venenverweilkanülen

  • Einmal-Spritzen mit Einmal-Kanülen

  • Blutdruckmessgerät

  • Stethoskop

  • Hilfsmittel zur Schienung

5.3.3 Automatisierte Externe Defibrillatoren (AED)

Der Einsatz eines AED ermöglicht eine frühzeitige Behandlung des Herzkammerflimmerns noch vor Eintreffen des Rettungsdienstes. Die Überlebenschance beim so genannten "plötzlichen Herztod" wird durch die Frühdefibrillation nachweislich gesteigert. Immer mehr Unternehmen entscheiden sich daher für die Vorhaltung eines oder mehrerer AED.

Werden entsprechende Geräte im Unternehmen eingesetzt, sollten alle betrieblichen Ersthelferinnen und Ersthelfer über die Bedienung der AED jährlich unterwiesen sein. Hilfreich ist eine Unterweisung anhand der Betriebsanweisung zum AED. Als Ansprechpartner und für die Instandhaltung der Geräte ist nach Medizinproduktegeräteverordnung ein Gerätebeauftragter zu benennen.

Weitere Informationen zur Einführung und zum sicheren Betrieb der Geräte finden Sie in der DGUV Information 204-010 "Automatisierte Defibrillation" (Webcode d1028611).

5.3.4 Antidote

Antidote (Gegengifte) dienen der Behandlung bei Lebensgefahr, die infolge Einwirkens gesundheitsschädlicher Stoffe eintritt.

Antidote sind Substanzen, die ein Gift direkt inaktivieren bzw. die Wirkungen des Gifts an Rezeptoren und Organen herabsetzen oder aufheben.

Hierzu gehören z. B. spezifische Antidote, die in den Wirkmechanismus des Giftes eingreifen, Antidote, die das Gift vom gefährdeten Organ verdrängen, oder Antidote, die zu einer beschleunigten Giftentfernung beitragen.

Die nachfolgende Tabelle enthält eine Auswahl chemischer Stoffe und ihrer Antidote. Der Anwender hat in jedem Einzelfall die Aktualität dieser Empfehlungen zu prüfen.

GefahrstoffeAntidote
AcrylnitrilN-Acetylcystein
Alkylantien, ZytostatikaNatriumthiosulfat
aromatische Amino- und NitroverbindungenToloniumchlorid
Arsen, -verbindungenDimercaptopropansulfonat (DMPS)
Blausäure, Cyanide4-Dimethylaminophenol (4-DMAP)
+ Natriumthiosulfat
Hydroxocobolamin
anorganische BleiverbindungenDimercaptobutandisäure (DMSA)
Dimercaptopropansulfonat (DMPS)
Calcium-trinatrium-pentetat (DTPA)
ChromateAscorbinsäure
N-Acetylcystein
Ethylenglycol, MethanolEthanol
4-Methylpyrazol
FluorwasserstoffeCalciumgluconat
KohlenmonoxidSauerstoff
Nitrate, NitriteToloniumchlorid
Organo- oder AlkylphosphateAtropinsulfat
PflanzenschutzmittelObidoximchlorid
PhenolReinigung der Haut mit Polyethylenglycol
Quecksilber, -salzeDimercaptopropansulfonat (DMPS)
Reizgaseinhalative Steroide ß2-Sympathomimetika
Schwermetalle, RadionuklideCalcium-trinatrium-pentetat (DTPA)

Über Art und Anzahl bereitzuhaltender Antidote entscheidet der Unternehmer oder die Unternehmerin unter Berücksichtigung der betrieblichen Gefährdungen. Er oder sie sollte sich dabei ärztlich beraten lassen. Eine Abstimmung mit dem örtlich zuständigen Rettungsdienst und gegebenenfalls Krankenhaus ist sinnvoll.

Die Antidote sind so aufzubewahren, dass sie im Notfall sofort zur Verfügung stehen. Sie sind gegen Missbrauch zu sichern.

Zwei kleine Verbandkästen ersetzen einen großen Verbandkasten.

Für Tätigkeiten im Außendienst, insbesondere für die Mitführung von Erste-Hilfe-Material in Werkstattwagen und Einsatzfahrzeugen, kann auch der Kraftwagen-Verbandkasten z. B. nach DIN 13164 als kleiner Verbandkasten verwendet werden.