DGUV Information 201-027 - Handlungsanleitung zur Gefährdungsbeurteilung und Festlegung von Schutzmaßnahmen bei der Kampfmittelräumung

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Abschnitt 5.1 - 5.1 Arbeitsverfahren der Kampfmittelräumung

Im Folgenden werden die in der Kampfmittelräumung hauptsächlich eingesetzten Arbeitsverfahren sowie die bei der Auswahl in Bezug auf den Arbeitsschutz besonders zu beachtenden Randbedingungen beschrieben.

Zu einer detaillierten Beschreibung der Arbeitsverfahren siehe BFR KMR.

Hinweis:

Befinden sich bauliche Anlagen oder andere Hindernisse im zu räumenden Bereich, ist zu prüfen, ob diese zur Räumung zurückzubauen sind oder das Räumziel ohne Rückbau sicher erreicht werden kann. Weiterhin ist zu prüfen, ob die Gefährdungsbeurteilung anzupassen ist.

5.1.1
Sondierverfahren-(Detektionsverfahren)

  • Magnetik,

  • Elektromagnetik,

  • Georadar.

5.1.2
Räumverfahren an Land

  • Vollflächige, punktuell bodeneingreifende Kampfmittelräumung

    Die Räumfläche wird systematisch und vollflächig mit aktiven und/oder passiven Sonden von der Geländeoberfläche aus untersucht. Ohne Messwertaufzeichnung werden lokalisierte Störkörper direkt freigelegt und identifizierte Kampfmittel geräumt. Mit Messwertaufzeichnung kann dieses zeitversetzt erfolgen.

  • Räumung von Bombenblindgängern

    Bombenblindgängerverdachtspunkte werden in Abhängigkeit von den Standortbedingungen durch Oberflächen- und/oder Bohrlochsondierung überprüft.

    Nach der Lokalisierung eines Verdachtskörpers wird dieser manuell freigelegt, oft unter hilfsweisem Einsatz von Baumaschinen oder Spezialtiefbautechnik (erschütterungsarmer Spundwandverbau, Einbringen von Schachtringen, Grundwasserabsenkung, geflutetes Verbausystem mit Tauchereinsatz etc.).

  • Kampfmittelräumung durch Abtrag von Boden und sonstigen Stoffen (Volumenräumung/Separation)

    Bei der Volumenräumung/Separation werden die kampfmittelverdächtigen Materialien (Boden und/oder Fremdstoffe) auf der Räumfläche durch schichtenweisen maschinellen Abtrag und nachfolgende Bearbeitung geräumt.

    Vor dem Abtrag/Aushub wird die jeweilige Abtragschicht auf signalstarke Störkörper (bzgl. des lokalen Rauschpegels) sondiert und punktuell geräumt.

    Die Bearbeitung des Aushubs erfolgt durch geeignete manuelle oder maschinelle Verfahren (z. B. Umsetzen mit visueller Kontrolle, Ausbreiten und Sondierung geringmächtiger Lagen, maschinelle Separation mit Magnetabscheider).

    Nach Erreichen der erforderlichen Aushubtiefe werden Aushubsohle sowie Böschungswände mittels aktiver und/oder passiver Sonden sondiert und geräumt, bis die geforderte Qualität erreicht ist.

    Alle genutzten Arbeitsflächen werden nach Abschluss der Volumenräumung/Separation auf eingetragene Kampfmittel überprüft.

  • Visuelle Kampfmittelräumung

    Bei der visuellen Kampfmittelräumung wird die Räumfläche vollflächig begangen und optisch auf Kampfmittel überprüft, die auf der Geländeoberfläche liegen oder aus dieser herausragen. Somit erfolgt die visuelle Kampfmittelräumung ohne den Einsatz von Sonden. Bei nicht einsehbarer, dichter, bodenbedeckender Vegetation ist der hilfsweise Einsatz von Sonden erforderlich. Die Vegetation ist auf eingewachsene Kampfmittel zu überprüfen. Hänge sind dabei bergauf zu begehen.

  • Baubegleitende Maßnahmen (sog. Baubegleitende Kampfmittelräumung)

    Die baubegleitende Kampfmittelräumung stellt technisch kein eigenständiges Verfahren der Kampfmittelräumung dar. Vielmehr werden die Räumarbeiten zeitlich und örtlich mit den auszuführenden Bauarbeiten zusammengelegt. Bei den Räumarbeiten wird sich der Techniken der "Visuellen Kampfmittelräumung" und der "Kampfmittelräumung durch den Abtrag von Boden und sonstigen Stoffen (Volumenräumung/Separation)" bedient.

Beachte:
"Baubegleitende Kampfmittelräumung" ist in der Regel nur dann anzuwenden, wenn die vorgenannten Räumverfahren aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht zur Anwendung kommen können oder der Aufwand einer Kampfmittelräumung im Vorfeld einer Baumaßnahme im Vergleich zur eigentlichen Baumaßnahme unangemessen hoch ist. Daher ist vor der Durchführung baubegleitender Maßnahmen in einem Räumkonzept unter Berücksichtigung der Verdachtsmomente (z. B. aus einer historisch-genetischen Rekonstruktion oder einer Luftbildauswertung), einer Gefährdungsabschätzung sowie mit den dokumentierten Untersuchungen vor Ort (z. B. Anlegen von Testfeldern) nachzuweisen, dass eine zeitlich unabhängige und eigenständige Kampfmittelräumung nicht zielführend ist.

