DGUV Information 214-022 - Industriereinigung Schutzmaßnahmen und arbeitsmedizinische Vorsorge

Online-Shop für Schriften

Jetzt bei uns im Shop bestellen

Jetzt bestellen

Abschnitt 3.1 - 3.1 Hochdruckwasserstrahlreinigung

3.1.1
Beschreibung

Unter Hochdruckwasserstrahlreinigung wird hier das Reinigen von industriellen Behältnissen (z.B. Tanks, Behältern, Rohrleitungen, Wärmetauschern) und Flächen von Rückständen des Produktionsprozesses mittels Wasserhochdruck (Abkürzung für Hochdruck: HD) verstanden. Der benötigte Wasserdruck wird mittels HD-Pumpen erzeugt. Gefährdungen entstehen vor allem durch den Rückstoß der handgehaltenen Spritzeinrichtung, die Schneidwirkung des Flüssigkeitsstrahls, defekte Schlauchleitungen und gefährliche Arbeitsstoffe. Das notwendige technische Equipment besteht im Wesentlichen aus: HD-Pumpe, HD-Schläuchen, Pistole/Lanze. Neben den handgehaltenen Verfahren existieren auch mechanisch geführte Spritzeinrichtungen. Es ist stets zu prüfen, ob die Aufgabe mit einer mechanisch geführten Spritzeinrichtung erfüllt werden kann. Wenn ja, ist solch eine Lösung anzustreben. So können z.B. HD-Arbeiten innerhalb geschlossener Behälter auch mit Tankwaschköpfen ausgeführt werden. Damit beschränkt sich der Einsatz handgeführter Einrichtungen innerhalb des Behälters auf eventuell notwendige Nachreinigungsarbeiten. [BGR 500 Kap. 2.36]

3.1.2
Unfälle mit HD-Geräten und deren Ursachen

3.1.2.1
Unfälle

Nachfolgend sind typische HD-Verletzungen aufgelistet. Die Aufzählung ist in etwa nach absteigender Häufigkeit sortiert.

  • Durchschießen der Schuhe und Füße mit dem Wasserstrahl

  • Einschüsse im Unter- und Oberschenkelbereich

  • Verletzungen im Gesicht (z.B. Zahn-, Augenverlust) durch gelöste Teile des abzureinigenden Gegenstandes

  • Verletzungen am Rumpf

  • Verletzungen der Hände/Unterarme

  • In einigen Fällen treten sogar ernste Verletzungen an der Körperrückseite auf

Zusammenfassend gilt für Hochdruckverletzungen, dass Füße, Beine und Gesicht am meisten gefährdet sind; die Auswirkungen eines außer Kontrolle geratenen HD-Schlauches lassen sich jedoch nicht vorhersagen.

Weitere Verletzungen kommen nicht durch den Wasserstrahl selbst zustande, sondern z.B. durch die Wassertemperatur (Verbrennungen) oder die Krafteinwirkung des umherschlagenden Schlauchs (Prellungen).

HD-Verletzungen sind nicht selten tödlich.

3.1.2.2
Ursachen

  • Feststellen der Betätigungsvorrichtung: der außer Kontrolle geratene Wasserstrahl stoppt nicht sofort (≥ 1 Sekunde). Siehe Abb. 3-3.

  • Abgenutzte, schwergängige Betätigungsvorrichtung: Mögliche Folge: Der Wasserstrahl stoppt beim Loslassen nicht sofort.

  • Materialversagen: Wird ungeeignetes Material verwendet oder unpassendes gebraucht, können z.B. Abrisse von Düsen und Schläuchen auftreten.

  • Fehlende Koordination: Beim Betrieb mehrerer Geräte können gegenseitige Verletzungen die Folge sein.

  • "Nur Wasser": Weil es "nur" Wasser ist, wird mit dem Hochdruck-Medium leichtfertig oder unkonzentriert gearbeitet.

  • "Bessere Idee": Weil es vermeintlich besser geht, wird auf die Spritzvorrichtung (d.h. Lanze) verzichtet und nur mit dem Schlauch gearbeitet. Der Kontrollverlust ist fast unausweichlich.

  • "Keine Zeit": Auf die Rückhaltevorrichtung wird verzichtet, weil sie die Arbeit verlangsamt.

3.1.3
Technische und organisatorische Schutzmaßnahmen

bgi-5063-1_abb06.jpg

Die Betätigungsvorrichtungen von HD-Pistole n und Fußventilen dürfen auf keinen Fall (z.B. aus Bequemlichkeit) festgestellt werden!

