DGUV Information 209-069 - Ergonomische Maschinengestaltung von Werkzeugmaschinen der Metallbearbeitung

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Abschnitt 4.3 - 4.3 Aktionskräfte bei Maschinenbetätigung

Der Betrieb und die Wartung/Reparatur von Maschinen erfordern häufig über die manuelle Handhabung von Gegenständen hinaus den Einsatz von Muskelkraft. Diese Muskelkräfte werden beim Montieren von Werkstücken und Werkzeugen, beim Öffnen und Schließen von Schutzeinrichtungen oder beim Montieren/Demontieren von Maschineteilen aufgebracht und beanspruchen das Muskel-Skelett-System. Unter Umständen werden dadurch gewisse Risiken gefördert, wie Ermüdung, Unbehagen und Gesundheitsgefährdungen des Bewegungsapparates.

Die Betätigung von Stellteilen wird hier nicht betrachtet, sondern im Abschnitt 5 behandelt. Die Checkliste soll dazu beitragen, Kraftausübungen auf ihr Risiko einzuschätzen. Als Grundlage dient das Verfahren zur Risikoabschätzung aus DIN EN 1005-3:2009-01 "Empfohlene Kraftgrenzen bei Maschinenbetätigung".

Abbildung 49 zeigt den Ablauf der Beurteilung der Aktionskräfte als Flussdiagramm.

Zu Frage a)

Unterschiedliche Körperbewegungen reduzieren die Gefahr einer einseitigen Überlastung von Körperpartien und können die Durchblutung fördern. Insbesondere sollten die Anforderungen des Abschnittes 2.5 erfüllt werden. Bei reinen Steharbeitsplätzen sollten die Arbeitsaufgaben und Arbeitsabläufe Ortswechsel notwendig machen.

4.3.1 Bewertung von Aktionskräften bezüglich der körperlichen Beanspruchung

Zu Frage a)

Als Grundlage zur Bewertung der Aktionskräfte dient das in Abbildung 50 dargestellte Verfahren zur Risikoabschätzung aus DIN EN 1005-3:2009-01 "Empfohlene Kraftgrenzen bei Maschinenbetätigung".

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Abbildung 49:
Ablauf bei der Beurteilung der Aktionskräfte nach DIN EN 1005-3

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Abbildung 50:
Verfahren zur Risikoabschätzung von Aktionskräften bei der Verwendung von Maschinen für bekannte Population der Benutzer und Benutzerinnen (Quelle: Bild 1 der DIN EN 1005-3:2009-01)

Stufe A: Festlegen der Population der Benutzer und Benutzerinnen und Ermittlung der maximalen statischen Aktionskraft

Als Benutzer werden im Beispiel Männer betrachtet. Für Frauen sind als Berechnungsgrundlage die entsprechenden niedrigeren Kraftwerte auszuwählen. Die Kraftwerte (15. Perzentil) für die maximalen statischen Aktionskräfte können DIN 33 411-5:1999-11 entnommen werden. Es sind Daten für verschiedene Kraftausübungsfälle in den dortigen Tabellen 2 bis 18 hinterlegt. Ein Fall beschreibt eine Kraftrichtung, eine Körperhaltung und eine Kraftausübungsart. Tabelle 1 bietet einen Überblick über die verschiedenen Kraftausübungsfälle.

Den Tabellen können noch weitere hilfreiche Parameter, z. B. die Kraftangriffshöhe, entnommen werden (siehe Abbildung 51).

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Abbildung 51:
Maximale statische Aktionskräfte für einen Kraftausübungsfall
(Quelle: Tabelle 2 der DIN 33 411-5:1999-11)

Vorgehensweise:

  1. 1.

    Kraftausübungsfälle festlegen, z. B. analog Abbildung 51

  2. 2.

    Erforderliche Parameter auswählen: Armreichweite a; Höhenwinkel a

  3. 3.

    Maximale statische Aktionskraft ablesen, z. B. 381 N bei 80 % Armreichweite und -15° Höhenwinkel

Stufe B: Ermittlung der reduzierten Maximalkraft

In Stufe B werden die in Stufe A ermittelten Maximalkräfte entsprechend den Begleitumständen der Arbeitssituation reduziert. Die Reduktion wird über eine Reihe von Multiplikatoren umgesetzt, welche DIN EN 1005-3:2009-01 entnommen sind.

