DGUV Regel 112-194 - Benutzung von Gehörschutz

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Anhang 2 - Methoden zur Auswahl von geeignetem Gehörschutz

1. Allgemeines

Die nachstehend beschriebenen Auswahlmethoden sind Bestandteil von DIN EN 458 "Gehörschützer - Empfehlungen für Auswahl, Einsatz, Pflege und Instandhaltung - Leitfaden".

Es wird der am Ohr wirksame A-bewertete Schalldruckpegel L'A bestimmt, wenn der Gehörschützer getragen wird. Dieser darf den maximal zulässigen Expositionswert von 85 dB(A) nicht überschreiten.

Ziel der Auswahl ist das Erreichen eines am Ohr des Benutzers wirksamen Restschallpegels von 70 bis 80 dB(A) unter dem Gehörschutz. Zu hohe Schalldämmung (Überprotektion) kann zu Verständigungsproblemen und Isolationsgefühl führen. Um die daraus resultierende Ablehnung der Benutzung zu vermeiden, sollte dies ab einem am Ohr wirksamen Restschallpegel von L'EX,8h < 70 dB(A) überprüft werden.

Am Ohr wirksamer Restschallpegel in dB(A)Am Ohr wirksamer Restspitzenschallpegel in dB(Cpeak)Beurteilung der Schutzwirkung
> 85> 137nicht zulässig
> 80> 135nicht empfehlenswert
70-80≤ 135empfehlenswert
< 70-*
Tabelle 1 Schema zur Beurteilung der Schutzwirkung

Verständigung und Isolationsgefühl prüfen

Zur Festlegung der Expositionspegel ist bei zeitlich schwankenden Geräuschen grundsätzlich der äquivalente Dauerschallpegel LAeq und für die Oktavband-Methode das äquivalente Dauerschallspektrum Loct,eq zugrunde zu legen.

Für die Auswahl des Gehörschützers sollten der nach §§ 2, 3, 4 der LärmVibrations-ArbSchV ermittelte Lärmexpositionspegel und der Spitzenschalldruckpegel verwendet werden. Dabei ist die tatsächliche tägliche Arbeitszeit zu berücksichtigen.

2 Oktavband-Methode

Die Berechnung des am Ohr wirksamen Lärmexpositionspegels nach der Oktavband-Methode erfolgt gemäß folgender Gleichung:

ccc_1135_12.jpg

mit:

fMittenfrequenz des Oktavbandes
LfOktavband-Schalldruckpegel des Geräusches
AfFrequenzbewertung A, entsprechend der DIN EN 60651
APVfWert der angenommenen Schutzwirkung des Gehörschützers

Beispiel:

f/Hz 1252505001.0002.0004.0008.000
Lf/dB 84868897999796
Af/dB -16,1- 8,6- 3,20+ 1,2+ 1,0- 1,1
Lf+Af/dB 67,977,484,897,0100,298,094,9
APVf/dB 7,011,415,719,424,432,629,7
L'Af/dB 60,966,069,177,675,865,465,2

L'A = 80,6 dB ≈ 81 dB

Der unter dem Gehörschützer wirksame Schalldruckpegel ist nach Tabelle 1 als "nicht empfehlenswert, aber zulässig" zu beurteilen. Diese Methode kann nur bei qualifizierter Benutzung von Gehörschützern (siehe Anhang 1, Ziffer 2) verwendet werden.

3 HML-Methode

Die Schalldämmungswerte H, M und L in Verbindung mit den Messergebnissen des A- und C-bewerteten Schalldruckpegels des Geräusches werden dazu benutzt, um die vorhergesagte Minderung des Geräuschpegels (PNR) zu berechnen. Dieser Wert wird dann von dem festgestellten A-bewerteten Schalldruckpegel subtrahiert, um so den bei aufgesetztem Gehörschutz für das Ohr wirksamen, A-bewerteten Schalldruckpegel (L'A) zu bestimmen. Die H, M, L-Werte werden von den Herstellern angegeben. Diese Methode wird bei qualifizierter Benutzung verwendet.

3.1 Rechnerische Bestimmung

ccc_1135_13.jpg

und

ccc_1135_14.jpg

Der Restschallpegel ergibt sich dann aus

L'A = LA- PNR

Diese Methode kann nur bei qualifizierter Benutzung von Gehörschützern (siehe Anhang 1, Ziffer 2) verwendet werden.

3.2 Graphische Bestimmung

Beispiel:

  1. 1.

    Schritt: Ermittlung am Arbeitsplatz

    • Geräuschquelle: Hochfrequenz-Handschleifmaschine,

    • Tätigkeit: Putzschleifen von kleinen Pumpengehäusen,

    • LA = 102 dB; LC = 101 dB

  2. 2.

    Schritt: Vorauswahl eines Gehörschützers, z. B. mit HML-Check Gehörschützer mit H = 33 dB, M = 25 dB, L = 17 dB.

  3. 3.

    Schritt: Berechnung

    LC - LA = -1 dB.