Besondere Bestimmungen zur Ausführung der Baubegleitenden Kampfmittelräumung

a. Weisungsbefugnisse

Mit der Ausführung einer Baubegleitenden Kampfmittelräumung wird die Baustelle oder Teile davon zur Kampfmittelräumstelle.

Dies bedeutet:

  • Bei sämtlichen Eingriffen in den kampfmittelverdächtigen Untergrund obliegt die verantwortliche Steuerung und Koordination der Verantwortlichen Person gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 3 SprengG.

  • Die Verantwortliche Person hat Weisungsbefugnis gegenüber allen auf der Räumstelle tätigen Personen (siehe § 24 SprengG).

b. Ausführungsbestimmungen

  • Vor jedem Bodeneingriff wird die Verdachtsfläche mit aktiven und/oder passiven Sonden schichtenweise auf signalstarke Störkörper untersucht und punktuell geräumt. Eine alleinige visuelle Kampfmittelräumung ist grundsätzlich nicht geeignet.

  • Eine mechanische Beanspruchung der vermuteten Kampfmittel ist zu vermeiden. Störpunkte sind bis zur eindeutigen Identifizierung grundsätzlich manuell freizulegen.

  • Nach Freigabe durch die Verantwortliche Person können die freigegebenen Bodenpartien schichtweise ausgebaut und zur nachträglichen visuellen Kontrolle ausgelegt werden. Dieser Vorgang wird bis zum Erreichen der Aushubsohle wiederholt. Die Festlegung der abzutragenden Schichtmächtigkeit obliegt der Verantwortlichen Person.

  • Die Ausführung der Erdarbeiten kann unter Verwendung der Erdbaumaschinen und Einsatz des Personals der bauausführenden Firma erfolgen (vorbehaltlich anderweitiger länderspezifischer Regelungen).

  • Dieses Personal ist vor Beginn der Arbeiten und nach längerer Unterbrechung bei Wiederaufnahme maßnahmenbezogen zu unterweisen (Gefährdungspotential, lagenweiser Ausbau, Weisungsbefugnis etc.).

  • Werden Baumaschinen durch die Baufirmen gestellt, gelten die Anforderungen nach Pkt. 8.5.1 Einsatz von Erdbaumaschinen.

  • Aushub-/Abtragsmaterialien aus der baubegleitenden Kampfmittelräumung sind unter Berücksichtigung der Art der weiteren Verwendung (z. B. Wiedereinbau, Abfuhr und Verwertung) vom Kampfmittelverdacht zu befreien.

5.1.3
Räumverfahren in Gewässern

Gewässer im Sinne dieser DGUV Information sind auch die Deutschen Meeresgewässer und die Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ).

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Abb. 5
Taucher mit geborgenem Kampfmittel

Bei der Überprüfung auf Vorhandensein von Kampfmitteln in Gewässern finden grundsätzlich die gleichen Räumverfahren Anwendung wie an Land. Die Ortung von Kampfmittel in Gewässern erfolgt durch Unterwasserdetektion nahe dem Gewässergrund. Die Detektionsmittel müssen dabei unmittelbar über der Gewässersohle geführt werden, damit die größtmögliche Detektionstiefe (ist abhängig von der eingesetzten Technik und dem Aufbau der Gewässersohle) erreicht werden kann. Gleichzeitig müssen die Detektionsgeräte mit einer Positionsnavigation (z. B. DGPS = Differential Global Positioning System) ausgerüstet sein, damit eine spätere Lokalisation möglich ist.

In der Unterwasserdetektion können auch akustische, optische oder seismische Verfahren zur Anwendung kommen.

Nach erfolgter Unterwasserdetektion werden die detektierten Störkörper geborgen. Diese Bergung hat in Gewässern mit Strömung oder Tidenhub zeitnah zu erfolgen.

Die Störkörper können durch Einsatz von Tauchern identifiziert, geborgen oder nach Maßgabe der länderspezifischen Regelungen entschärft oder vernichtet werden. Die Taucherin oder der Taucher ist als Verantwortliche Person zu bestellen und muss im Besitz des Befähigungsscheins nach § 20 SprengG sein.

Bei tieferliegenden Störkörpern ist im Vorfeld ein Verbau um den Störkörper einzubauen.

Zusätzlich zu den Gefährdungen durch Kampfmittel sind diejenigen Gefährdungen zu beachten, die sich aus der Ausführung von Arbeiten an und in Gewässern ergeben und ggf. besondere Maßnahmen zum Arbeitsschutz erfordern.

Siehe dazu insbesondere

  • DGUV Vorschrift 40 "Taucherarbeiten"

  • DGUV Vorschrift 60 und 61 "Wasserfahrzeuge mit Betriebserlaubnis auf Binnengewässern"

  • DGUV Vorschrift 62 und 63 "Maschinenanlagen auf Wasserfahrzeugen und schwimmenden Geräten"

  • DGUV Vorschrift 64 "Schwimmende Geräte"

  • DGUV Regel 112-201 "Benutzung von persönlichen Schutzausrüstungen gegen Ertrinken"

Weitere bei der Kampfmittelräumung in Gewässern zu beachtenden Rechtsgrundlagen sind

  • Binnenschifffahrtsrecht (setzt sich aus mehreren Verordnungen zusammen)

  • Seeschifffahrtsrecht

  • Naturschutzgebietsbefahrensverordnung (NSGBefV).