DGUV Regel 113-004 - Behälter, Silos und enge Räume; Teil 1: Arbeiten in Behältern, Silos und engen Räumen

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Abschnitt 4.3 - 4.3 Schutzmaßnahmen gegen Gefahrstoffe und gefährdende Medien

Eine Gefährdung durch Gefahrstoffe liegt beispielsweise vor, wenn die Arbeitsplatzgrenzwerte überschritten sind oder Hautkontakt besteht.

Von gefährdenden Medien gehen Gefahren aus, die nicht durch gesundheitsgefährdende Eigenschaften, sondern durch andere Wirkungen, wie Ertrinken oder Versinken, hervorgerufen werden.

Neben den Arbeitsplatzgrenzwerten existieren auch andere Arten von Beurteilungsmaßstäben (ERB, BM, DNEL, ...)

4.3.1 Entleeren der Behälter, Silos und engen Räume

4.3.3.1
Behälter, Silos und enge Räume sind vor Beginn der Arbeiten zu entleeren und zu reinigen.

Nach Möglichkeit soll das Füllgut aus dem Behälter, Silo oder engen Raum entfernt werden, ohne dass sich dazu Personen darin aufhalten müssen, z. B. durch Ablassen, Absaugen, Abpumpen, Abziehen oder durch Fördereinrichtungen. Rückstände sollen durch auf das Füllgut abgestimmte Maßnahmen, z. B. durch Ausdämpfen, durch wiederholtes Füllen und Entleeren des Behälters mit Wasser (sofern die statischen Voraussetzungen dafür vorhanden sind), durch Ausspritzen oder Ausspülen mit geeigneten Flüssigkeiten, unter gleichzeitigem Durchrühren gegebenenfalls vorhandener schlammartiger Rückstände, oder durch Verdrängen mit geeigneten Gasen oder Spülen mit Luft, entfernt werden. Die durch organische Löse- beziehungsweise Reinigungsmittel möglichen Brand-, Explosions- oder Gesundheitsgefahren sind zu berücksichtigen.

Es muss gewährleistet sein, dass im Zuge des Entleerens Stoffe, Gemische oder Rückstände gefahrlos gelagert, abgeleitet oder entfernt werden; auf die einschlägigen Umweltschutzbestimmungen wird hingewiesen. Gegebenenfalls sind angrenzende Behälter und enge Räume und sonstige Bereiche mit zu berücksichtigen. Bei Hochdruckreinigungsverfahren sollte zur Vermeidung elektrostatischer Aufladungen nicht mit voll entsalztem Wasser oder anderen ionenarmen Flüssigkeiten gearbeitet werden.

Auf Entleerung und Reinigung kann verzichtet werden, wenn von den Stoffen oder Gemische keine Gefährdungen ausgehen oder sich die vom Inhalt ausgehenden Gefährdungen aus betriebstechnischen Gründen nicht beseitigen lassen und dagegen andere Schutzmaßnahmen getroffen werden.

Vom Inhalt gehen z. B. keine Gefährdungen aus, wenn die Stoffe und Gemische weder gesundheitsgefährlich noch brennbar sind und ein Ertrinken, Ersticken oder Versinken nicht möglich ist.

Gefährdungen, die sich nicht beseitigen lassen, können z. B. sein:

  • Anbackungen an Behälterwandungen, die sich nicht von außen entfernen lassen und die Gefahrstoffe enthalten, z. B. in Polymerisationskesseln

  • zur Entleerung bzw. Reinigung verwendete Stoffe, z. B. Spülgase oder -flüssigkeiten, sowie Reinigungsmittel

  • Behälter, Silos oder enge Räume, die aus betriebstechnischen Gründen oder als Folge von Betriebsstörungen nicht entleert oder gereinigt werden können

Geeignete Schutzmaßnahmen können z. B. sein:

  • Be- und Entlüftung

  • die Benutzung von persönlichen Schutzausrüstungen

  • die Benutzung von Siloeinfahreinrichtungen

4.3.2 Abtrennen der Behälter, Silos und engen Räume

4.3.2.1
Vor Beginn der Arbeiten in Behältern, Silos und engen Räumen ist sicherzustellen, dass alle Zu- und Abgänge an den Behältern, Silos und engen Räumen, durch die Gefahrstoffe oder erstickende Gase in gefährlicher Konzentration oder Menge oder mit gefährlichen Temperaturen oder Drücken in Behälter, Silos und enge Räume gelangen können, wirksam unterbrochen sind.

