DGUV Regel 112-196 - Benutzung von Stechschutzbekleidung

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Anhang 2 - RISIKOPRIORITÄTSZAHL


Durchführung einer Risikobeurteilung

1
Allgemeines

Im Rahmen der vom Unternehmer nach § 5 Arbeitsschutzgesetz durchzuführenden "Gefährdungsermittlung und der Beurteilung der Arbeitsbedingungen" ist eine Risikobeurteilung vorzunehmen, damit wirksame präventive Maßnahmen getroffen werden können. Das in diesem Anhang beschriebene Verfahren stellt eine Möglichkeit zur Risikobeurteilung dar und ist angelehnt an die DIN EN ISO 1050 "Leitsätze zur Risikobeurteilung".

2
Durchführung der Risikobeurteilung

Gemäß der DIN EN ISO 1050 wird das Risiko durch die "Risikoprioritätszahl (RPZ)" ausgedrückt. Diese ergibt sich aus dem Produkt "Verletzungsschwere" multipliziert mit der "Wahrscheinlichkeit des Auftretens".

Risikoprioritätszahl (RPZ) =

Verletzungsschwere (V) x Wahrscheinlichkeit des Auftretens (A)

Hinweis: Die "Verletzungsschwere" ergibt ich aus Tabelle 1 und die "Wahrscheinlichkeit des Auftretens" aus Tabelle 2 dieses Anhangs, wobei jeweils Zahlenwerte von 1 bis 10 möglich sind.

2.1
Verletzungsschwere

Die Ziffer der "Verletzungsschwere" ist entsprechend den Arbeitsverfahren möglichst objektiv festzulegen.

Die Bewertungsskala reicht hier von einer minimalen "Schnitt-/Stichverletzung" (Ziffer 1) bis hin zum Tod (Ziffer 10). Infektionsgefahr kann die Folgen der Verletzung deutlich erhöhen.

Tabelle 3: Verletzungsschwere (Verletzungsziffer 1 bis 10)
Verletzungsschwere
(V)
Stich-/Schnittverletzung sowie deren Folgen
1Minimale Stich-/Schnittverletzung
2Leichte Stich-/Schnittverletzung (Selbstpflastern)
3Leichte Stich-/Schnittverletzung (ambulante Versorgung, ggf. im Produktionsbetrieb möglich)
4Mittlere Stich-/Schnittverletzung (AU < 3 Tage)
5Mittlere Stich-/Schnittverletzung (AU > 3 Tage)
6Schwere Stich-/Schnittverletzung mit Krankenhausaufenthalt
7Schwere Stich-/Schnittverletzung mit MdE < 20 %
8Schwere Stich-/Schnittverletzung mit MdE (< 50 %)
9Schwere Stich-/Schnittverletzung mit MdE (> 50 %)
10Schwere Stich-/Schnittverletzung mit Todesfolge

Hinweise zur Tabelle:

AU=Arbeitsunfähigkeit,
MdE=Minderung der Erwerbsfähigkeit,
MdE < 20 %=z.B. Bauchstich ohne Verletzung tieferer Strukturen,
MdE < 50 %=z.B. Leistenstichverletzung mit Venenersatz und postthrombotischem Syndrom (permanente Schwellungen, Geschwüre),
MdE > 50 %=z.B. Verlust des Beines nach Stichverletzung.

2.2
Wahrscheinlichkeit des Auftretens

Die Ziffer zur "Wahrscheinlichkeit des Auftretens" ist unter anderem von folgenden Einflüssen abhängig:

  • Arbeitsverfahren,

  • Arbeitsplatzgestaltung,

  • Betriebsorganisation, z.B. Unterweisungen, Kontrollen, Zeitdruck, vertragliche Verpflichtung zur Benutzung der PSA,

  • bisher verwendete Persönliche Schutzausrüstungen,

  • Betriebserfahrung (festgestellte Verstöße gegen Arbeitsanweisungen),

  • Häufigkeit (seltene Tätigkeiten, Unterschätzen der Gefahr durch Routine),

  • Verfassung des Mitarbeiters,

  • Arbeitsunfälle und Beinahe-Unfälle (Verbandbucheinträge).

Tabelle 4: Wahrscheinlichkeit des Auftretens (3 Stufen, Ziffern 1 bis 10)
ccc_1137_tabelle01.jpg

Hinweise zur Tabelle:

Die Ziffern zur Wahrscheinlichkeit des Auftretens sind generell den 3 Stufen "Gering, Mittel, Hoch" zugeordnet, wobei sich die Zwischenwerte insbesondere durch die oben genannten Faktoren ergeben. Die Ziffer 10 beschreibt ein unabwendbares Ereignis.

3
Bewertung des Risikos

Zur abschließenden Bewertung des Risikos werden die Ziffern zur Verletzungsschwere (V) und der Wahrscheinlichkeit des Auftretens (A) miteinander multipliziert und die Risikoprioritätszahl (RPZ) ermittelt.

RPZ = V x A

Die RPZ kann somit zwischen

RPZ= 1 x 1 = 1

und dem Maximalwert

RPZ = 10 x 10 = 100 liegen.

Die Risikobeurteilung und damit verbunden die ermittelte RPZ bereitet die zu treffende Maßnahme vor. Ist das vorhandene Risiko aus Sicht des Unternehmers akzeptabel - so liegt "ausreichende Sicherheit" vor. Ist das Risiko nicht akzeptabel - so liegt "Gefahr" vor. Aus dieser Betrachtung ergibt sich die vom Betrieb akzeptierte RPZ.

Unter Beachtung des Standes der Technik ist eine möglichst niedrige RPZ anzustreben.

Ein Grenzwert für die Risikoprioritätszahl (RPZ) ist im Vorschriftenwerk nicht festgelegt.

Beispiel:

Ausbeinarbeiten ohne Stechschutzschürze, Messerführung zum Körper:

  • Verletzungsschwere: schwere Bauchverletzung (V=7)

  • Wahrscheinlichkeit des Auftretens: Mittel (A=5)

Es ergibt sich eine RPZ = V x A =7 x 5 = 35

Ausbeinarbeiten mit Benutzung einer geeigneten Stechschutzschürze (Länge, Breite, Material) und eines ordnungsgemäß geschliffenen Messers, Messerführung zum Körper:

  • Verletzungsschwere: schwere Bauchverletzung (V=7)

  • Wahrscheinlichkeit des Auftretens: Gering (A=2)

Es ergibt sich eine RPZ = V x A =7 x 2 = 14

Folgerung für den Betrieb:

Weil in diesem Beispiel das Arbeitsverfahren nicht geändert werden kann, bleibt die theoretische Verletzungsschwere konstant (V=7). Durch Verwendung einer geeigneten Stechschutzschürze verringert sich aber die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes (A wird von 5 auf 2 reduziert). Damit ist durch die Benutzung der Stechschutzschürze das Risiko von 35 auf 14 reduziert worden.

Die Gefährdungsermittlung und Beurteilung der Arbeitsbedingungen sollte vom Unternehmer bzw. der verantwortlichen Führungskraft zweckmäßigerweise unter Beteiligung der Fachkraft für Arbeitssicherheit, des Betriebsarztes, der Personalvertretung (Betriebsrat oder Mitarbeitervertretung), des Sicherheitsbeauftragten und betroffener Mitarbeiter durchgeführt werden.

Es wird empfohlen, in Zweifelsfällen die zuständige Berufsgenossenschaft einzubeziehen.

Weitere Beispiele enthält die BG-Information "Auswahl von Schnitt- und Stichschutz bei der Verwendung von Handmessern in der Nahrungsmittelwirtschaft" (BGI 864).