DGUV Information 203-007 - Windenergieanlagen Handlungshilfe für die Gefährdungsbeurteilung im On- und Offshorebereich

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Abschnitt B11 - Biostoffe

B11.1 Allgemeines

Biostoffe sind beispielsweise Mikroorganismen oder Endoparasiten, die die Gesundheit des Menschen durch Infektion, übertragbare Krankheiten, Toxinbildung, sensibilisierende oder sonstige Wirkungen gefährden kann. Im erweiterten Sinne können auch Ektoparasiten oder größere Tiere Wirte und damit Überträger für Krankheitserreger sein.

In der Gefährdungsbeurteilung (vgl. Abschnitt A6 "Gefährdungsbeurteilung") ist die gesundheitliche Gefährdung durch den Arbeitgeber unter Mitwirkung der Betriebsärztin bzw. des Betriebsarztes vor Aufnahme der Tätigkeit zu ermitteln.

Biostoffe werden entsprechend dem von ihnen ausgehenden Infektionsrisiko in Risikogruppen eingestuft.

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Biostoffverordnung (BiostoffV) in Verbindung mit Technischen Regeln für biologische Arbeitsstoffe (TRBA) 460 ff.
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Bei Tätigkeiten wie z.B.

  • Reinigungs- und Sanierungsarbeiten (Beseitigung von Stäuben, Verunreinigung, Schimmel) und

  • Grünpflegearbeiten in der Zuwegung zur WEA

kann das Spektrum der auftretenden Biostoffe in Art, Höhe, Häufigkeit und Dauer der Exposition wechseln. Man spricht dabei von nicht gezielten Tätigkeiten, die keiner Schutzstufe nach Biostoffverordnung (BiostoffV) zugeordnet werden müssen.

Die Gefährdungen sind dann aus Erfahrungen aus vergleichbaren Tätigkeiten, aus sonstigen gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen oder aus Veröffentlichungen des Ausschusses für Biologische Arbeitsstoffe (ABS) abzuleiten.

Grundlegende Informationen zur Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten mit Biostoffen finden sich in der TRBA 400.

Der Arbeitgeber hat im Rahmen seiner Gefährdungsbeurteilung Schutzmaßnahmen nach dem Stand der Technik sowie nach gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen festzulegen.

Für Tätigkeiten mit Gefährdungen durch Biostoffe sind Betriebsanweisungen auf Basis der Gefährdungsbeurteilung zu erstellen (§ 14 BiostoffV).

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DGUV Information 213-016 "Betriebsanweisungen nach der Biostoffverordnung"
DGUV Information 201-031 "Handlungsanleitung zur Gefährdungsbeurteilung nach Biostoffverordnung (BioStoffV) - Gesundheitsgefährdungen durch Taubenkot"
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Im Rahmen der Unterweisung sind Beschäftigte über alle auftretenden Gefährdungen und erforderlichen Schutzmaßnahmen (z. B. besonderes Verhalten, Impfungen) mündlich zu unterweisen.

Die Beschäftigten sind auch über die Voraussetzungen zu informieren, unter denen sie Anspruch auf arbeitsmedizinische Vorsorge nach der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) haben.

Im Rahmen der Unterweisung ist auch eine allgemeine arbeitsmedizinische Beratung vorzugsweise unter Beteiligung der Betriebsärztin bzw. des Betriebsarztes durchzuführen mit Hinweisen zu besonderen Gefährdungen.

Bei der Zusammenarbeit verschiedener Firmen kann die Möglichkeit einer gegenseitigen Gefährdung bestehen. Deshalb muss die Fremdfirmenkoordination ebenfalls Bestandteil der Gefährdungsbeurteilung sein.

A6.1.5 "Zusammenarbeit von Unternehmen und Auftragsvergabe" sowie A10.5 "Arbeitsplatzhygiene"

B11.2 Gefährdungen

Bei Arbeiten in/an WEA können Infektionen durch Krankheitserreger gesundheitsgefährdend sein, die z. B. durch

  • Zecken (z. B. Erreger von FSME oder Borreliose),

  • Tierausscheidungen, tierausscheidungshaltige Stäube, Tierkadaver (z. B. Hanta-Virus)

übertragen werden.

Gewisse biologische Arbeitsstoffe können Allergien auslösen, beispielsweise Sporen von Schimmelpilzen, die an den Wandungen anhaften.

Hinweis: Das pure Vorhandensein von Schimmelbefall muss aber nicht zwangsläufig zu einatembaren Sporen in der Atemluft führen. Dazu benötigt der Schimmel gewisse Randparameter wie Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftgeschwindigkeit.

Bei der Beurteilung der Gefährdung durch den jeweiligen Erreger ist der Aufnahmepfad maßgeblich. So müssen FSME-Erreger oder Borrelien in die Blutbahn gelangen, um eine Infektion zu verursachen. Schimmelpilzsporen können ihr allergenes Potential hauptsächlich beim Einatmen entfalten. Auch der Hanta-Virus kann über die Lunge aufgenommen werden, darüber hinaus aber auch über die Schleimhäute.

Gefährdungen können auch aus allgemeinen hygienischen Gründen bestehen, sofern an abgelegenen Anlagen keine Möglichkeiten für Körperhygiene vorhanden sind.

A10.5 "Arbeitsplatzhygiene".
ccc_1609_as_2.jpgAuslandstätigkeiten
Bei Einsätzen im Ausland sind die jeweils örtlich vorliegenden besonderen gesundheitlichen oder hygienischen Bedingungen zu berücksichtigen.

Insbesondere in warmen Ländern können Probleme bei der Einhaltung hygienischer Standards bestehen. Das Klima begünstigt das Vorkommen und die Vermehrung von Krankheitsüberträgern und Zwischenwirten verschiedener Infektionserreger. Schlechtere sanitäre Zustände begünstigen Infektionen.