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Abb. 16.1
Abtrennen der Behälter (Entfernen von Zwischenstücken und Setzen von Blindflanschen - vorher)

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Abb. 16.2
Abtrennen der Behälter (Entfernen von Zwischenstücken und Setzen von Blindflanschen - nachher)

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Abb. 17
Zwei Absperreinrichtungen mit Zwischenentspannung ins Freie

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Abb. 18
Abtrennen mittels Steckscheibe

Zu- und Abgänge für Stoffe können z. B. durch folgende Maßnahmen wirksam unterbrochen werden:

  • durch Herausnehmen von Zwischenstücken, Trennen von Flanschverbindungen und Blindflanschen der Öffnungen

  • durch zwei hintereinanderliegende Absperreinrichtungen, wenn zwischen diesen eine geeignete Verbindung mit der Außenluft (Zwischenentspannung) hergestellt ist, die Betätigungseinrichtungen gegen unbeabsichtigtes, unbefugtes oder irrtümliches Öffnen gesichert sind und die Zwischenentspannung auf ihre Wirksamkeit überprüft wurde

  • durch dicht abschließende, deutlich erkennbare Steckscheiben, wenn Abmessungen und Werkstoff den auftretenden Temperaturen, stofflichen Beanspruchungen und Drücken angepasst sind

  • durch zwei hintereinander liegende Absperreinrichtungen ohne Zwischenentspannung, wenn vor den Absperreinrichtungen kein Druckaufbau möglich ist und die Betätigungseinrichtungen gegen unbeabsichtigtes, unbefugtes oder irrtümliches Öffnen gesichert sind

  • durch eine Absperreinrichtung, wenn Personen bei Undichtigkeiten nicht gefährdet werden können und die Betätigungseinrichtung gegen unbeabsichtigtes, unbefugtes oder irrtümliches Öffnen gesichert ist

  • durch eine Hilfsabsperrung, z. B. Blasen oder Kanaldichtkissen , wenn Personen bei Undichtigkeiten nicht gefährdet werden können

4.3.2.2
Ist eine wirksame Unterbrechung aus betriebstechnischen Gründen nicht möglich, darf in Behältern, Silos oder engen Räumen nur gearbeitet werden, wenn die dort arbeitenden Personen auf andere Weise geschützt sind.

Betriebstechnische Gründe, die eine wirksame Unterbrechung nicht ermöglichen, liegen z. B. bei Kanälen und Schächten vor.

Die Personen können z. B. durch Lüftung oder Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen auf andere Weise geschützt werden.

4.3.3 Lüftung

4.3.3.1
Vor Beginn und während der Arbeiten in Behältern, Silos und engen Räumen muss durch Lüftung sichergestellt werden, dass keine Gase, Dämpfe, Nebel oder Stäube in gesundheitsgefährlicher Konzentration sowie keine explosionsfähigen Gemische oder Sauerstoffmangel auftreten können.

Es wird unterschieden zwischen technischer (künstlicher) und freier (natürlicher) Lüftung.

Freie Lüftung, herbeigeführt durch Druck- oder Temperaturunterschiede, ist nur ausreichend, wenn die Arbeitsplatzgrenzwerte oder andere relevante gesundheitsbasierte Grenzwerte eingehalten sind und Sauerstoffmangel ausgeschlossen ist. Das trifft vor allem zu, wenn Arbeiten geringen Umfangs

  • mit kleinen Mengen,

  • mit Stoffen geringen Gefährdungspotenzials,

  • in Räumen mit großen Raumvolumen

durchgeführt werden und vor Beginn der Arbeiten keine gefährlichen Konzentrationen von Gefahrstoffen oder Sauerstoffmangel im Behälter vorhanden waren.

Die Bildung explosionsfähiger Atmosphäre gilt als verhindert, wenn dauerhaft sichergestellt ist, dass die Konzentration der Gase, Dämpfe, Nebel oder Stäube im Gemisch mit Luft unter 50 % der unteren Explosionsgrenze liegt. Bei Vorliegen nichtatmosphärischer Bedingungen sind zur Beurteilung einer möglichen Bildung explosionsfähiger Gemische die veränderten sicherheitstechnischen Kenngrößen zu berücksichtigen.

4.3.3.2
Zur Belüftung muss Frischluft benutzt werden. Die Frischluft muss Außenluftqualität haben.

Die Frischluft muss der freien Außenluft oder, wenn dies nicht durchführbar ist, Räumen entnommen werden, deren Luft frei von gesundheitsgefährlichen oder brennbaren Verunreinigungen ist. Diese Räume müssen mit der freien Außenluft durch große Öffnungen in Verbindung stehen. Die Luftzuführung ist so zu gestalten, dass der gesamte Raum im Behälter durchspült wird und die Personen möglichst im Frischluftstrom arbeiten.