  4. 4.

    Schritt: H, M und L-Wert in Arbeitsblatt (Abbildung 12) eintragen (wie am Beispiel in Abbildung 11 gezeigt) und Punkte mittels zweier Linien verbinden.

  5. 5.

    Schritt: LC - LA = -1 dB eintragen.

  6. 6.

    Schritt: PNR-Wert wie in Abbildung 11 gezeigt ablesen.

  7. 7.

    Schritt: Am Ohr wirksamen Pegel berechnen

    L'A= LA - PNR = 102 dB - 31 dB = 71 dB

Gehörschützer mit:

ccc_1135_15.jpg
Abb. 11 Graphische Bestimmung der vorhergesagten Minderung des Geräuschpegels (PNR) nach HML-Methode

Bewertung:

Die Schutzwirkung des ausgewählten Gehörschützers ist nach Tabelle 1 als "empfehlenswert" einzuschätzen.

ccc_1135_16.jpg
Abb. 12 Arbeitsblatt zur graphischen Bestimmung als Vorlage

4 HML-Check

4.1 HML-Check mit Liste der Gehörschützer aus der IFA-Datenbank

Unter Berücksichtigung des gemessenen Schalldruckpegels (LA) wird durch Hörprobe und unter Beachtung der Tabellen 2 und 3 das Geräusch als mittel- bis hochfrequent oder als tieffrequent eingestuft. Mit der Liste der Gehörschützer aus der IFA-Datenbank wird dann die Gehörschutz-Auswahl getroffen.

Geräuschquellen der Geräuschklasse HM - mittel- bis hochfrequent mit LC - LA ≤ 5 dB
Brennschneider
Rollenrotations-Hochdruck-Pressen
Dragiertrommeln
Rüttelformmaschinen
Druckluftdüsen
Schlagschrauber
Elektro-Nagler
Schleifmaschinen
Falzmaschinen
Schmiedehämmer
Getränkeabfüllanlagen
Spinnmaschinen
Gussputzarbeiten
Strick- und Wirkmaschinen
Holzbearbeitungsmaschinen
Trennschleifmaschinen
Honmaschinen
Webmaschinen
Hydraulikpumpen
Zentrifugen
Tabelle 2
Geräuschquellen der Geräuschklasse L - überwiegend tieffrequent mit LC - LA > 5 dB
Bagger
Konverter-Anlagen
Elektro-Schmelzöfen
Elektro-Umformersatz
Kupol-Öfen
Feuerungen
Metall-Druckgießmaschinen
Hochofenanlagen
Planierraupen
Kollergänge
Strahlanlagen
Kompressor-Anlagen (Kolben)
Verbrennungs-Öfen
Tabelle 3

Beispiel:

  1. 1.

    Schritt: Ermittlung am Arbeitsplatz

    • Geräuschquelle: Schmiedehammer

    • LA = 105 dB

  2. 2.

    Schritt: Bestimmung der Geräuschklasse

    Unter Beachtung der Tabelle 2 wird das Arbeitsgeräusch als mittel- bis hochfrequent (H M) eingestuft.

  3. 3.

    Schritt: Auswahl geeigneter Gehörschützer mit der Liste der Gehörschützer aus der IFA-Datenbank.

    ccc_1135_17.jpg

Bewertung:

Der Lärmexpositionspegel liegt innerhalb des empfohlenen Einsatzbereiches des Gehörschützers X, aber außerhalb des Einsatzbereiches des Gehörschützers Y. Der Gehörschützer X ist hinsichtlich der Schalldämmung für den Arbeitsplatz Schmiedehammer geeignet. Der Gehörschützer Y ist für diesen Arbeitsplatz nicht geeignet.

4.2 HML-Check mit bekanntem H, M oder L-Wert

  1. 1.

    Unter Beachtung der Tabellen 2 und 3 wird durch Hörprobe entschieden, ob das Arbeitsgeräusch als mittel- bis hochfrequent (LC - LA ≤ 5 dB) oder tieffrequent (LC - LA > 5 dB) einzustufen ist.

  2. 2.
    1. a)

      mittel- bis hochfrequentes Geräusch (Geräuschklasse HM)

      L'A = LA - M

    2. b)

      tieffrequentes Geräusch (Geräuschklasse L)

      L'A= LA - L

Nach TRLV Lärm gilt:

  • LC ist der Schalldruckpegel, gemessen mit der Frequenzbewertung C

  • LA ist der Schalldruckpegel, gemessen mit der Frequenzbewertung A

Der Schalldruckpegel kann der Tages-Lärmexpositionspegel oder der mit der Tätigkeit verbundene äquivalente Dauerschalldruckpegel sein.

Wenn die Geräuschklassen im Laufe einer Arbeitsschicht wechseln, sollte der Tages-Lärmexpositionspegel zur Beurteilung verwendet werden.