Bei Arbeitsantritt immer sicherstellen, dass beim Loslassen der Betätigungseinrichtung der Wasserstrahl sofort stoppt!

Die handgeführte Spritzvorrichtung darf auf keinen Fall kürzer als 75 cm sein.

bgi-5063-1_abb07.jpg

Abb. 3-3: Auf frischer Tat! Der bei einer Unfalluntersuchung gefundene Draht hatte einen Industriereiniger einen halben Fuß gekostet.

bgi-5063-1_abb08.jpg

Abb. 3-4: Hochdruckreinigung mit Schulterstütze bei Rückstoßkraft ≥150 N (Man beachte auch: Länge der Lanze, gemeinsame Schlauch- und Kabelführung, Gamaschen, Kopf- und Gesichtsschutz, richtige Handhaltung: linke Hand oben)

bgi-5063-1_abb09.jpg

Abb. 3-5: Röhrenbündelwärmetauscher, Reinigungsgerät. Für wiederkehrende Arbeiten sollten automatisierte Lösungen gesucht werden: dies ist die effektivste Maßnahme zur Minimierung der Gefährdung.

bgi-5063-1_abb10.jpg

Abb. 3-6: Stahlseil als Schlauchsicherung gegen Umherschlagen bei Abriss.

bgi-5063-1_abb11.jpg

Abb. 3-7: Metallstrumpf als Schlauchsicherung gegen Umherschlagen bei Abriss. Weitere Möglichkeiten sind Festlegen, Umhüllen und ausreißsichere Schraubkupplungen, die nur mittels Werkzeug gelöst werden können.

bgi-5063-1_abb12.jpg

Abb. 3-8: Beispiel einer Fangvorrichtung bei der Rohrreinigung

bgi-5063-1_abb13.jpg

Abb. 3-9: Schutz gegen unbeabsichtigte Schlauchumkehr durch Verwendung eines starren Übergangsstückes zwischen HD-Schlauch und Düse

bgi-5063-1_abb14.jpg

Abb. 3-10: Da die Gefährdung für Unbeteiligte nicht ohne weiteres ersichtlich ist: Bereich kennzeichnen und absperren.

Weitere Maßnahmen:

  • Übermäßige Zug- oder Biegebeanspruchungen sind zu vermeiden.

  • Weitere Maßnahmen können der anschließenden Checkliste, der Betriebsanweisung im Anhang, der BGI 5063-2 sowie Kapitel 2.36 der BGR 500 entnommen werden.

3.1.4
Checkliste

Für Arbeiten mit Hochdruck-Einrichtungen kann folgende Checkliste herangezogen werden. Alle Anforderungen müssen erfüllt sein.

Vorab ist stets zu prüfen, ob mechanisch geführte Spritzeinrichtungen verwendet werden können. Nur wenn dies betriebstechnisch nicht möglich ist, können handgehaltene Spritzvorrichtungen verwendet werden.

Checkliste für HD-Arbeiten

Die Flüssigkeitsstrahler werden regelmäßig geprüft; die Prüfungen werden dokumentiert; Spritzeinrichtungen werden im Zusammenhang mit der jeweiligen Pumpe geprüft; die Spritzeinrichtungen sind den Pumpen fest zugeordnetbgi-5063-1_kasten.jpg
Alle Komponenten werden nur beim zulässigen Druck betrieben und sind aufeinander abgestimmtbgi-5063-1_kasten.jpg
Nur unterwiesene Erwachsene gehen mit Flüssigkeitsstrahlern um; Unterweisungsnachweis (nicht älter als ein Jahr) liegt vorbgi-5063-1_kasten.jpg
Sicherer Stand ist gewährleistet (Untergrund, Schuhe); gegebenenfalls eigene rutschhemmende Platten verlegenbgi-5063-1_kasten.jpg
Rückstoßkraft in Längsachse < 250 N und maximale Rückstoßkraft wird nicht schlagartig aufgebautbgi-5063-1_kasten.jpg
Spritzeinrichtung mit Körperstütze wenn Rückstoßkraft > 150 Nbgi-5063-1_kasten.jpg
Sofort nach Loslassen der Betätigungseinrichtung tritt keine Flüssigkeit mehr aus (≤ 1 s) bgi-5063-1_kasten.jpg
Die Schalteinrichtung kann nicht versehentlich ausgelöst werden; die Einschaltstellung ist nicht verriegelbarbgi-5063-1_kasten.jpg
Schlauchleitungen sind mit Montagedatum und dem zulässigem Betriebsüberdruck gekennzeichnetbgi-5063-1_kasten.jpg
Bei Rohrreinigungen wird der unbeabsichtigte Austritt der Düse aus dem Rohr sicher verhindertbgi-5063-1_kasten.jpg
Persönliche Schutzausrüstungen werden zur Verfügung gestellt und benutztbgi-5063-1_kasten.jpg
Beim Betrieb mehrerer Spritzeinrichtungen wird eine gegenseitige Gefährdung ausgeschlossenbgi-5063-1_kasten.jpg