Bei der Absaugung verunreinigter Luft ist sicherzustellen, dass ausreichend Frischluft, gegebenenfalls durch Einsatz technischer Lüftung, nachströmen kann. Lösemitteldämpfe sind in der Regel an der Entstehungsstelle abzusaugen. Bei der Absaugung ist dafür zu sorgen, dass die Lösemitteldämpfe nicht in die Atemluft von Beschäftigten gelangen.

Hinweise zur Lüftung siehe Anhang 3.

4.3.3.3
Sauerstoff und Luft mit erhöhtem Sauerstoffanteil dürfen zur Belüftung nicht verwendet werden.

4.3.3.4
Ist damit zu rechnen, dass in der Abluft gesundheitsgefährliche Stoffe in gefährlicher Konzentration vorhanden sind, ist die Abluft so abzuführen, dass Personen nicht gefährdet werden.

Kann das Vorhandensein gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre in der Abluft nicht ausgeschlossen werden, sind zusätzliche Maßnahmen zur Vermeidung von wirksamen Zündquellen in der Abluftleitung zu treffen.

4.3.3.5
Die Wirksamkeit der Lüftung ist zu überwachen und gegen Schalthandlungen durch Unbefugte zu sichern.

Die Überwachung kann z. B. geschehen durch:

  • kontinuierliche Konzentrationsmessungen mit selbsttätigen Einrichtungen (direktanzeigende Geräte),

  • wiederholte Einzelmessungen der Konzentrationen,

  • Kontrolle der Einhaltung der Zu- und Abluftleistung.

Zu- und Abluftmengen können beispielsweise durch Messung der Luftgeschwindigkeit in der Aus- und Eintrittsöffnung mit einem Flügelradanemometer abgeschätzt werden.

Die Richtung der Luftbewegung und die Durchspülung des Raumes lassen sich durch Flatterbänder, Windfähnchen oder Rauchröhrchen feststellen.

Die zur Feststellung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre verwendeten Messeinrichtungen müssen von einer anerkannten Prüfstelle für geeignet befunden sein. (Liste funktionsgeprüfter Gaswarngeräte, www.bgrci.de/exinfode/dokumente/gaswarngeraete/funktionsgeprueftegaswarngeraete/)

4.3.3.6
Bei unwirksam werden der Lüftung sind die Arbeiten im Behälter, Silo und in engen Räumen sofort einzustellen. Vor Wiederaufnahme der Arbeiten ist die Wirksamkeit der Lüftung zu sichern und analog zu Abschnitt 4.2.3.5 zu prüfen.

4.3.4 Atemschutz

4.3.4.1
Kann das Auftreten von Gefahrstoffen in gefährlicher Konzentration oder Menge durch die Maßnahmen nach den Abschnitten 4.2.1 bis 4.2.3 nicht verhindert werden, sind bei den Arbeiten in Behältern, Silos und engen Räumen Atemschutzgeräte zu benutzen. Bei der Auswahl eines geeigneten Atemschutzgerätes ist u. a.. dessen Schutzfaktor (Vielfache des Grenzwertes) zu berücksichtigen, siehe auch DGUV Regel 112-190 "Benutzung von Atemschutzgeräten".

4.3.4.2
Der Einsatz von Filtergeräten ist nur zulässig, wenn sichergestellt werden kann, dass keine Gefährdung durch Sauerstoffmangel auftritt. Erforderlichenfalls ist die Sauerstoffkonzentration kontinuierlich zu messen und Sauerstoffmangel durch optische oder akustische Warngeräte anzuzeigen, siehe auch DGUV Regel 112-190 "Benutzung von Atemschutzgeräten".

4.3.4.3
Arbeiten in Behältern, Silos und engen Räumen dürfen bei einem Sauerstoffgehalt kleiner 17 Vol.-% nur unter Einsatz von Isoliergeräten ausgeführt werden.

4.3.4.4
Bei gleichzeitiger Benutzung von Atemschutz und persönlicher Schutzausrüstungen gegen Absturz sind beide Ausrüstungen so einzusetzen, dass eine gegenseitige Beeinträchtigung vermieden wird.

Gegenseitige Beeinträchtigung kann vermieden werden, indem aufeinander abgestimmte Systeme verwendet werden, z. B. Auffanggurte mit integrierter Tragevorrichtung für Druckluftflaschen.

