IFA-LSA 01-400 - Geräuschminderung im Betrieb - Lärmminderungsprogramm

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Abschnitt 5.3 - 5.3 Messstrategien

DIN EN ISO 9612 beschreibt drei Strategien zur Messung des Lärmexpositionspegels. Diese Messstrategien stellen gleichwertige, alternative Verfahren dar. Die Norm erläutert ihre Vor- und Nachteile und gibt Empfehlungen für die Anwendung der einzelnen Strategien.

Nach DIN EN ISO 9612 sind folgende Messstrategien zu unterscheiden:
  • tätigkeitsbezogene Messungen (Strategie 1)

  • berufsbildbezogene Messungen (Strategie 2)

  • Ganztags-Messungen (Strategie 3)

Die drei Messstrategien der DIN EN ISO 9612 sollen hier kurz beschrieben und miteinander verglichen werden. Die tätigkeitsbezogenen Messungen nach Strategie 1 werden wegen ihrer besonderen Bedeutung für die betriebliche Praxis im Abschnitt 5.9 ausführlicher behandelt und anhand von Beispielen erklärt. Bezüglich der Strategien 2 und 3 sei auf die detaillierten Erläuterungen im Taschenbuch "Lärmmessung im Betrieb" [5] verwiesen.

5.3.1 Tätigkeitsbezogene Messungen (Strategie 1)

Das in Deutschland wohl am weitesten verbreitete Messverfahren an Arbeitsplätzen beschreibt die DIN EN ISO 9612 als Strategie 1 bzw. tätigkeitsbezogene Messung. Dieses Verfahren ist anwendbar, wenn sich die Arbeitsschicht in mehrere typische Tätigkeiten mit in sich gleichartiger Lärmexposition zerlegen lässt. Abbildung 4 zeigt als Beispiel den Pegelschrieb für eine Arbeitsschicht mit drei unterschiedlichen Tätigkeiten. Zur Ermittlung des Lärmexpositionspegels ist die Geräuschbelastung für jede einzelne Tätigkeit separat zu erfassen. Aus den äquivalenten Dauerschallpegeln der einzelnen Tätigkeiten lässt sich dann der Lärmexpositionspegel unter Berücksichtigung der jeweiligen Zeitanteile berechnen (siehe Abschnitt 5.9).

Dieses Verfahren der Strategie 1 hat den wesentlichen Vorteil, dass man in der Regel mit relativ kurzen Messzeiten tm für die einzelne Tätigkeit auskommt. Andererseits ist gegebenenfalls ein hoher Aufwand nötig, um die Arbeitsplatzsituation zu analysieren und die Zeitanteile für die zu berücksichtigenden Tätigkeiten mit ausreichender Sicherheit zu ermitteln.

Das Verfahren lässt sich in der Regel auch dann anwenden, wenn am Tage der Messung Bedingungen vorliegen, die von der repräsentativen Situation abweichen. So lassen sich die Zeitdauern der einzelnen Tätigkeiten z. B. auf der Grundlage der betrieblichen Erfahrungen als längerfristig typische Werte einsetzen. Auch können bestimmte Belastungssituationen durch kurzzeitige Simulationen erfasst und entsprechend berücksichtigt werden.

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Abb 4:
Zerlegung einer Arbeitsschicht in mehrere Tätigkeiten mit in sich gleichartiger Geräuschsituation [4].

5.3.2 Berufsbildbezogene Messungen (Strategie 2)

Als Strategie 2 bzw. berufsbildbezogene Messungen beschreibt DIN EN ISO 9612 ein Stichprobenverfahren, mit dem sich die Lärmexposition für ein Berufsbild durch zeitlich zufällige Stichprobenmessungen erfassen lässt. Ein Stichprobenverfahren bietet sich vor allem für Berufsbilder mit vielen unterschiedlichen Tätigkeiten oder bei einem unvorhersehbaren Arbeitsablauf an. An solchen Arbeitsplätzen wäre die Ermittlung der einzelnen Tätigkeiten mit ihren Zeitanteilen und die messtechnische Erfassung der jeweiligen Geräuschbelastungen nach der Strategie 1 mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden. Man kann sich in diesem Fall durch die Anwendung der Strategie 2 (berufsbildbezogene Messung) eine aufwändige Analyse der Arbeitsplatzsituation ersparen, muss jedoch mit höherem Aufwand für die Durchführung der Messungen rechnen.

