DGUV Information 201-028 - Gesundheitsgefährdungen durch Biostoffe bei der Schimmelpilzsanierung

Online-Shop für Schriften

Jetzt bei uns im Shop bestellen

Jetzt bestellen

Abschnitt 9.2 - 9.2 Technische Schutzmaßnahmen

9.2.1
Staubarme Arbeitsverfahren

Arbeitsverfahren, die mit einer Staub- bzw. Aerosolfreisetzung verbunden sind, führen im Allgemeinen auch zu hohen bis sehr hohen Sporenkonzentrationen in der Luft. Die Sanierungs- und Reinigungsarbeiten sind daher so zu planen und auszuführen, dass eine Staub- und Aerosolbildung minimiert wird.

Vor dem Entfernen befallener Materialien kann durch folgende Maßnahmen eine Aufwirbelung und Freisetzung von Sporen vermindert werden:

  • Befallene Oberflächen vor dem Entfernen mit einem Industriestaubsauger der Staubklasse H absaugen oder feucht abwischen

  • Sporenbindende Mittel auftragen, z. B. Tiefengrund, Kleister, Wasserglas. Beim Auftrag ist darauf zu achten, dass möglichst wenig Schimmelpilzsporen aufgewirbelt werden, z. B. Auftrag durch Streichen oder Rollen.

  • Vor dem Entfernen von Teppichböden eine feuchte Reinigung durchführen, z. B. shampoonieren oder mit Sprühextraktionsverfahren reinigen

Beispiele für staubarme Arbeitsverfahren sind:

  • händische, möglichst zerstörungsfreie Demontage von z. B. Holzwerkstoffplatten und Leichtbauwänden statt Herausbrechen der Materialien

  • Einsatz von Maschinen und Geräte (z. B. Putzfräsen, Betonschleifer), die mit einer wirksamen Absaugung ausgestattet sind. Die Stäube sind mit Entstaubern mindestens der Staubklasse M zu erfassen. Eine Auswahl staubarmer Bearbeitungssysteme ist im Internet unter www.bgbau.de abrufbar.

Bei Tätigkeiten mit hohem Staubanfall können die Entstauber an ihre Leistungsgrenzen gelangen. Mit dem Einsatz eines Vorabscheiders, der zwischen das Staub erzeugende Gerät und den Entstauber geschaltet wird, können bereits vor dem Entstauber große Mengen des Staubs ohne zusätzlichen Filteraufwand abgetrennt werden. Vorabscheider arbeiten dabei nach physikalischen Verfahren, in der Regel mit Fliehkraftabscheidung in einem Zyklon. Der Staub kann im Vorabscheider in handelsüblichen Müllsäcken gesammelt werden.

ccc_1795_as_6.jpg

Abb. 5
Abtrag von Putz mit abgesaugter Fräse und lokaler Absaugung im unmittelbaren Arbeitsbereich

  • Auch beim Einsatz abgesaugter Maschinen ist eine vollständige Erfassung der Stäube nicht immer möglich, z. B. beim Schleifen in Randbereichen bzw. an Kanten oder beim Einsatz abgesaugter Stemmmeißel zum Abtrag von Putzen. Als ergänzende Maßnahme sind dann mobile Luftreiniger einzusetzen. Die Lufterfassung ist dabei möglichst nahe am Arbeitsbereich (Entstehungsstelle der Stäube) zu platzieren, um dort eine hohe lokale Luftwechselrate zu erhalten und eine Ausbreitung der Stäube in den gesamten Sanierungsbereich zu vermeiden.

  • staubarme Reinigung der Arbeitsbereiche mit einem Industriesauger bzw. Entstauber der Staubklasse H oder Feuchtreinigung. Kann die gereinigte Luft in den Außenbereich abgeleitet werden, können auch Industriesauger bzw. Entstauber der Staubklasse M für die Reinigung eingesetzt werden.

9.2.2
Technische Lüftungsmaßnahmen

Technische Lüftungsmaßnahmen haben das Ziel, Staub- und Sporenbelastungen in der Luft zu reduzieren sowie eine Ausbreitung der Stoffe aus dem Sanierungsbereich zu verhindern. Je nach Anforderung an Art und Umfang der technischen Lüftung können Luftreiniger oder Unterdruckhaltegeräte (UHG) eingesetzt werden.

Für den Einsatz von Luftreinigern gibt es grundsätzlich zwei Verwendungsmöglichkeiten:

  • Einsatz zur Erfassung von Stäuben am Entstehungsort: der Staub wird möglichst nahe an der Freisetzungsstelle abgesaugt, gerichtet aus dem Arbeitsbereich abgeführt und im Luftreiniger abgeschieden (vgl. Kapitel 9.2.1 - Beispiele für staubarme Arbeitsverfahren)

  • Einsatz zur Reinigung der Raumluft

Luftreiniger sind mobile Geräte zur Erfassung und Abscheidung von Stäuben in der Luft. Die Geräte saugen mit einem Ventilator Luft an. Die angesaugten Stäube werden in Partikelfiltern aus der Luft abgeschieden. Die gefilterte Luft kann in den Arbeitsbereich zurückströmen (Luftrückführung) oder nach außen geleitet werden (Fortluft). Die Fortluft muss so geführt bzw. gereinigt werden, dass keine belastete Luft in die Atemluft anderer Beschäftigter oder Dritter gelangt.