Eine Beeinträchtigung der Funktion des Atemschutzgerätes kann durch den Fangstoß erfolgen, z. B. Abreißen des Schlauches oder Herunterreißen des Atemanschlusses. Um dieses Risiko zu minimieren, sind bei gleichzeitiger Verwendung von Atemschutz und persönlichen Schutzausrüstungen gegen Absturz der Anschlagpunkt und die Einstellung des Verbindungsmittels so auszuwählen, dass eine möglichst geringe Auffangstrecke wirksam wird.

4.3.5 Freimessen der Behälter, Silos und engen Räume

4.3.5.1
Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ist festzustellen, welche Stoffe und Gemische in welcher Konzentration im Behälter, Silo oder engen Raum enthalten sind oder im Verlauf der Arbeiten auftreten können und ob Sauerstoffmangel auftreten kann. In den meisten Fällen ist dazu Freimessen erforderlich. Die Messungen müssen an repräsentativer Stelle erfolgen.

Zum möglichen Auftreten von Gefahrstoffen bzw. Sauerstoffmangel siehe Abschnitt 2 Nr. 11 und 12.

4.3.5.2
Zum Freimessen sind geeignete Messverfahren zu benutzen.

Geeignete Messverfahren sind:

  • kontinuierliche Messungen, z. B. mit direkt anzeigenden Geräten,

  • wiederholte Einzelmessungen, z. B. mit Prüfröhrchen oder mit Probenahme und Laboranalyse.

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Abb. 19
Probenahme mittels Gasmessgerät

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Abb. 20
Probenahme mittels Gassammelrohr

Bei der Auswahl der Messverfahren sind die speziellen Eigenschaften der zu messenden Stoffe zu berücksichtigen, z. B. Querempfindlichkeiten gegen andere Stoffe einschließlich Wasserdampf.

Entscheidend für die Auswahl des Messverfahrens sind auch die Verhältnisse im Behälter, Silo oder engen Raum. Es muss unterschieden werden zwischen Behältern, Silos und engen Räumen:

  • die vollständig entleert, gespült und gereinigt sind und in die ein Eindringen von Gefahrstoffen bzw. Stickgasen ausgeschlossen ist,

  • die Verunreinigungen oder Rückstände aufweisen, die Gefahrstoffe freisetzen können,

  • die nicht vollständig abgetrennt werden können und bei denen daher ein Eindringen von Gefahrstoffen bzw. Stickgasen möglich ist. In diesen Fällen sind direkt anzeigende Messgeräte zu bevorzugen.

4.3.5.3
Mit dem Freimessen dürfen nur Personen beauftragt werden, die über die erforderliche Fachkunde verfügen.

Die Fachkunde bezieht sich auf:

  • die verwendeten Messgeräte bzw. Messverfahren,

  • die zu messenden Gefahrstoffe,

  • die betrieblichen Verhältnisse, z. B. Beschaffenheit der Behälter, Silos und engen Räume, mögliche Einbauten, welche die Probenahme beeinflussen können.

Vor Aufnahme der Arbeiten in Tanks und Räumen auf Wasserfahrzeugen und Schwimmenden Anlagen sind zusätzlich zur TRGS 507 "Oberflächenbehandlungen in Räumen" die besonderen Bestimmungen der DGUV Vorschrift 45 "Schiffbau" zu beachten.

Die Fachkunde kann z. B. nach dem DGUV Grundsatz 313-002 "Auswahl, Ausbildung und Beauftragung von Fachkundigen zum Freimessen nach der DGUV Regel 113-004" erworben werden.

4.3.5.4
Die Messungen haben an repräsentativer Stelle zu erfolgen. Hierbei sind die Benutzerinformationen der Hersteller der Messgeräte zu berücksichtigen. Die durchgeführten Messungen und deren Ergebnisse sind zu dokumentieren.

4.3.5.5
In vielen Fällen wird nach der Freigabe auch während der Arbeiten kontinuierlich gemessen. Für diese kontinuierliche Überwachung durch den Sicherungsposten, z. B. mit Gaswarngeräten, ist keine Fachkunde nach dem DGUV Grundsatz 313-002 erforderlich.

Die Person, die die kontinuierliche Überwachung durchführt, muss zu diesem Sachverhalt unterwiesen sein. Die spezielle Unterweisung umfasst mindestens

  • grundlegende Hinweise zur Bedienung des Gaswarngerätes

  • Hinweise zum Verhalten bei Gerätealarm.

Für die sichere Anwendung von Prüfröhrchen ist erfahrungsgemäß eine umfangreichere Unterweisung erforderlich als für den Umgang mit direktanzeigenden Gaswarngeräten.