Beispiel:

Gehörschützer mit M = 24 dB und L = 18 dB

  1. a)

    Schleifmaschine LA = 103 dB/entspricht Geräuschklasse HM

    L'A = LA - M = 103 dB - 24 dB = 79 dB

    Der unter dem Gehörschützer wirksame Schalldruckpegel ist nach Tabelle 1 noch mit "empfehlenswert" zu bewerten.

  2. b)

    Kompressorenanlage LA = 100 dB/entspricht Geräuschklasse L

    L'A = LA - L = 100 dB- 18 dB = 82 dB

    Der unter dem Gehörschützer wirksame Schalldruckpegel ist nach Tabelle 1 mit "nicht empfehlenswert, aber zulässig" zu bewerten.

Wird keine Unterweisung zur qualifizierten Benutzung durchgeführt, sind die H-, M-, L-Werte durch Subtraktion der jeweiligen Korrekturwerte KS an die tatsächliche Schalldämmung in der Praxis anzupassen.

5. Auswahl nach dem Spitzenschalldruckpegel

Die Schalldämmung eines Gehörschützers ist dann als gut zu bewerten, wenn die für das Gehör wirksamen Schalldruckpegel bei getragenem Gehörschützer

  1. 1.

    L'pC,peak ≤ 135 dB

und

  1. 2.

    70 dB(A) ≤ L'EX,8h ≤ 80 dB(A)

sind.

Die Tabellen 4 und 5 zeigen Beispiele für mittel- bis hochfrequente und tieffrequente Impuls-/Schlaggeräusche. Die genannten Werte sind als Richtwerte zu betrachten.

LärmquelleLpC,peak in dB
Automatik-Gewehr (am Ohr des Schützen)170
Pistole (am Ohr des Schützen)160
Schreckschuss-Pistole (am Ohr des Schützen)157
Feuerwerkskörper (in 2 m Entfernung)167
Druckluft-Nagler (am Arbeitsplatz)130
schwere Schmiedehämmer (am Arbeitsplatz)145
Richtschlag (am Arbeitsplatz)140
200 t Presse (am Arbeitsplatz)140
Tafelschere (am Arbeitsplatz); Fallen schwerer Bleche140
Tabelle 4 Beispiele für hoch- und mittelfrequente Impuls-/Schlaggeräusche (LCFmax - LAFmax ≤ 5 dB)
LärmquelleLpC,peak in dB
Explosion von 10 g TNT auf dem Erdboden in 300 m Entfernung151
Kanone 20 m (ca. 10 m Entfernung)162
Kanone 105 m (ca. 10 m Entfernung)168
Richtarbeiten an großen Gehäusen aus dünnen Blechen144
Tabelle 5 Beispiele für tieffrequente Impuls-Geräusche (LCFmax - LAFmax > 5 dB)

Die nachstehende Methode für die Abschätzung einer ausreichenden Schutzwirkung setzt eine qualifizierte Benutzung der Gehörschützer voraus.

Kann diese nicht garantiert werden, sind die entsprechenden Praxisabschläge zu berücksichtigen (siehe Anhang 1, Ziffer 1).

Die Ermittlung von L'pC,peak und L'EX,8h wird mit dem Schalldämmungswert M oder L des Gehörschützers durchgeführt.

L'pC,peak = LpC,peak - M/L

und

L'EX,8h = LEX,8h - M/L

Beispiel:

Gehörschützer mit M = 19 dB

Schwerer Schmiedehammer LpC,peak = 148 dB(C) und LEX,8h = 101 dB(A) mittel- bis hochfrequent

1.L'pC,peak= LpC,peak - M = 129 dB≤135 dB(C)
2.L'EX,8h= LEX,8h - M = 82 dB≤ 85 dB(A)

Die unter dem Gehörschützer wirksamen Schalldruckpegel L'pC,peak und L'EX,8h können als "nicht empfehlenswert, aber zulässig" bewertet werden. Die Auswahl des Gehörschützers wird hiervon dem äquivalenten Dauerschallpegel bestimmt. Nur wenn das Gesamtgeräusch von einzelnen Impulsspitzen (LpC,peak ≥ 135 dB) dominiert wird, d. h. der äquivalente Dauerschallpegel verhältnismäßig klein ist, ist der Spitzenwert des C-Schalldruckpegels für die Auswahl ausschlaggebend.

Bei der Einwirkung von tieffrequenten Spitzenschalldruckpegeln, zum Beispiel Explosionsgeräuschen nach Tabelle 5, treten zusätzliche Leckagen am Gehörschutz aufgrund der Druckwelle auf.

Aus Gründen der Sicherheit wird empfohlen, die Auswahl bei tieffrequenten Spitzenschalldruckpegeln nach der folgenden Methode vorzunehmen:

L'pC,peak = LpC,peak - (L - 5 dB)
(L = Schalldämmungswert für tieffrequente Geräusche)
L'EX,8h = LEX,8h - L

Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die schädigende Wirkung solcher Geräusche geringer ist als die von mittel- und hochfrequenten Geräuschen wie in Tabelle 4.