Die Vor- und Nachteile der Strategien 1 und 2 sind in der Tabelle 5 gegenübergestellt. Dabei wird neben dem Aufwand zur Durchführung der Messungen (Messdauer) und für die Arbeitsanalyse auch die ggf. zu gewinnende Information über den Anteil einer einzelnen Tätigkeit an der gesamten Geräuschexposition der Arbeitsschicht als ein Kriterium aufgeführt. Diese zusätzliche Information liefert nur die Strategie 1, was z. B. als Grundlage für die Entscheidung über Lärmschutzmaßnahmen von Nutzen sein kann. Bekanntlich lässt sich die Lärmexposition an einem Arbeitsplatz nur dann deutlich reduzieren, wenn man bei Tätigkeiten ansetzt, die maßgeblich zur Gesamtbelastung des Beschäftigten beitragen.

Tabelle 5:
Vor- und Nachteile der Strategien 1 und 2 [5].

Strategie 1
Tätigkeitsbezogene Mesung
Strategie 2
Berufsbildbezogene Messung
Messdauerin der Regel kurze MessdauernStichprobenmessungen über längere Zeiten
ArbeitsanalyseGgf. zeitaufwändig, z. B. bei komplexen ArbeitsabläufenKeine detaillierte Arbeitsanalyse erforderlich
Information zum Anteil an der GesamtbelastungBeitrag jeder einzelnen Tätigkeit wird ermitteltKein Informationsgewinn zu den Beiträgen einzelner Tätigkeiten

5.3.3 Ganztags-Messungen (Strategie 3)

Als Strategie 3 bzw. Ganztags-Messungen bezeichnet DIN EN ISO 9612 eine Messmethode, bei der die Lärmexposition durch Langzeitmessungen über mehrere möglichst vollständige Arbeitsschichten zu erfassen ist. Die ausgewählten Arbeitstage sollten repräsentativ für den betrachteten Arbeitsplatz sein. Jede Ganztags-Messung wird als ein Stichproben-Messwert verstanden und wie bei der Strategie 2 ausgewertet. Die Strategie 3 empfiehlt sich vor allem für mobil eingesetzte Beschäftigte mit vielfältigen unterschiedlichen Tätigkeiten. Da man diese Beschäftigten kaum über die gesamte Zeit mit einem Handschallpegelmesser verfolgen kann, erfordert dieses Verfahren in der Regel personengebundene Messungen mit Schalldosimetern.

5.3.4 Vergleich der drei Messstrategien

Wie in den vorherigen Abschnitten erläutert weisen die hier beschriebenen Strategien jeweils Vor- und Nachteile auf. Tabelle 6 gibt einen Überblick, in welchen Fällen die jeweiligen Strategien anwendbar (markiert mit "Häkchen") und wann sie besonders zu empfehlen sind (markiert mit "Sternchen"). Danach bietet sich Strategie 1 - tätigkeitsbezogene Messung - immer dann an, wenn sich die Arbeitsschicht in eine überschaubare Anzahl von Tätigkeiten (Teilzeiten) zerlegen lässt. Wenn dies wegen vielfältiger Tätigkeiten mit unbekannter Dauer nicht möglich ist, kommen die als Strategie 2 beschriebenen berufsbildbezogenen Stichprobenmessungen in Betracht. Bei mobilen Arbeitsplätzen mit einer großen Zahl an Tätigkeiten sind schließlich Ganztags-Messungen entsprechend Strategie 3 zu empfehlen.

Im Einzelfall lassen sich auch verschiedene Strategien kombinieren, z. B. indem man die Lärmbelastung für eine bestimmte Belastungsphase (Tätigkeit) durch Stichprobenmessungen (Strategie 2) erfasst und mit anderen Belastungsphasen (Tätigkeiten) nach der Strategie 1 tätigkeitsbezogen auswertet.