Im Anhang finden Sie eine Betriebsanweisung für die Arbeit mit dem Hochdruck-Wasserstrahl. Ihr können weitere Schutzmaßnahmen entnommen werden.

3.1.5
Spezielle persönliche Schutzausrüstungen beim Arbeiten mit dem Hochdruck-Wasserstahl

3.1.5.1
Schutzkleidung

Von den Herstellern von persönlichen Schutzausrüstungen werden verschiedene Konzepte zum Schutz vor Hochdruckwasserstrahlen verfolgt. Der Schutz kann in Nässeschutzkleidung kombinierbar (Abb. 3-11) oder auch in diese integriert sein.

bgi-5063-1_abb15.jpg

Abb. 3-11: Als moduläre "Rüstung" ausgeführte Schutzbekleidung gegen Verletzungen durch Hochdruckwasserstrahl, über oder unter Regenschutzkleidung zu tragen.

3.1.5.2
Fußschutz

Die Auswertung der am häufigsten verletzten Körperteile (siehe auch Abschnitt 3.1.2.1) zeigt die besondere Gefährdung der Füße. Als Schutzkleidung kommen hier Gamaschen oder spezielle Strahlerschutzstiefel in Frage. Für beide Lösungen gilt, dass sie die Bewegungsfreiheit einschränken und das Gehen erschweren. Daher sollten in ihnen keine Strecken zu Fuß gegangen werden. Gamaschen sind so anzuziehen, dass sie sich durch den Wasserdruck nicht vom Fuß lösen können und durch Verschlussbänder und dergleichen keine Stolpergefahr entsteht.

Zum Thema Fußschutz informiert der Fachausschuss Persönliche Schutzausrüstungen:

"Werden aus arbeitstechnischen Gründen handgehaltene Spritzeinrichtungen mit Drücken größer 250 bar und mit einer Lanzenlänge kleiner gleich 75 cm notwendig, sind Sicherheitsschuhe (S 5) mit zusätzlicher Schutzfunktion im oberen Fußbereich zu tragen bzw. entsprechender Fußschutz mit Gamaschen zu verwenden. Die Prüfbedingungen zum Schutz vor dem Wasserstrahl lauten (siehe BG-Regel: Benutzung von Fuß- und Beinschutz [BGR 191]):

  • Rückstoßkraft der Lanze 250 N

  • Düsengröße 1 mm Rundstrahldüse

  • Abstand der Düse zum Schuh 75 mm

  • Vorschubgeschwindigkeit 0,2 m/s

  • Überfahren des Vorderfußes hinter der Schutzkappe im Bereich des Rists

Für die Gamaschen als Schutz bei Arbeiten mit handgeführten Spritzeinrichtungen hat das Sachgebiet "Fußschutz" im FA "PSA" Prüfgrundsätze veröffentlicht, die im Hinblick auf die Durchführung der EG-Baumusterprüfungen für die Feststellung der Übereinstimmung mit den einschlägigen Bestimmungen der PSA-Richtlinie (89/686/EWG) zugrunde gelegt werden können.

bgi-5063-1_abb16.jpg

Abb. 3-12: Gamaschen

3.1.5.3
Weitere persönliche Schutzausrüstungen

Weitere Elemente der persönlichen Schutzausrüstungen sind:

  • Schutzhelm mit Gesichtsschild oder Helm und Schutzbrille mit Seitenschutz

  • Gehörschutz

  • Schutzhandschuhe, möglich mit Verstärkung gegen Hochdruck-Wasserstrahl

  • Atemschutz bei Entstehen gefahrstoffhaltiger Aerosole durch die Reinigung

Auch der Sicherungsposten muss unter Umständen mit persönlichen Schutzausrüstungen ausgestattet werden!

Zum Thema Schutzausrüstung siehe auch Abschnitt 8.3!