Die Reduktionsfaktoren können aus der folgenden Tabelle (siehe Abbildung 52) als Prozentwert der maximalen statischen Aktionskraft ermittelt werden, indem die prozentualen Anteile der Maximalkraft abgelesen werden.

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Abbildung 52:
Ermittlung der reduzierten Maximalkraft in %

Im nachstehenden Beispiel wären diese 32 % für Automatikbetrieb und 51 % beim Einrichten. Aus diesen Angaben lassen sich wiederum die Kraftwerte berechnen:

Automatikbetrieb/Produktion:381 N/100 * 32 % = 122 N
Werkstattbetrieb/Einrichten:381 N/100 * 51 % = 195 N

Vorgehensweise:

Maximale statische Aktionskraft, z. B. 381 N, in der Tabelle der Abbildung 52 als 100 % (siehe rotes Feld) einsetzen und die übrigen prozentualen Anteile berechnen:

ccc_1901_180201_54.jpg

Abbildung 53:
Ermittlung der reduzierten Maximalkraft in N, bei einem Maximalwert von 381 N

  1. 1.

    Bewegungsparameter wählen, z. B. deutliche Bewegung

  2. 2.

    Dauer der Bewegung, z. B. < 3 s

  3. 3.

    Häufigkeit der Muskelanspannung, z. B. 30 s bis 5 min

  4. 4.

    Schätzen Sie die Dauer der Maschinennutzung in Verbindung mit dieser Kraftaufwendung ab (siehe Abbildung 54)

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Abbildung 54:
Dauer der Tätigkeit

  1. 5.

    Ablesen des reduzierten Kraftwertes, z. B. für häufigen Eingriff 122 N, bei gelegentlicher Nutzung der Maschine (1 bis 2 h/Tag) 195 N (siehe untere rote Felder in Abbildung 53).

Stufe C: Bewertung der Kraftaufwendung

Die ermittelten Werte der reduzierten Maximalkraft werden nun mit den gemessenen Werten verglichen. Dabei sollten die gemessenen Werte kleiner oder gleich den ermittelten Werten sein.

Bei der Risikoabschätzung der Stufe C wird die "Zu vermeidende Zone" aus DIN EN 1005-3:2009-01 als Mangel gewertet. Die Risikobewertungskraft liegt mindestens 30 %, besser 50 % unter der hier ermittelten reduzierten Maximalkraft. Sollten Mängel oder Unsicherheiten aufgedeckt werden, empfiehlt es sich, ein weiterführendes Berechnungsverfahren entsprechend DIN EN 1005-3:2009-01 durchzuführen.

Zu Frage a)

Der Kraftwert 122 N ergibt sich bei einer schnellen Bewegung, die innerhalb von 3 Sekunden abgeschlossen ist, im Zeitraum von 30 Sekunden bis 5 Minuten wiederholt wird, und bei Maschinen, die im Dauerbetrieb (also häufig, > 2 h/Tag) arbeiten. Bei Werkstattmaschinen bzw. im Einrichtbetrieb (gelegentlich, < 2 h/Tag) dürfte die Kraft bei denselben Kapazitätsgrenzen 195 N betragen.

Zu Frage d)

Aus der Tabelle 7 der DIN 33 411-5:1999-11 ergibt sich bei beidhändiger Kraftausübung eine maximale statische Aktionskraft von 487 N. Da die linke und die rechte Hand etwa eine Kraftverteilung von 50 %/50 % haben dürften, wäre eine Kraft von 50 % bei einhändiger Betätigung gewiss. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass durch günstigere Körperstellung oder durch Benutzung der Vorzugshand durchaus 60 % der beidhändigen Maximalkraft aufgebracht werden können.

Zu Frage e)

Falls Sie bei der Ermittlung der Werte unsicher sind, versuchen Sie bitte, sich die einzelnen Schritte dieses Abschnittes ab "Stufe A" auf Seite 56 zu verdeutlichen.

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