Für die Schimmelpilzsanierung geeignete Luftreiniger sind mit einem mindestens zweistufigen Partikelfiltersystem ausgerüstet, das üblicherweise aus einem Vor- und einem Hauptfilter besteht. Erfolgt eine Rückführung der gereinigten Luft in den Sanierungsbereich, muss das Hauptfilter als Filterelement der Staubklasse H geprüft sein oder aus Filtermaterial bestehen, das den Anforderungen der Staubklasse H entspricht. Wird die Luft in den Außenbereich abgeleitet, kann als Hauptfilter Filtermaterial der Staubklasse M eingesetzt werden. Nach DIN EN 1822:2011-01 geprüfte Filter der Klasse H14 sind gleichwertig mit Staubklasse H-Filtern, Filter der Klassen H13 sind gleichwertig mit Staubklasse M-Filtern.

Luftwechsel und Luftführung

Bei hoher und sehr hoher Exposition der Beschäftigten ist ein ausreichender Luftwechsel im Sanierungsbereich sicherzustellen, um eine Aufkonzentrierung der Biostoffe und Stäube in der Raumluft zu vermeiden. Für eine wirksame Durchlüftung des Sanierungsbereiches ist ein 15-facher Luftwechsel pro Stunde anzustreben.

Berechnungsbeispiel für die Ermittlung des erforderlichen Luftvolumens

Für einen Raum mit Abmessungen von 5 m x 4 m und einer Höhe von 3 m beträgt der für einen 15-fachen Luftwechsel erforderliche Luftvolumenstrom:

5 × 4 × 3 [m3] × 15 [1/h] = 900 m3/h

Bei der Ermittlung des erforderlichen Luftvolumenstroms ist zu beachten, dass belegte Filter oder an das Lüftungsgerät angeschlossene Ansaug- bzw. Abluftschläuche die Volumenstromleistung des Gerätes reduzieren. Daher sind Luftreiniger einzusetzen, die mit einer Einrichtung ausgerüstet sind, die das Unterschreiten des Mindestvolumenstroms z. B. infolge der Filterbelegung anzeigt. Auf dem Gerät muss ergänzend die maximale Fläche des Raumes angegeben sein, der bei Ansprechen der Volumenstromkontrolleinrichtung noch ausreichend abgesaugt werden kann. Der geförderte Volumenstrom entspricht dann rechnerisch einem 15-fachen Luftwechsel für diesen Raum bei einer Raumhöhe von 3 m.

ccc_1795_as_7.jpg

Abb. 6
Funktionsweise der Zuluftöffnung

Der tatsächliche geförderte Luftvolumenstrom kann bei Bedarf z. B. mit einem Staurohr oder einem Flügelradanemometer im Abluftstrom des Lüftungsgerätes überprüft werden.

Undichtigkeiten des Arbeitsbereiches z. B. in der Abschottung oder an Rohrdurchführungen sind für den erforderlichen Luftwechsel in der Regel nicht ausreichend. Daher müssen ausreichend große Zuluftöffnungen geschaffen werden.

Die Luft ist so zu führen, dass eine wirkungsvolle Durchströmung des Sanierungsbereichs gegeben ist. Die Zuluftöffnungen werden dazu möglichst diagonal gegenüber der Ablufterfassung installiert und mit einer Rückschlagklappe ausgestattet, die beim Abschalten bzw. Ausfall der Absaugung die Zuluftöffnung verschließt. Geeignet sind z. B. Zuluftklappen mit selbständig öffnenden und schließenden Lamellen.

Hohe Luftwechselraten können bei kalten Außentemperaturen zu unangenehmen Arbeitsplatzbedingungen führen. Die Entnahme der Zuluft, beispielsweise aus dem beheizten Gebäude und Abgabe der Abluft nach außen, ist eine Möglichkeit, geeignete Arbeitsplatzbedingungen zu erhalten ohne zusätzliche aufwendige Erwärmung der Zuluft.

Die Luft im Sanierungsbereich kann auch im Umluftbetrieb gereinigt werden. Dabei ist eine 15-fache Umwälzung der Raumluft und eine Filtration des Luftstromes mit Staubklasse H-Filtern sicherzustellen.

Über Undichtigkeiten in der Abschottung, an Rohr- oder Kabeldurchführungen, an Installations- und Lüftungsschächten, kann belastete Luft aus dem Sanierungsbereich (Schwarzbereich) in angrenzende (Weiß)Bereiche gelangen.