Daher sollte je nach den Tätigkeitsbedingungen des Einzelfalls und nach Beurteilung des gesundheitlichen Risikos eine ärztliche Beratung bis hin zu Untersuchungen erfolgen (DGUV Information 240-350).

B11.3 Schutzmaßnahmen

B11.3.1
Grundsätzliches

Bei allen Tätigkeiten mit Biostoffen müssen mindestens die allgemeinen Hygienemaßnahmen eingehalten werden:

  • Arbeitsbereiche/-umgebung und Arbeitsmittel müssen sich in einem dem Arbeitsablauf entsprechenden sauberen Zustand befinden und gegebenenfalls vorher gereinigt werden.

  • Waschgelegenheiten müssen zur Verfügung stehen.

  • Möglichkeiten zum Wechsel verschmutzter Arbeitskleidung. Verschmutzte Arbeitskleidung ist durch den Arbeitgeber zu reinigen.

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Technische Regel für biologische Arbeitsstoffe (TRBA) 400
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Grundsätzlich ist sicherzustellen, dass die Beschäftigten in Arbeitsbereichen, in denen Biostoffe auftreten können, keine Nahrungs- und Genussmittel zu sich nehmen.

Um das Eindringen von Tieren zu verhindern sind die Sicherungen an Lüftungsöffnungen instandzuhalten. Ähnliche Zutrittswege sind nach Möglichkeit abzusichern (z. B. Gitter, Matten).

Räumliche Trennung von potentiell belasteten und womöglich unbelasteten Bereichen, z. B. Zugangsverschluss zum Fundamentkeller.

Bei Arbeiten an WEA können lüftungstechnische Maßnahmen eventuell zur Minderung der Exposition beitragen.

Um die Wahrscheinlichkeit von Zeckenstichen zu minimieren sollte zumindest körperbedeckende, geschlossene Kleidung getragen werden (Hinweis: Helle Kleidung lässt sich leichter nach Zecken absuchen.).

Darüber hinausgehende Schutzmaßnahmen wie

  • Schutzkleidung, die mechanisch (z. B. durch körpernahe Arm- und Beinabschlüsse) oder chemisch (z. B. durch Imprägnierung mit Permethrin) den Zeckenbefall verhindern soll, sowie

  • Zeckenschutzmittel zum Auftragen auf die Haut oder die Kleidung

sollten unter Beteiligung der Betriebsärztin bzw. des Betriebsarztes erwogen und ggf. umgesetzt werden.

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DGUV Information 214-078 "Vorsicht Zecken! Risiko Zeckenstich - was tun?"
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B11.3.2
Besondere Hinweise für Reinigungsarbeiten

Bei Reinigungsarbeiten werden weitere Schutzmaßnahmen erforderlich, wie beispielsweise

  • Zahl der exponierten Beschäftigten begrenzen

  • geeignete (gegen das Desinfektionsmittel beständige) Chemikalienschutzhandschuhe mit verlängertem Schaft benutzen

  • Brand- und Explosionsschutz beachten

  • Kadaver und Ausscheidungen vor der Entsorgung mit Desinfektionsmittel benetzen und anschließend vorsichtig aufzunehmen und zu entsorgen; dabei Staubaufwirbelung vermeiden (z. B. Einsatz von Industriestaubsauger der Staubklasse H).

  • Desinfizierende Reinigung der verwendeten Arbeitsmittel und der Arbeitsbereiche; dazu eignen sich mindestens begrenzt viruzide Produkte aus Tabelle 2 der Liste der vom Robert Koch-Institut (RKI) geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und -verfahren.

ccc_1609_as_2.jpgHinweis
Grundsätzlich ist bei der Verwendung von Desinfektionsmitteln die Einwirkzeit nach den Herstellerangaben zu berücksichtigen. Die Einwirkzeit bei Flächen- bzw. Wischdesinfektion kann je nach Produkt 60 bis 240 Minuten betragen.

Lassen sich Staubaufwirbelungen im Einzelfall nicht vermeiden, so ist weitere Persönliche Schutzausrüstungen (PSA) notwendig, zum Beispiel

  • partikelfiltrierender Atemschutz FFP3 mit Ausatemventil,

  • Korbbrille,

  • Einweg-Overall Chemikalienschutz Typ 4B ,

  • geschlossene, leicht zu reinigende desinfizierbare Schuhe oder Stiefel.

Beim Verlassen des Arbeitsbereiches müssen die PSA vorsichtig abgelegt werden. PSA zum mehrfachen Gebrauch (Korbbrille, Schuhwerk) ist sachgerecht zu reinigen und zu desinfizieren. Dazu erst die Kleidung ausziehen, dann Atemschutz und Schutzhandschuhe ablegen. Abschließend die Hände reinigen und desinfizieren.

ccc_1609_as_2.jpgHinweis
Mindestens begrenzt viruzide Desinfektionsmittel zur Händedesinfektion sind in Tabelle 3 der RKI-Liste aufgeführt, die Einwirkzeit beträgt jeweils eine halbe Minute. Die Beschaffung und die anschließende Anwenderschulung sollten von der Betriebsärztin bzw. vom Betriebsarzt begleitet werden.
ccc_1609_as_2.jpgHinweis
Für umfangreichere Reinigungs- und Sanierungsarbeiten sind weitergehende Maßnahmen erforderlich. Als Erkenntnisquelle ist hier beispielsweise die DGUV Information 201-028 "Handlungsanleitung Gesundheitsgefährdungen durch biologische Arbeitsstoffe bei der Gebäudesanierung" zu berücksichtigen.