Durch einen Unterdruck im Sanierungsbereich wird gewährleistet, dass die Luft aus dem Weißbereich in den Schwarzbereich strömt. Der Druckunterschied zwischen Schwarz- und Weißbereich sollte ca. 15 bis 25 Pascal betragen. Dieser Druckunterschied bewirkt eine fühlbar gespannte Wölbung an Folienabschottungen oder Zug an einem Tür- oder Fensterspalt. Messtechnisch kann der Unterdruck mittels Differenzdruckmessgeräten bestimmt werden.

Ist im Sanierungsbereich Schwebstaub erkennbar, sind Funktion und Wirksamkeit der technischen Lüftung zu überprüfen.
ccc_1795_as_8.jpg

Abb. 7
Feinreinigung des Sanierungsbereiches

9.2.3
Reinigung

Reinigung der Sanierungsbereiche

Bei der Schimmelpilzsanierung werden Biostoffe und mineralische Stäube freigesetzt, die zu einer Verunreinigung der Raumoberflächen und der Raumluft führen. Vor Aufheben der Schutzmaßnahmen werden diese Verschmutzungen durch eine Feinreinigung entfernt, um eine Gefährdung nachfolgender Gewerke bzw. der Nutzenden zu vermeiden. Die Feinreinigung schließt die Reinigung der Abschottungen und Schleusen ein.

Art und Umfang einer Schimmelpilzsanierung beeinflussen wesentlich die Vorgehensweise und den Erfolg der Feinreinigung. Daher ist eine umfängliche Planung vor Beginn der Arbeiten unerlässlich. Der Reinigungsaufwand wird reduziert, wenn bei der Sanierung staubarme Arbeitsverfahren und technische Lüftungsmaßnahmen zum Einsatz kommen und die Sanierungsbereiche bereits während der Sanierung regelmäßig gereinigt werden. Schwer zugängliche oder schwer reinigbare Gegenstände und Einbauten (z. B. Heizkörperverkleidungen, Akustikdecken, textile Wandbekleidungen) müssen vor Beginn der Arbeiten staubdicht abgeklebt werden.

Zur Reinigung sind Industriestaubsauger der Staubklasse H einzusetzen. Sauger der Staubklasse M können dann verwendet werden, wenn die Abluft ins Freie abgeführt wird. Bei glatten Oberflächen/Folien eignet sich eine Feuchtreinigung mit einem Tensid haltigen Reinigungsmittel. Dabei sind Reinigungstechniken anzuwenden, die das Verteilen oder Verwischen der Verschmutzungen vermeiden. Der Einsatz von Bioziden (Desinfektionsmitteln) ist nicht erforderlich.

Die Feinreinigung kann durch Luftreinigungsgeräte sinnvoll unterstützt werden, um die Konzentration luftgetragener Schimmelpilzbestandteile und Stäube zu reduzieren. Ist eine gezielte Luftführung im Sanierungsbereich vorhanden, sollte die Reinigung mit der Richtung des Luftstroms (in Richtung Abluft) erfolgen, damit aufgewirbelte Stäube sich nicht in zuvor gereinigten Bereichen ablagern.

Bei der Feinreinigung hat sich folgender Ablauf bewährt:

  1. 1.

    Reinigung der Böden und horizontaler Flächen (z. B. Fensterbänke, Ablagen)

  2. 2.

    Absaugen bzw. Abwischen der abgeklebten Oberflächen und anschließende Entfernung der Abdeckmaterialien

  3. 3.

    Reinigung der Decke

  4. 4.

    Reinigung der Wände

  5. 5.

    Schlussreinigung der Böden in Richtung Zugangsbereich

  6. 6.

    eventuell feuchtes Nachreinigen einzelner Oberflächen und Gegenstände

Gerätereinigung

Geräte und Werkzeuge, die im Sanierungsbereich zum Einsatz kommen, sind vor dem Abtransport zu reinigen (Gehäuse absaugen oder feucht abwischen). Ungereinigte Geräte, Werkzeuge und Zubehör (z. B. Schläuche, Verbindungsstücke) müssen staubdicht verpackt werden, damit keine Biostoffe verschleppt werden. Es empfiehlt sich, die verpackten Geräte als ungereinigt zu kennzeichnen.

Bei Saugern bzw. Entstaubern ist nach Abschluss der Sanierungsmaßnahme der Staubbeutel zu wechseln. Wurden mit den Geräten feuchte Materialien aufgenommen, sollte zusätzlich auch der Filter getauscht werden, um eine Belastung durch mikrobielles Wachstum auf dem Filter zu vermeiden. Dies verhindert beim nächsten Einsatz der Geräte eine Verunreinigung der Raumluft.

9.2.4
Umgang mit Abfällen

Die zu entsorgenden Materialien sind so aus dem Sanierungsbereich zu transportieren und zur Abholung bereit zu stellen, dass keine Biostoffe verschleppt werden.

Für den Abtransport durch Flure, Treppenhäuser oder andere Räume außerhalb des Sanierungsbereiches müssen die Abfälle im Sanierungsbereich staubdicht verpackt werden. Dazu eignen sich z. B. Kunststoffsäcke oder Big Bags. Die Gebinde sind vor dem Transport aus dem Sanierungsbereich zu reinigen (absaugen oder feucht abwischen).